Die Tätigkeit des Aufsichtsrats erscheint vielen Aktionären als nicht hinreichend transparent. Schnell entsteht der Eindruck, als könnten die Vertreter bestimmter Aktionäre im Hinterzimmer die Fäden ziehen und zulasten der Minderheit ihre Interessen durchsetzen. Anlass genug für viele Aktionäre und Aktionärsvertreter, die Hauptversammlung und die dort gegebenen Rechte zu nutzen und die Arbeit des Aufsichtsrates stärker zu hinterfragen.

Vor einigen Jahren konzentrierte sich das Interesse der Aktionäre verstärkt auf den Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2 AktG). Dieser war in vielen Fällen zu einer Ansammlung standardisierter Floskeln verkommen und dementsprechend wenig aussagekräftig. Mit Unterstützung der Gerichte kam es dann sehr schnell zu einer deutlichen Verschärfung der inhaltlichen Anforderungen. Heute kann als geklärt gelten, dass der Aufsichtsrat die Ausübung der Kontrolle über den Vorstand nicht einfach pauschal bestätigen, sondern zumindest thematisch und nach Schwerpunkten benennen muss. In Sondersituationen sind die Anforderungen an die Berichterstattung noch höher, so dass der Aufsichtsrat unter Umständen gefordert sein kann, Details seines Krisenmanagements in seinen Bericht aufzunehmen.

Aktuell stellt sich vermehrt die Frage, ob Aktionäre zusätzliche, d.h. über die Inhalte der Berichterstattung nach § 171 Abs. 2 AktG hinausgehende Auskünfte zu den Einzelheiten der Aufsichtsratsarbeit beanspruchen können. Die Frage war unter anderem Gegenstand der hier zu besprechenden Entscheidung.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart

Die Antragstellerin war Aktionärin und hatte im Jahr 2010 auf der Hauptversammlung der Porsche SE Auskünfte verlangt, die ihr verwehrt wurden. Die in der Hauptversammlung gestellten Fragen bezogen sich unter anderem auf die Hintergründe eines Aufsichtsratsbeschlusses, insbesondere den Anlass der Beschlussfassung, den Urheber des Beschlussvorschlags sowie die Mitwirkung des Vorstands.

Das OLG Stuttgart hat einen Auskunftsanspruch der Aktionäre im Ergebnis verneint und dabei zugleich die Grundsätze zusammengefasst, die bei Fragen von Aktionären zur Tätigkeit des Aufsichtsrates anzuwenden sind:

  • Zu Auffassungen, Überlegungen und/oder Motiven einzelner Aufsichtsratsmitglieder wird keine Auskunft geschuldet. Es soll sich insoweit noch nicht einmal um Angelegenheiten der Gesellschaft handeln, so dass es schon an einer Grundvoraussetzung der Auskunftspflicht fehlt.
  • Soweit die Beschlussfassung und/oder Beratung im Aufsichtsrat betroffen ist, kann sich die Gesellschaft in weitem Umfang auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 (Nachteilszufügung) berufen.

Vertraulichkeit und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates

Die Vertraulichkeit von Aufsichtsratssitzungen ist nach Auffassung des OLG Stuttgart ein besonders hohes Gut. Jede Verletzung könne ein nicht unerheblicher Nachteil sein, wobei es entscheidend darauf ankomme, ob und inwieweit die Auskunftserteilung die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die offene Diskussion im Aufsichtsrat bedroht. In der Regel würde sich die gesamte Beschlussfassung und Beratung der Auskunftspflicht entziehen, insbesondere aber die Stimmabgabe, das Abstimmungsergebnis und die Meinungsäußerungen der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder.

Beschlussfassungen

Offen ließ das OLG Stuttgart die Frage, ob Aktionäre zumindest dann Auskunft über die Existenz von Beschlüssen des Aufsichtsrats verlangen können, wenn bei Anwendung der Grundsätze über den Inhalt des Berichts des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung eine Offenlegung erforderlich gewesen wäre, der Bericht die betreffenden Angaben aber verschweigt. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es im konkreten Fall schon an einer Verpflichtung, die konkrete Beschlussfassung in den Bericht an die Hauptversammlung aufzunehmen. In der Regel erstrecke sich die Berichtspflicht des Aufsichtsrats ohnehin nicht auf die Frage, ob zu bestimmten Themen Beschlüsse gefasst wurden.

Fazit

Das OLG Stuttgart betont den Wert der Vertraulichkeit als Grundelement einer guten und effizienten Aufsichtsratsarbeit. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig. Es wäre daher wünschenswert, wenn der Bundesgerichtshof die Linie des OLG Stuttgart nicht nur bestätigen, sondern der Entscheidung in der Frage des Schutzes der Vertraulichkeit der Aufsichtsratsarbeit noch zusätzlichen Nachdruck verleihen würde.

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