Neben der Ausgabe von Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages (hierzu und zum Sachverhalt vgl. Teil 1, HV Magazin 1/2012, S. 30) setzt der Schadensersatzanspruch gem. § 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG ein eigenes Verschulden des in Anspruch genommenen Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieds voraus. Im vorliegenden Fall beriefen sich die beiden in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder darauf, dass das ebenfalls in Anspruch genommene Aufsichtsratsmitglied Rechtsanwalt sei und das umstrittene Transaktionsmodell selbst vorgeschlagen habe. Weiterhin habe seine Kanzlei in einer mündlichen Auskunft die rechtlichen Voraussetzungen der Sacheinlage für gegeben gehalten und das Konzept vertraglich umgesetzt.

Entscheidung des BGH

Ausgehend davon, dass die Entschuldigung eines Rechtsirrtums die Überprüfung der Rechtslage voraussetzt, stellt der BGH zunächst fest, dass in einer Vertragsgestaltung nicht zugleich die gutachtliche Prüfung einer Rechtsfrage liege. Auch eine mündliche Beratung genüge grundsätzlich nicht, sondern komme allenfalls in einfach gelagerten oder besonders eilbedürftigen Fällen in Betracht.

Erforderlich sei vielmehr, dass ein Organmitglied, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, unter umfassender Darstellung des Sachverhalts und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen Rechtsrat bei einem unabhängigen und für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger einhole. Die erteilte Rechtsauskunft sei zudem durch das Organmitglied einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Diese Plausibilitätskontrolle könne durch das Vertrauen in die Fachkompetenz der beauftragten Kanzlei nicht ersetzt werden. Soweit ein Organmitglied selbst Rechtsanwalt ist, kann es sich bei einer eindeutigen Rechtslage grundsätzlich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Ein Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse verfüge, unterliege, soweit sein Spezialgebiet betroffen ist, insoweit einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab.

Konsequenzen für die Praxis

Nach der Entscheidung des BGH ist klar, dass Organmitglieder der Aktiengesellschaft zu allen für ihre Tätigkeit kritischen Rechtsfragen vorsorglich schriftliche Gutachten einholen sollten. Auf die „Escape-Klausel“ des „einfach gelagerten Falles“ oder der „Eilbedürftigkeit“ sollte man sich nicht zurückziehen. Dass die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen ist, führt nicht nur dazu, dass mündliche Auskünfte in der Regel nicht ausreichen. Vielmehr ergibt sich hieraus die weitere Anforderung an die schriftliche Stellungnahme, dass diese auch für nicht fachjuristisch tätige Organmitglieder nachvollziehbar sein muss.

Problematisch ist, inwieweit externer Rechtsrat eingeholt werden muss oder ob die Beratung durch die eigene Rechtsabteilung ausreichend ist. Die vom BGH aufgestellte Voraussetzung der fachlichen Qualifikation für die zu klärende Frage werden (auch) die Mitarbeiter der Rechtsabteilung häufig erfüllen. Der BGH verlangt aber darüber hinaus eine „unabhängige“ Beratung; diese wird man für Angestellte der Gesellschaft im Verhältnis zu Organmitgliedern wohl nicht annehmen können.

 

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