Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, Zirngibl Langwieser
Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, ZIRNGIBL

Die Beschallung des Präsenzbereichs zählte bisher zum technischen Mindeststandard jeder Hauptversammlung. Der Aktionär sollte dadurch in die Lage versetzt werden, dem Geschehen im Versammlungssaal auch dann zu folgen, wenn er sich in Vor- und Nebenräumen des Versammlungssaals oder den Sanitärräumen aufhielt. Diese teilweise mit beträchtlichem Aufwand bereitgestellte technische Ausstattung entsprach nicht nur einem allgemeinen Standard, sondern auch den Empfehlungen aller Rechtsberater. Hintergrund dieser Empfehlung war unter anderem eine Entscheidung des Landgerichts München I aus dem Jahr 2010. Dort hatte das Gericht entschieden, dem Teilnahmerecht des Aktionärs sei nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn er dem Hauptversammlungsgeschehen im gesamten Präsenzbereich und damit auch außerhalb des eigentlichen Versammlungssaals folgen könne. Der Bundesgerichtshof hat dem nun widersprochen.

Der Anlass: Mangelhafte Beschallung im Catering-Bereich

In dem Verfahren, welches der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, rügten die Kläger eine mangelhafte Beschallung im Catering-Bereich. Die Gesellschaft hatte dort diverse Bildschirme und Lautsprecher aufstellen lassen. Dem Geschehen im Versammlungssaal konnte man akustisch aber offenbar nur dann folgen, wenn man sich in sehr geringer Entfernung zu den Lautsprechern aufhielt. Der Bundesgerichtshof hielt dies ebenso wie das OLG Frankfurt a.M. als Vorinstanz für unschädlich. Es sei dem Aktionär zuzumuten selbst zu erkennen, ob er außerhalb des Versammlungssaals noch den Geschehnissen im Versammlungssaal folgen kann oder gegebenenfalls in diesen zurückkehren muss. Eine Beschallung des gesamten Präsenzbereichs sei aktienrechtlich nicht gefordert.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt in erfreulicher Deutlichkeit klar, dass eine eingeschränkte oder auch gar nicht vorhandene Beschallung von Vor- und Nebenräumen des Versammlungssaals keinen Anfechtungsgrund liefern kann. Über den konkret entschiedenen Fall hinaus wirft die Entscheidung die Frage auf, wie weit die Aufklärungspflichten des Versammlungsleiters in Bezug auf solche Rechte und Mitwirkungshandlungen gehen, die typischerweise nur im Versammlungssaal selbst ausgeübt werden können. Beispielhaft sei hier etwa die Stimmabgabe genannt. Konsequenterweise müsste man auch hier an die Selbstverantwortung des Aktionärs appellieren und verlangen können, dass der Aktionär selbst erkennt, dass er für die Stimmabgabe den Versammlungssaal aufsuchen muss.

Fazit

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bringt Klarheit und entzieht Rügen von Anfechtungsklägern den Boden, die sich auf eine mangelhafte Beschallung oder akustische Störungen außerhalb des Versammlungssaals beziehen. Wie weit die Selbstverantwortung der Aktionäre tatsächlich reicht, ist damit allerdings noch nicht abschließend ausgelotet.

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