Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden
Nach der Begrüßung durch Seibt erhielt zunächst Vorstand Müser das Wort. Er ging kurz auf seine Pläne zur Verwendung der TPK-Millionen und zur künftigen Ausrichtung des Balda-Geschäfts, insbesondere der Medizintechnik-Sparte, ein. Für die erste kleine Überraschung sorgte im Anschluss Naschke, der mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurücktrat. Seibt beschloss, dennoch über TOP 1, der die Abwahl Naschkes zum Inhalt hatte, abstimmen zu lassen, da die Satzung Baldas nicht eindeutig klärt, wann der Rücktritt wirksam wird.

Die insgesamt vier zur Wahl stehenden Kandidaten stellten sich vor. Zu van Aubels „Team“ gehörten noch die Rechtsanwältin und Steuerberaterin Frauke Vogler sowie der Manager Oliver Oechsle. Dass Vogler genauso wie van Aubel einst im Aufsichtsrat des inzwischen insolventen Solarzellenherstellers Q-Cells saß, wirkte bei den über 200 anwesenden Aktionären nicht gerade vertrauenserweckend. Überzeugender war da schon der Auftritt von Klaus Rueth, dem Kandidaten der beiden Hedgefonds.

Einigkeit in der Generaldebatte
Es folgte die Generaldebatte, bei der auffiel, dass alle Redner – seien es bekannte kritische Aktionäre oder Vertreter der Aktionärsvereinigungen – am gleichen Strang zogen: Sie schlugen sich auf die Seite der Gesellschaft. Ihre Fragen waren zum Großteil an van Aubel gerichtet, der diese jedoch nicht beantwortete, weil er nicht wollte und eben auch nicht musste (siehe oben). Gleichzeitig wartete man gespannt auf die Bekanntgabe der Kapitalpräsenz. Die Ermittlung dauerte vergleichsweise lange, bis dann schließlich am späten Vormittag das Ergebnis von 60,25% bekanntgegeben wurde.

Das bedeutete, dass van Aubel die Mehrheit bei den Abstimmungen fast sicher war – aber eben nur fast. Sein taktischer Zug, die HV nach Berlin – fernab vom Firmensitz im ostwestfälischen Bad Oeynhausen und von vielen in dieser Region beheimateten Altaktionären – einzuberufen, war somit schon einmal aufgegangen. Allerdings führte das auch dazu, dass der von der Gesellschaft beauftragte Stimmrechtsvertreter rund 2.600 Stimmzettel gesammelt hatte – mehr als sonst in einer gesamten Saison.

Die Generaldebatte zog sich auch deshalb etwas hin, weil die HV von vornherein auf zwei Tage angesetzt war, so dass der Versammlungsleiter noch keine Möglichkeit hatte, die Redezeit zu begrenzen. Zudem wurde die HV einige Male unterbrochen: Zunächst überprüfte Seibt gemeinsam mit der Notarin auf die Beschwerde eines Aktionärs hin, ob die HV auch in das öffentlich zugängliche Foyer des Maritim-Hotels hörbar übertragen wurde –negativ. Darüber hinaus waren in Ermangelung eines Backoffice einige Unterbrechungen notwendig, damit sich der Vorstand auf die Beantwortung der Fragen vorbereiten konnte.

Neuer Aufsichtsrat… und Vorstand
Gegen Abend schien es, als würden einige Aktionäre darauf hinarbeiten, dass die HV am ersten Tag nicht beendet würde. Sie stellten zahlreiche Fragen und brachten neue Wahlvorschläge ein. Nach einer weiteren Unterbrechung der Sitzung hatten sie es sich aber offensichtlich anders überlegt und es konnte zur Abstimmung geschritten werden. Aufgrund der zahlreichen Stimmzettel nahm auch diese einige Zeit in Anspruch, so dass die Ergebnisse erst am späten Abend festgestellt wurden.

Zu neuen Aufsichtsräten gewählt wurden demzufolge Dr. Thomas van Aubel als Vorsitzender, Frauke Vogler und Klaus Rueth – jeweils mit deutlichen Mehrheiten. Oechsle hatte seine Kandidatur kurz vor der Wahl zurückgezogen. Bereits einer Tag nach seiner Wahl schritt der neue Aufsichtsrat zur Tag und installierte den Interimsmanager Dr. Dieter Brenken als weiteres Vorstandsmitglied neben Dominik Müser.

Ausblick
Wie die Zukunft der Balda AG aussieht, ist nach der außerordentlichen HV unklarer denn je. Fast sicher auszuschließen ist, dass das Unternehmen nun zur Ruhe kommt. Die Motive van Aubels sind völlig unklar und werden erst in den nächsten Monaten deutlich. So wurden in der Generaldebatte Vermutungen laut, dass er ein Engagement in der Solarbranche planen könnte. Spannend zu beobachten sein wird ebenso die Rolle der Hedgefonds. Auch Octavian hatte im Februar 2012 bereits eine außerordentliche HV herbeigeführt, weil man mit der Strategie des Vorstands nicht einverstanden gewesen war (siehe auch HV Magazin 1/2012). Die Interessen van Aubels und der Hedgefonds dürften trotz der vermutlichen Absprache bei der außerordentlichen HV alles andere als deckungsgleich sein – zu unklar sind bislang die Motive van Aubels. Die ordentliche Balda-Hauptversammlung für das letzte Geschäftsjahr steht noch aus. Auch sie dürfte einige Überraschungen bereithalten.

Autor/Autorin

1
2