Abstimmung sicherheitshalber
Dass in der Praxis gleichwohl häufig abgestimmt wird, hat folgende Hintergründe: Zum einen neigt der vorsichtige Rechtsberater grundsätzlich zum sichersten Weg – und dies ist die Durchführung der Abstimmung, insbesondere, wenn sich die Beschlussmehrheiten antizipieren lassen, zum anderen kann sich der Versammlungsleiter nach einem abgelehnten Abwahlantrag zusätzlich zur satzungsmäßigen Legitimation auf diejenige der Hauptversammlung beziehen.

Sofern sich die Abstimmung über den Abwahlantrag verlässlich prognostizieren lässt (ein Stimmverbot ist hier im Übrigen nicht ersichtlich, sogar der Versammlungsleiter kann ggf. an dieser Abstimmung teilnehmen) mag sicherheitshalber über den Antrag abgestimmt werden. Hierbei bietet sich eine kurze Geschäftsordnungsdebatte an; diese dient der Verhinderung des Vortrags weiterer angeblicher Abwahlgründe nach dem Abstimmungsvorgang mit dem Ziel der Herbeiführung einer weiteren Abstimmung. Allgemein gehaltene Wortmeldungen sollten sicherheitshalber auch in einer späteren Generaldebatte zu den Tagesordnungspunkten aufgerufen werden, um dem Vorwurf, das Wort sei insofern nicht erteilt worden, vorzubeugen. Die Leitung all dieser Vorgänge obliegt weiterhin dem Versammlungsleiter; eine Verhinderung aufgrund angeblicher Befangenheit ist hier ebenfalls nicht ersichtlich.

Bei der Prognose der Abstimmung sollten die Vollmachten und Weisungen an Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft einbezogen werden – mangels ausdrücklicher Weisungen zu im Vorfeld der Hauptversammlung nicht bekannten Anträgen können sich diese im Normalfall zu dem Abwahlantrag normalerweise nur enthalten. Große Stimmvolumina bei den Stimmrechtsvertretern der Gesellschaft können sich hier also negativ auswirken.

Zur Abstimmung selbst stellt sich weiter die Frage nach den erforderlichen Beschlussmehrheiten: Hier wird insbesondere vertreten, dass eine ¾- Kapitalmehrheit erforderlich sei, da es sich ja um eine Satzungsdurchbrechung handele. Allerdings dürfte es sich hierbei wohl eher um eine rein akademische Frage handeln, da ein Versammlungsleiter, der nicht einmal mehr das Vertrauen einer einfachen Stimmenmehrheit der Hauptversammlung genießt, einen überaus schweren Stand bei der Leitung der weiteren Verhandlungen haben dürfte. Hier könnte sich ein freiwilliger Rückzug aus der Funktion der Versammlungsleitung anbieten. Anzumerken bleibt noch, dass im Falle der erfolgreichen Abwahl der satzungsmäßig vorgesehene Ersatzversammlungsleiter zum Zuge kommt. Zur Vermeidung von Überraschungen empfiehlt sich hier ein frühzeitiges Studieren der aktuellen Satzungsregelungen.

Ablehnung der Abstimmung
Es spricht somit einiges dafür, eine Abstimmung über den Abwahlantrag zu vermeiden. Lässt sich also das Abstimmungsergebnis nicht vorhersehen bzw. sieht man keinerlei Veranlassung, dem querulatorischen Treiben auch nur einen Punktsieg zu schenken, so kann – vorbehaltlich o.g. Ausführungen – von einer Abstimmung abgesehen werden. Die Formulierung könnte etwa wie folgt lauten:

Herr Kleinschmidt, Sie haben die Abwahl des Versammlungsleiters beantragt. Nach der Rechtsprechung ist hierzu der substantiierte Vortrag eines wichtigen Grundes erforderlich. Dies haben Sie nicht getan, insbesondere ist in der ins Blaue hinein vorgebrachten angeblichen Unfähigkeit meiner Person kein solcher wichtiger Grund zu sehen. Ich werde daher Ihren Antrag nicht zur Abstimmung stellen. Wir setzen die Versammlung fort.“

Auch wiederholten Anträgen lässt sich so recht souverän begegnen.

Fazit
Die Angst vor dem Abwahlantrag ist unbegründet. Meist wird schon kein wichtiger Grund substantiiert vorgetragen, sodass man von einer Abstimmung guten Gewissens absehen kann. Sonst kann mit einer sicherheitshalber durchgeführten Abstimmung in den allermeisten Fällen Rechts- und Verfahrenssicherheit hergestellt werden. Das Horrorszenario Abwahlantrag taugt somit allenfalls noch für Kleinaktionärs Mottenkiste oder Schmierenkabinett.

Autoren:

Matthias Höreth, Manager AGM Legal, Computershare; matthias.hoereth@computershare.de

Ingo Wolfarth, Key Account Manager, Computershare Issuer Services Deutschland; ingo.wolfarth@computershare.de

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