Mit Urteil vom 12. März 2013 hatte das LG Frankfurt/Main (Az.: 3-05 O 114/12, NZG 2013, 748, HV-Magazin 3/2013, S. 36 f.) entschieden, dass der Einberufende (Vorstand bzw. Komplementär bei einer KGaA) eine auf Verlangen einer Aktionärsminderheit nach § 122 Abs. 1 AktG einberufene HV nur absagen könne, wenn der Aktionär als der mittelbar Einberufende seinen Antrag zurücknimmt oder die Versammlung aufgrund äußerer Einflüsse – z.B. Unmöglichkeit der Nutzung des vorgesehenen Versammlungslokals – nicht mehr oder nicht sachgerecht durchgeführt werden kann. Im Fachschrifttum ist diese Entscheidung weitgehend zustimmend aufgenommen worden (a.A. allerdings Bayer/Scholz/Weiß, ZIP 2014, S. 1 ff.).

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall war die HV einer KGaA durch die Komplementärin (eine GmbH) auf Verlangen einer Minderheitsaktionärin auf den 10. September 2012, 11.00 Uhr einberufen. Tagesordnungspunkte waren u.a. der Entzug des Vertrauens und der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Komplementärin. Zum in der Einladung genannten Zeitpunkt erschienen in dem in der Einladung genannten Versammlungslokal Kommanditaktionäre, die eine HV-Präsenz von ca. 73% darstellten. Die Einlasskontrolle und Ausgabe der Stimmkarten wurde von einem professionellen HV-Dienstleister vorgenommen. Die Minderheitsaktionärin, auf deren Verlangen die Einberufung zurückging, hielt und vertrat mehr als 50% der Hauptversammlungsstimmen. Die zur Durchführung der HV notwendige Ton- und Videoübertragungstechnik war aufgebaut, ebenso ein Verpflegungsbuffet für die Aktionäre. In einem Backoffice befanden sich der Notar sowie weitere von der Gesellschaft bzw. der Komplementärin hierzu beauftragte Personen.

Um 11.10 Uhr – nach Durchführung der Einlasskontrolle und Stimmenerfassung – erschien einer von drei Geschäftsführern der Komplementärin auf dem Podium und teilte mit, dass die HV aufgrund eines Beschlusses der Geschäftsführer der Komplementärin abgesagt sei.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main

Das OLG teilt die Auffassung des LG nicht, sondern geht davon aus, dass die HV wirksam abgesagt wurde. Wenn ein zur Versammlungsleitung bereites Aufsichtsratsmitglied nicht anwesend ist, dürfe nicht ein beliebiger Aktionär oder Aktionärsvertreter die Versammlung eröffnen und eine Wahl des Versammlungsleiters leiten. Statt eröffnet zu werden, sei die Versammlung vorliegend wirksam abgesagt worden. Nach allgemeiner Meinung könne die HV (nur) von demjenigen abgesagt werden, der zu ihr eingeladen habe. Dies spreche dafür, dass grundsätzlich die Komplementärin als Einladende befugt gewesen sei, die HV – ggf. auch kurzfristig – aus organisatorischen Gründen abzusagen. Soweit sich das LG für seine gegensätzliche Auffassung auf die Literaturauffassung beziehe, wonach im Fall der Rücknahme des Einberufungsverlangens durch die Minderheit der Vorstand zur Absage berechtigt sei, so ginge es dort eben nur um den hier nicht vorliegenden Fall der Antragsrücknahme. Die Einberufung könne bis zur förmlichen Eröffnung der HV jederzeit zurückgenommen werden, ebenso wie eine Verschiebung der Uhrzeit des Beginns um 15 oder 30 Minuten zulässig sei.

Die vom LG vorgenommene Konstruktion eines „mittelbar Einberufenden“ finde keine Stütze im Gesetz und widerspreche der klaren Systematik des § 122 AktG, der zwischen der Einberufung durch den Vorstand auf Verlangen und der gerichtlichen Ermächtigung der Minderheit differenziere. Selbst wenn die Nicht-Eröffnung bzw. Absage der HV pflichtwidrig war, schlage dies aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auf die Wirksamkeit der Absage durch. Da die Rücknahme einer Einladung keiner Form bedürfe, vielmehr den Aktionären in der effektivsten Form mitzuteilen sei, bestünden auch gegen die mündliche Übermittlung der Absage keine Bedenken.