Dr. Achim Biedermann, Vorstand, PR im Turm HV-Service AG

Immer häufiger begehren Aktionäre auf, erzwingen Hauptversammlungen oder setzen eigene Themen auf die Tagesordnung. Wo stecken die Angriffspunkte, und wer kann welche Antragsrechte ausüben? 

Die Macht der Aktionäre

Werner Seifert war der erste, den es traf. Die Aktivitäten des Hedge Funds TCI und seines Chefs Chris Hohn kosteten Seifert seinen Job als Chef der Deutschen Börse. Einer der Gründe für seinen Abgang: Er hatte die Aktivitäten und die Macht seiner Aktionäre unterschätzt.

Wochenlang kam auch Europas größter Fotodienstleister CEWE Color nicht mehr aus den Schlagzeilen. Amerikanische Investoren bliesen zum Angriff, darunter der publicitysüchtige Investor Guy Wyser-Pratt, der mit markigen Sprüchen wie „Wake up and smell the napalm!“ die Stimmung anheizte. Zum Showdown sollte es auf einer außerordentlichen Hauptversammlung kommen, die die Investoren erzwungen hatten. CEWE war sich der Bedrohung allerdings bewusst. Am Ende sattelten die Amerikaner ihre Pferde und zogen geschlagen gen Westen.

Diese beiden Angriffe stehen für einen neuen Abschnitt bei deutschen Gesellschaften und deren Hauptversammlungen: dem Shareholder Activism, dem Aufbegehren der Aktionäre. Dass in einem solchen Fall hitzige Generaldebatten geführt werden und beim geringsten Anlass Anfechtungsklagen drohen, versteht sich von selbst. Die Frage, die sich aber zuvor stellt, ist, welche Rechte Aktionäre überhaupt geltend machen können, damit es zu einer HV kommt, und welche Antragsrechte sie dann auf einer HV haben.

Tendenz: mehr Anträge

Außerordentliche Hauptversammlungen, die Aktionäre nach § 122 AktG erzwingen, gibt es immer häufiger. Gleiches gilt für Ergänzungsanträge, mit denen neue Themen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Aktionäre nutzen damit die Minderheitsrechte, die ihnen der Gesetzgeber einräumt. Da hilft auch ein Ankerinvestor nicht, wie das Beispiel CEWE zeigt.

Im Visier: der Aufsichtsrat

Die überwiegende Zahl der von Aktionären erzwungenen Hauptversammlungen fegt wie ein Sturm über die Gesellschaften, denn zwei Tagesordnungspunkte markieren mittlerweile den Standard: Der Aufsichtsrat soll aus seinem Amt gekippt werden, und danach sollen die eigenen Kandidaten als Oberaufseher die Macht übernehmen. Nicht selten sitzen schon die neuen Vorstände unter den Aktionären. Wenn es erst einmal so weit kommt, dann steht die Zukunft des ganzen Unternehmens in den Sternen.

Das Aktiengesetz schafft für die Aktionäre mit § 122 AktG eine relativ leichte Hürde, eine außerordentliche Hauptversammlung einzufordern. 5% am Grundkapital reichen, und die muss nicht mal einer alleine bringen, sondern es können sich auch mehrere Aktionäre zusammentun, die gemeinsam diese Hürde nehmen und die HV verlangen. Auch das zusätzliche Erfordernis, dass diese Aktien bereits seit drei Monaten vor dem Einberufungsverlangen gehalten werden müssen, ist in der Praxis kein Hindernis.

Dem Vorstand sind in der Regel bei einem Verlangen nach § 122 Abs. 1 AktG die Hände gebunden. Sind alle Voraussetzungen gegeben, insbesondere die Eilbedürftigkeit, muss er die HV einberufen.

Gerichtlicher Beistand

Dem Verlangen nicht zu entsprechen, birgt auch ein erhöhtes Risiko. Denn die Aktionäre können bei einem negativen Votum des Vorstands nach § 122 Abs. 3 AktG einen entsprechenden Antrag auf eine außerordentliche HV bei Gericht stellen. In diesem Fall sieht das Gesetz vor, dass die Antragsteller auch einen Versammlungsleiter vorschlagen können, der vom Gericht bestellt wird. Ob das auch bei einer HV möglich ist, die auf Verlangen der Aktionäre durch den Vorstand einberufen wurde, ist streitig.

Kritischer Kontrollverlust

Ein fremder Versammlungsleiter bedeutet den Verlust jeglicher Kontrolle über den HV-Verlauf. Auch wenn sich der fremde Versammlungsleiter an Satzung und Gesetz halten muss, hat er einen weitreichenden Gestaltungsspielraum, was Zulässigkeiten von Anträgen, Reihenfolgen von Abstimmungen oder Kandidatenreihenfolgen anbelangt. Er entscheidet auch im Rahmen der Gesetze, welche Stimmen zugelassen werden, sollten sich mögliche Verstöße gegen WpHG-Meldungen oder ein Acting in Concert zeigen. Der vom Gericht bestellte Versammlungsleiter ist zudem nicht durch die HV abwählbar.

Kritisches auf der Tagesordnung

Auch Ergänzungsanträge tauchen mittlerweile in einer Häufigkeit auf, wie das vor Jahren noch nicht der Fall war. Siemens hat das HV-Jahr 2012 gleich mit einem solchen Ergänzungsantrag eröffnet, in dem eine Frauenquote für die Organe gefordert wurde, die in der Satzung verankert werden sollte.

Anträge dieser Art sind eher der Kategorie „harmlos“ zuzuordnen. Viel ernster wird es, wenn mit solchen Ergänzungsanträgen Sonderprüfungen auf die Tagesordnung kommen, die Bestellung eines besonderen Vertreters oder wenn sie Schadensersatzansprüche zum Gegenstand haben.

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