Dr. Thomas Stohlmeier (links) und Dr. Christian Vogel

 

Von Dr. Thomas Stohlmeier, Partner, und Dr. Christian Vogel, Counsel, Clifford Chance, Düsseldorf

Manche HV-Teilnehmer wollen den Dialog mit der Verwaltung auf eine andere Ebene heben. So kommt es neuerdings zu politisch motivierten Aktionen, etwa dem Verteilen von Flugblättern, Trillerpfeifenkonzerten und Sprechchören. Doch auch „Berufsopponenten“, welche die HV für eine ausgiebige Abrechnung mit der Verwaltung nutzen oder direkt aus dem Saal heraus stören, sind noch nicht ausgestorben. Um dem Bedürfnis aller nach Information und Austausch gerecht zu werden und den geordneten und rechtssicheren Verlauf der Versammlung sicherzustellen, ist eine umsichtige Vorbereitung der HV und Schulung des Versammlungsleiters sowie des gesamten HV-Teams erforderlich.

Ordnungsrecht in der Hauptversammlung

Das Ordnungsrecht in der Hauptversammlung übt der Versammlungsleiter aus. Er kann sicherheitshalber die HV über die Anordnung von Ordnungsmaßnahmen beschließen lassen, was aber weder spontan hilft noch im Zweifel sonderlich souverän wirkt. Grundlagen und Schranken der dem Versammlungsleiter zustehenden Ordnungsgewalt unterscheiden sich nach dem Adressaten: teilnahmeberechtigte Aktionäre einerseits und sonstige Teilnehmer (insbesondere Gäste) andererseits.

Maßnahmen gegenüber Aktionären beschränken deren Teilnahmerecht. Dabei ist allgemein anerkannt, dass der Versammlungsleiter dieses beschränken darf. Bei der Anordnung von konkreten Ordnungsmaßnahmen gegenüber Aktionären muss der Versammlungsleiter freilich gewisse Schranken beachten: Erstens muss sich der Versammlungsleiter inhaltlich neutral verhalten: Er darf den Inhalt der Abstimmung nicht durch unverhältnismäßige Maßnahmen beeinflussen. Zweitens muss der Versammlungsleiter alle Aktionäre grundsätzlich gleich behandeln. Und drittens müssen alle Ordnungsmaßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen: Die konkrete Ordnungsmaßnahme muss geeignet sein, die Störung zu beseitigen, der resultierende Eingriff in das Teilnahmerecht der Aktionäre muss im Verhältnis zur Störung erforderlich und angemessen sein.

Bei Ordnungsmaßnahmen gegenüber sonstigen Teilnehmern (hierzu zählen auch Gäste und Pressevertreter) kann sich der Versammlungsleiter nicht auf eine eigene Befugnis stützen; er handelt vielmehr als Vertreter der HV und damit zugleich der Gesellschaft. Er übt insbesondere deren Hausrecht aus. Maßnahmen gegenüber sonstigen Teilnehmern greifen – anders als bei Aktionären – nicht in mitgliedschaftliche Teilnahmerechte ein. Daher ist weder eine gesellschaftsrechtliche Grundlage erforderlich, noch sind die oben genannten strengen Schranken hinsichtlich Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Schließlich kann der Versammlungsleiter sowohl gegenüber Aktionären als auch gegenüber sonstigen Teilnehmern die angeordneten Ordnungsmaßnahmen zwangsweise durchsetzen (lassen). Bei der Wahl des Zwangsmittels muss er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, soweit sich das Zwangsmittel gegen einen Aktionär richtet.

Demonstrationen

Demonstrationen sind grundsätzlich hinzunehmen, ebenso Meinungsäußerungen, die den rechtlich zulässigen Rahmen nicht verlassen. Wenn jedoch durch eine Demonstration Aktionäre am Zugang zur HV gehindert werden, kann die AG polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen, ggf. darf und muss der Versammlungsleiter die Eröffnung der HV unter Hinweis auf die Demonstration verschieben. Dabei darf allerdings der zeitliche Gesamtrahmen der HV nicht übermäßig eingeengt werden (zum Ganzen siehe auch Höret, HV Magazin 4/2011, S. 22 f.).

Sicherheitskontrollen beim Einlass

Übermäßige Sicherheitskontrollen beim Einlass können nach OLG Frankfurt (AG 2007, 357) eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Es empfiehlt sich daher, von Sicherheitskontrollen zurückhaltend Gebrauch zu machen. Zulässig ist jedenfalls das Durchleuchten von Taschen und ggf. im Anschluss deren Durchsuchung.

Sicherheitsmaßnahmen im Saal

Zur Abwehr potenzieller Störungen im Saal werden üblicherweise private Sicherheitsdienste beauftragt, bis hin zu Personenschutz für besonders exponierte Mitglieder der Verwaltung. Eine professionelle Einweisung aller Sicherheitskräfte, ggf. auch im Rahmen einer Generalprobe, ist wichtig, um unabgestimmte oder unverhältnismäßige Maßnahmen zu vermeiden.

Missbrauch des Rede- und Fragerechts

Eine Störung kann auch dadurch eintreten, dass ein Aktionär sein Rede- und Fragerecht missbraucht. Dazu gehören übermäßig lange Redebeiträge (Filibustern), zahllose Fragen und verbale Angriffe auf Mitglieder der Verwaltung; Derartiges ist vom Versammlungsleiter konsequent zu unterbinden.

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