Dr. Andreas Meyer-Landrut, Partner, DLA Piper
Dr. Andreas Meyer-Landrut, Partner, DLA Piper

Der BGH hat in einem aktuellen Nichtzulassungsbeschluss erneut Stellung zur Mitteilung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat genommen und dabei seine jüngste Rechtsprechung zur Darstellung von Interessenkonflikten und ihrer Behandlung im Bericht des Aufsichtsrats bestätigt und konkretisiert.

Die bisherigen Entscheidungen des BGH

Bereits im Jahr 2009 gab der BGH in seinem Urteil Kirch/Deutsche Bank vom 16. Februar 2009 – II ZR 185/07 – den Revisionen zweier Kläger gegen das Berufungsurteil des OLG Frankfurt a.M. statt und erklärte die von der Hauptversammlung gefassten Entlastungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat für nichtig, da der Aufsichtsrat in seinem Bericht für das Geschäftsjahr 2002 die Empfehlung aus Ziffer 5.5.3 DCGK nicht befolgt habe. Im damaligen Aufsichtsratsbericht der Deutsche Bank AG waren überhaupt keine Informationen zu aufgetretenen Interessenkonflikten und deren Behandlung enthalten, obwohl sogar in den Medien Vorwürfe gegen den Vorsitzenden des Aufsichtsrats diskutiert wurden. Der BGH hat es für nicht ausreichend angesehen, von einer Darstellung dieses Interessenkonflikts im Aufsichtsratsbericht mit Blick auf die öffentliche Diskussion gänzlich abzusehen.

Schon wenige Monate später hatte der BGH Gelegenheit, erneut zur Frage unzureichender Behandlung von Interessenkonflikten im Aufsichtsratsbericht Stellung zu nehmen. In der Entscheidung Umschreibungsstopp (BGH, Urteil vom 21. September 2009 – II ZR 174/08 – Axel Springer) bestätigte der Senat, dass die aus Ziffer 5.5.3 DCGK folgende Verpflichtung, über aufgetretene Interessenkonflikte und ihre Behandlung im Bericht an die Hauptversammlung zu informieren, grundsätzlich ein nicht unwesentlicher Punkt der Entsprechenserklärung sei und gab der Anfechtungsklage gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat statt. Auch hier war im Aufsichtsratsbericht keine Aussage zu dem bestehenden Interessenkonflikt in einer M&A-Konstellation enthalten.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung stellte sich dann in der Folgezeit nur noch die Frage, mit welcher inhaltlichen Tiefe über aufgetretene Interessenkonflikte zu berichten war, um dem Verdikt der wesentlichen Kodex-Verletzung zu entgehen. Das nötige Anschauungsmaterial dazu lieferte schon der Aufsichtsratsbericht der Deutsche Bank AG für das Geschäftsjahr 2007: gegen die Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung vom 29. Mai 2008 wurde eine unzureichende Darstellung von behaupteten Interessenkonflikten im Aufsichtsratsbericht vorgebracht. Da solche aber nach Feststellung des OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 26. Juni 2012 – 5 U 144/09 nach Rückverweisung durch BGH) nicht bestanden, konnte ein Versäumnis des Berichts, der sich zu diesen Sachverhalten komplett ausgeschwiegen hatte, nicht festgestellt werden. Anders die Situation im Aufsichtsratsbericht 2008 der Bank: in ihm wurde nur mitgeteilt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende „an drei Beschlussfassungen am 29. Oktober 2008 wegen persönlicher Betroffenheit“ nicht teilgenommen habe. Weiter wird auf „latente“ Interessenkonflikte beispielhaft genannter weiterer Aufsichtsratsmitglieder verwiesen. Diese Darstellung erachteten sowohl das Landgericht als auch das OLG Frankfurt a.M. rechtskräftig (Urteil vom 05. Juli 2011 – 5 U 104/10) als unzureichend.

Musste man nach dieser Entscheidung annehmen, dass eine ausführliche Darstellung des Interessenkonflikts unter Nennung von Ross und Reiter sowie seiner Behandlung im Aufsichtsrat erforderlich sei, rückte der BGH in der Entscheidung Fresenius (Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11) die Anforderungen an die Darstellung zurecht. Er urteilte, dass die Angabe des Interessenkonflikts und dessen Behandlung durch den Aufsichtsrat (hier: die Zustimmung des Aufsichtsrats zur Mandatierung einer Anwaltskanzlei, in der ein Aufsichtsratsmitglied Mitglied ist) ausreichend sei. Erforderlich seien weder Angaben zum Namen des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds noch dazu, ob das Aufsichtsratsmitglied an der Beschlussfassung über die Zustimmung mitgewirkt hat. Zudem ließ er diese Angaben im Corporate Governance-Bericht genügen. Darin liege zumindest kein eine Anfechtung begründender Gesetzesverstoß.

Keine relevante Verletzung der Informationspflicht

Bei der nun vorliegenden Entscheidung handelt es sich um einen Nichtzulassungsbeschluss, der auf Revisionen gegen ein Urteil des OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 15. Mai 2012 – 5 U 66/11) beruht, das diesmal den Aufsichtsratsbericht 2009 der Deutsche Bank AG betraf. Hierin betont der Senat, wie wohl nicht entscheidungserheblich, dass nicht jede unzureichende Mitteilung von Interessenkonflikten im Aufsichtsratsbericht die Entsprechenserklärung unrichtig mache. Nur sofern die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung über einen Formalverstoß hinausgehe und auch im konkreten Einzelfall Gewicht habe, stelle dies einen schwerwiegenden Gesetzesverstoß dar, der zur Anfechtbarkeit der Entlastungsentscheidung des Aufsichtsrats führen kann. Auch fehle es im konkreten Fall an einer relevanten Verletzung der Informationspflicht, da der Aufsichtsratsbericht die Aufsichtsratsmitglieder benenne, bei denen Interessenkonflikte aufgetreten seien, und unter Darstellung der jeweiligen Beratungsgegenstände offen lege, wie diese jeweils behandelt worden seien. Eine Darlegung des Interessenkonflikts im Einzelnen verlange Ziffer 5.5.3 DCGK hingegen nicht. Damit wird in der Linie der Fresenius-Entscheidung der gegenteiligen Beurteilung des OLG Frankfurt a.M. in seinem Berufungsurteil vom 15. Mai 2012 widersprochen. Nach dem BGH ist somit eine Berichterstattung als ausreichend anzusehen, die die Interessenkonflikte grob umschreibt und deren Behandlung angibt (hier: Nichtteilnahme an den dies betreffenden Beratungen und Beschlussfassungen). Auch der Hinweis auf latente, sich nicht konkretisiert habende Interessenkonflikte wird akzeptiert.

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