1. Verantwortung übernehmen

Unternehmer tragen Verantwortung für die Zukunft ihres Unternehmens – vor allem auch in schlechten Zeiten. Gesellschaften mit dünner Kapitaldecke haben es jedoch schwer, an zusätzliches Fremdkapital zu gelangen. Eine Erhöhung der Eigenkapitalquote, z.B. über einen Börsengang, ist die Grundvoraussetzung für eine ausreichende Kreditwürdigkeit. Wenn dies zur Folge hat, Anteile auch günstiger abzugeben als in besseren Marktphasen, dann muss das kein Nachteil sein. Denn: Ein IPO kann die Finanzierungsfähigkeit der Gesellschaft nachhaltig und dauerhaft verbessern und die Zukunft des Unternehmens langfristig sichern.

2. Antizyklisch investieren

Viele deutsche Unternehmen verfügen über ausgesprochen zukunftsfähige Technologien und weltmarktfähige Innovationen. Dies gilt im Besonderen für Geschäftsmodelle aus dem Bereich Cleantech. Die Märkte liegen jedoch am Boden. In der Geschichte finden sich zahlreiche Belege dafür, dass es überdurchschnittlich profitabel sein kann, gerade in Krisenzeiten den Mut gehabt zu haben zu investieren. Wenn sich dann die Konjunktur wieder belebt, ist oft derjenige vorne, der Geld investiert hat, während andere nur Kosten gespart und Personal abgebaut haben.

3. Der Wurm schmeckt dem Angler nicht? Aber dem Fisch!

Historisch betrachtet war es für Investoren meistens besser, das Erstinvestment in Baissezeiten zu tätigen. Die Aktienkurse der Unternehmen, die IPOs in den Jahren 2004 bis 2007 durchgeführt haben, sind inzwischen zum größten Teil im Minus. Heute können Investoren günstig einsteigen und erhalten damit die Chance auf Kurssteigerungen. Eine positive Kursperformance nach dem IPO führte erfahrungsgemäß auch im weiteren Verlauf der Börsennotierung zu einer höheren Beachtung in den Medien, da diese Aktien häufiger als Top-Performer in den entsprechenden Hitlisten geführt wurden. Dies lockt neue Anleger an.

4. Jeder Marathon beginnt mit einem ersten Schritt

Klar ist: Die Bewertung von börsennotiertem Eigenkapital ist momentan vergleichsweise gering. Das heißt, bei reiner Preisbetrachtung ist eine an der Börse platzierte Kapitalerhöhung momentan für Verkäufer wenig attraktiv. Aber: Ein IPO ist nur das erste öffentliche Angebot, dem in den nächsten Jahren gerne noch weitere Kapitalmaßnahmen in Form von Secondaries folgen dürfen. Wenn der Unternehmer von seiner optimistischen Zukunftsplanung überzeugt ist, kann er entspannt warten, bis die Börse wieder anzieht: Eine Kapitalerhöhung – und womöglich gar eine Umplatzierung – zu höheren Bewertungsniveaus ist ihm dann so gut wie sicher. Sollte die Krise sich verstärken und die Kurse weiter fallen, hat das Unternehmen vielleicht durch ein IPO noch gerade rechtzeitig die überlebenswichtige Finanzierung eingefahren.

5. Frei agieren mit eigenen Aktien

Ist mein Unternehmen erst einmal an der Börse notiert, kann meine Aktie als „eigene Währung“ für Übernahmen genutzt werden. Dies wird sicherlich in der aktuellen Situation interessant werden, da man sich die Frage stellen muss: Wer finanziert mir noch meine Akquisitionspläne? Als börsennotierter Unternehmer kann ich aufgrund dieser Flexibilität wesentlich freier entscheiden.

6. Aufmerksamkeit garantiert

Wenn viele Unternehmen im selben Zeitraum an die Börse gehen, ist es für kleinere Werte schwieriger, von Journalisten und Investoren wahrgenommen zu werden. In einer Zeit, in der keine anderen Unternehmen um diese IPO-spezifische Aufmerksamkeit buhlen, berichtet erfahrungsgemäß eine Vielzahl von Medien ausführlicher und häufig sogar mehrfach über das Vorhaben. Dies kann bei entsprechend positivem Tenor die Bekanntheit des Unternehmens am Kapitalmarkt fördern. Das wiederum zieht neue Mitarbeiter an – denn wer kann schon in Krisenzeiten behaupten: „Wir suchen neue Mitarbeiter!“?

7. Respekt

Positive Attribute wie „mutiger Schritt“, „Vorreiter“, „Eisbrecher“ oder „erstes IPO nach x Monaten“ werden das Unternehmen aktuell in der IPO-Berichterstattung begleiten. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg ist jedoch allein eine exzellente Vorbereitung, um den kritischen Fragen der Medienvertreter dann auch Stand zu halten.

8. Kein Verdacht auf „Kasse machen“

In den vergangenen Jahren wurde häufiger der Vorwurf laut, ein IPO sei nur ein lukrativer Exit-Kanal für Private Equity-Fonds oder andere Altgesellschafter. Bei den aktuellen Bewertungsniveaus gerät vermutlich niemand in diesen Verdacht. Im Gegenteil: Mit dem Börsengang wird der Weg für einen späteren Exit eröffnet. Bleiben alle Anteilseigner während des Börsengangs engagiert, schafft dies Vertrauen bei Investoren.

9. Profianleger haben jetzt Zeit

Institutionelle Investoren sahen sich noch bis vor kurzem teilweise mit drei oder vier Vorstandsteams pro Tag konfrontiert, die ihnen im Rahmen der Roadshow ihre Aktie schmackhaft machen wollten. Kleinere Unternehmen oder solche aus „unmodischen“ Branchen hatten es zum Teil schwer, eine kritische Anzahl von persönlichen Gesprächen zu führen. Nun haben institutionelle Investoren tendenziell wieder mehr Zeit, sich mit dem Management ausführlich zu unterhalten.

10. Vertrauen bei Stakeholdern schaffen

Wer in der Krise den Schritt an den öffentlichen Kapitalmarkt wagt, sich gegenüber allen Stakeholdern öffnet und Transparenz zeigt, erarbeitet sich einen Vertrauensvorschuss, den andere Unternehmen teilweise erst nach Jahren, manche nie, aufholen können.

Fazit

Es gibt handfeste Gründe, die gegen ein IPO in der aktuellen Marktlage sprechen. Allen voran eine zu geringe Erstbewertung. Allerdings finden sich auch gute Argumente, diesen vermeintlich unmöglichen Schritt zu wagen. Eine zunächst kleinere Emission in ein Transparenzlevel unterhalb des Prime Standards könnte eine sinnvolle Strategie sein. Der General Standard ist insbesondere dann geeignet, wenn das Hauptgeschäft in Deutschland stattfindet und primär deutsche Investoren gesucht werden. Der Entry Standard bietet die passende Einstiegsplattform, um einen ersten Free Float aufzubauen und Erfahrungen an der Börse zu sammeln sowie das Reporting behutsam auf IFRS umzustellen. Mit weiteren Kapitalerhöhungen – dann ggf. auch zu besserer Bewertung – kann später ein Wechsel in den Prime Standard verknüpft werden. In der Krise gilt jedoch mehr denn je: Ein professionelles Projektteam und eine exzellente Vorbereitung sind entscheidend dafür, ob ein Börsengang gelingt und langfristig zum Erfolg führt.

Von Henryk Deter und Michael Diegelmann, Vorstände, cometis AG

Dieser Artikel erschien ursprünglich im GoingPublic Magazin 5/2009, Special Entry & General Standard.

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