Twitter als Nachrichtenquelle der Tagesschau
Diese Zahlen machen deutlich, dass sich Twitter als Kommunikationskanal etabliert hat und mehr als nur ein kurzfristiger Trend ist. Menschen beziehen ihre Informationen zunehmend aus sozialen Medien wie Facebook, YouTube, FlickR und SlideShare. Twitter verbreitet Informationen nahezu in Echtzeit. Die breite Öffentlichkeit hat das während der Proteste im Iran im Juni 2009 erstmals wahrnehmen können, als sich Medienberichte oft auf Tweets (so werden die maximal 140 Zeichen langen Einträge bei Twitter genannt) iranischer Nutzer bezogen haben.

Wenn nicht aktiv, dann wenigstens passiv
Der tägliche IR-Alltag ist per definitionem dialogorientiert. Die meisten Dialoge sind auf das Internet übertragbar oder basieren darauf, beispielsweise in Form von Webcasts und Online-Chats. Mit Sozialen Medien wie Twitter kann man den nächsten Schritt in einen Zustand machen, in dem jeder Empfänger auch zum Sender wird. Die Nutzer schaffen eigene Inhalte, äußern Meinungen und diskutieren mit anderen. Was vielen Unternehmen daran vielleicht missfällt, ist der Kontrollverlust bei dieser many-to-many-Kommunikation. Wenn Unternehmen sich aber nicht damit beschäftigen, wissen sie nicht einmal, was über sie diskutiert wird. Denn ebenso wie Fakten gehören auch Gerüchte und Spekulationen zum Treiben auf den Finanzmärkten. Sie bieten manchen willkommene Impulse für den Aktienhandel. Unternehmen sollten Twitter daher wenigstens für das sogenannte Monitoring, das Beobachten, passiv nutzen. Durch dieses „Mitlesen“ sammeln Unternehmen wertvolle Erfahrungen mit dem Medium. Sollte plötzlich eine aktive Teilnahme notwendig werden, wäre es zu spät, sich mit den Basics zu beschäftigen, denn Schnelligkeit wird zum Erfolgskriterium.

Im Dialog mit den Kapitalmärkten
Ein Ideal der Investor Relations ist es, dass man gegenüber den Marktteilnehmern nicht nur Informationsanbieter ist, sondern auch -empfänger. IR-Verantwortliche sind im Dialog mit den Kapitalmärkten, wie es der Slogan des DIRK so treffend beschreibt. Daher sollten sie sich mit den Sozialen Medien und ihrer Verwendung als IR-Instrumente zumindest beschäftigen. Entscheiden sich Unternehmen dann, z.B. Twitter aktiv zu nutzen, sollten sie eine klar definierte und nachhaltige Strategie haben, denn hat man den Kanal geöffnet, wäre ein Rückzug schwierig.

IR-Twitter-Grundsätze
IR-Manager werden schnell feststellen, dass die Grundsätze erfolgreicher Investor Relations ausnahmslos auf den Dialog via Twitter übertragbar sind:

Regelmäßigkeit und Kontinuität – Das Vertrauen seiner Follower (Twitter-Nutzer, die Tweets eines anderen Nutzers abonniert haben) gewinnt und pflegt man, indem man regelmäßig Informationen in gleichbleibender Quantität und Qualität liefert.

Wesentlichkeit – Es sollten nur Informationen veröffentlicht werden, die mit dem Unternehmen in Zusammenhang stehen. Privatpersonen können Tweets wie „Es regnet gerade“ absetzen, bei Unternehmen wäre das unangemessen.

Vollständigkeit – Bei aller Dialogorientierung sollte man Twitter auch nutzen, um auf bereits existierende Informationsquellen (Unternehmenswebsite) hinzuweisen. So kann man die Effizienz seines Arbeitsablaufs steigern und umfassende Information gewährleisten, ohne in Konflikte mit etwa dem Wertpapierhandelsgesetz zu kommen.

Zukunftsorientierung – Über die Vergangenheit können sich Anwender Sozialer Medien in verschiedenen Quellen informieren. Nachrichten aus dem Wettbewerbsumfeld oder Hinweise auf Marktdaten können den Nutzern helfen, die Unternehmensperspektiven besser einzuordnen.

Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit – Alle vermittelten Informationen sollten der Wahrheit entsprechen und offen ohne Übertreibung komplett dargestellt werden. Alles andere würde sich in den sozialen Netzwerken doppelt rächen und alle Bemühungen ad absurdum führen.

Gleichbehandlung – Alle Informationsempfänger sollten zeitlich wie inhaltlich gleich behandelt werden, insbesondere, um nicht mit dem Verbot der Ausnutzung und Weitergabe von Insiderinformationen in Konflikt zu geraten (Fair Disclosure). Das gilt selbstverständlich nicht nur für öffentliche Tweets, sondern auch für Direct Messages (E-Mail-Kurznachrichten via Twitter an einen Follower).

Zielgruppenfokussierung – Twitter-Nutzer sind systembedingt an Informationsblöcke von maximal 140 Zeichen gewöhnt. Für lange Botschaften ist kein Raum. Wenn man die Verbreitung durch sogenannte Re-Tweets wünscht, sollte man sich eher auf 120 Zeichen beschränken. Die Follower entscheiden anhand des Teaser-Textes, ob sie einem Link folgen. Daher sollten darin alle Informationsversprechen enthalten sein.

Zeitnähe der Information – Nur aktuelle Informationen sind im Internet interessant. IR-Manager sollten Soziale Medien wie Twitter & Co. in ihre Veröffentlichungsprozeduren mit einbeziehen und etwa nach dem Absetzen der Corporate News, dem Aktivieren der Webseite und dem Starten des E-Mail-Versands die Twitter-Follower versorgen.

Wirtschaftlichkeit – Die Kosten der Nutzung Sozialer Medien sind ähnlich zu den Kosten, die bei der Nutzung von E-Mail entstehen. Die Kosten-/Nutzenabwägung ist im Ergebnis sicher vergleichbar mit der Pflege einer Unternehmenswebsite: Je umfassender die gebotenen Informationen, desto weniger repetitive Telefonate oder E-Mail-Anfragen sind zu bewältigen.

One company, one voice – Innerhalb des Unternehmens sollten eine Strategie und Grundsätze für die Nutzung Sozialer Medien sowie Disclaimer aufgestellt werden, wie es sie beispielsweise für andere Kommunikationsarten (Telefon, E-Mail) bereits gibt. Eine kohärente Gesamtkommunikation muss sichergestellt sein, damit das Unternehmen ein einheitliches Erscheinungsbild über alle Kommunikationskanäle abgibt.

Fazit
Bisher tasten sich nur die Early Adaptors in Deutschland an die Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter heran (siehe Abb. 1). Wirft man aber ein Auge auf die Entwicklung im Kapitalmarkt- und Internet-Vorreiterland USA, erkennt man die Richtung, in die sich dieser IR-Kommunikationskanal sehr schnell ausbreiten kann. IR-Manager sollten sich trotz aller Zeitknappheit mit dem Thema wenigstens (passiv) befassen, bevor sie in einer Situation plötzlich gezwungen sein könnten, den neuen Kanal (aktiv) zu nutzen. Abschließend sei angemerkt, dass soziale Netzwerke natürlich auch eine ideale Plattform für den weltweiten Wissens- und Meinungsaustausch unter IR-Profis darstellen.

Von Patrick Kiss, Head of Investor & Public Relations, Deutsche EuroShop AG

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 12/2009

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