Bei vielen deutschen Aktiengesellschaften dominieren ausländische Investoren. Das hat auch Auswirkungen auf die HV-Präsenzen, die sich wenig erfreulich entwickeln. Im Interview äußern sich die ADEUS-Geschäftsführer, Klaus Schmidt und Dr. Konrad von Nussbaum, über aktuelle Entwicklungen und die von der EU-Kommission geplanten Änderungen der EU-Aktionärsrechterichtlinie.

Klaus Schmidt, Adeus
Klaus Schmidt, Geschäftsführer ADEUS

HV Magazin: Herr Schmidt, Sie setzen sich für die Aktionärstransparenz ein. Wo sehen Sie den richtigen Weg?
Schmidt: Eindeutig über Namensaktien. Mit dem Aktienregister, in dem sämtliche Aktionäre verzeichnet sind, ist der Emittent permanent auf dem aktuellen Stand. Diese Transparenz erlaubt die direkte Kommunikation mit den Aktionären und ermöglicht effiziente Prozesse. Beispielsweise ist die Gesellschaft in der Lage, den Aktionären auf direktem Wege den elektronischen Versand der Hauptversammlungseinladung anzubieten. Zudem kann der Aktionär unmittelbar den Zugang zu Online-Services nutzen …

HV Magazin:… aber die Einladung wird doch auch für Inhaberaktien ordnungsgemäß versandt.
Schmidt: Vollkommen richtig. Allerdings laufen die Prozesse hier immer über die dazwischen geschalteten Depotbanken. Das Unternehmen mit Inhaberaktien kennt die Aktionäre nicht aus dem Aktienregister. Deshalb müssen beispielsweise die HV-Einladungen immer über die dezentrale Depotbankenlandschaft weitergeleitet werden. Auch Anmeldungen zur Ausübung des Stimmrechts müssen über die Intermediäre geleitet werden.

HV Magazin: Wo gibt es dann bei Namensaktien noch Verbesserungsbedarf?
Schmidt: Grundsätzlich haben sich die Rahmenbedingungen für die Aktionärskommunikation und Aktionärstransparenz in Deutschland schon sehr positiv entwickelt. Grundlegend war die Einführung der Girosammelverwahrung für Namensaktien 1997. Erfreulicherweise investierten mit der Auflösung der Deutschland AG dann sehr viele internationale Investoren in deutsche Unternehmen. Dies führte allerdings zu einer Verringerung der Transparenz, weil die ausländischen Aktionäre aufgrund der internationalen mehrstufigen Verwahrketten meist anonymisiert über Nominees im Aktienregister stehen.

HV Magazin: Wie war die Reaktion?
Schmidt: Die Unternehmen mit Namensaktien haben 2008 mit dem Risikobegrenzungsgesetz eine deutliche Stärkung erfahren. In diesem Gesetz wurde das Recht manifestiert, dass die Gesellschaften die hinter den Nominees stehenden wahren Aktionäre erfragen können. Durch solche Auskunfts- und Offenlegungsverfahren lässt sich die Aktionärstransparenz deutlich steigern.

HV Magazin: Herr Dr. von Nussbaum, handelt es sich dabei um EU-Recht?
von Nussbaum: Bisher nicht. Auf europäischer Ebene vollzieht sich aber gerade eine ähnliche Entwicklung. Im Rahmen des T2S-Projekts zum europaweiten Settlement hatte die Europäische Zentralbank auf Initiative der Emittenten die sogenannte Taskforce Shareholder Transparency aufgesetzt. Deren Vorschläge zur Identifikation der wahren Aktionäre wurden 2011 von der EU-Kommission in ihrem Grünbuch Corporate Governance aufgegriffen. Auf dieser Basis soll mit der geplanten Änderung der EU-Aktionärsrechterichtlinie die Aktionärsidentifikation als bindendes europäisches Recht eingeführt werden. Insofern zahlen sich auch unsere langjährigen Bemühungen auf europäischer Ebene jetzt aus.

Konrad von Nussbaum, Adeus
Dr. Konrad von Nussbaum, Geschäftsführer ADEUS

HV Magazin: Was steckt denn nun hinter der Aktionärsrechterichtlinie?
von Nussbaum: Der Ansatz gleicht dem zusätzlichen Auskunftsanspruch, der seit 2008 auch im deutschen Aktiengesetz verankert ist. Natürlich ist eine tägliche Eintragung der wahren Aktionäre in das Aktienregister vorzugswürdig gegenüber einem Auskunftsverfahren. Der große Vorteil der Eintragung über den Zentralverwahrer liegt für den Emittenten in der nötigen Rechtssicherheit. Sie ist zudem tagesaktuell. Die zusätzliche Transparenz durch die Richtlinie ist also grundsätzlich zu begrüßen, man sollte aber durchaus noch einen Schritt weiter gehen.

HV Magazin: Werden die Vorteile auch bei den institutionellen Investoren so gesehen?
von Nussbaum: Die Eintragung bietet gerade für institutionelle Investoren viele Vorteile. Auf aktuelle Eintragungsdaten kann Investor Relations besser reagieren und den Investor effektiver betreuen. Die Auslösung eines Investors aus einem gemischten Omnibus-Bestand bietet dem Investor außerdem die Sicherheit, dass seine Eigentumsposition nicht durch den Nominee im Omnibus-Konto vermittelt wird. Vielen Investoren wird das zunehmend bewusst. So entscheiden sich inzwischen auch große Einzelinvestoren aus dem Ausland für die dauerhafte Direkteintragung in das Aktienregister.

HV Magazin: Und der Privataktionär im Ausland?
von Nussbaum: Aktuell gehen Informationen gerade für Privataktionäre oft noch verloren, z.B. die Einladung zur Hauptversammlung. In einem funktionierenden Binnenmarkt muss es aber das Ziel sein, auch einem Privataktionär etwa aus Frankreich oder Italien die HV-Einladung direkt zuschicken zu können. Dann könnte auch der Privataktionär im Ausland beispielsweise die Online-Services der Gesellschaft nutzen. Genau dafür könnte die Aktionärsrechterichtlinie jetzt die Weichen stellen. Ein Gewinn für eine höhere HV-Präsenz und damit für eine Verbreiterung der Abstimmungsbasis.

HV Magazin: Geht der Richtlinienvorschlag dabei weit genug?
Schmidt: Noch fehlen wichtige Differenzierungen. Die Richtlinie macht bisher keinen Unterschied zwischen Namensaktien und Inhaberaktien. Eine so weitgehende Identifikation widerspräche aber dem Wesen der Inhaberaktie. Hier sollte man durchaus den Wettbewerb der beiden Aktienarten zulassen. Haben die Aktionäre bei ihrem Investment die Namensaktie gewählt, dann sprechen wir uns ganz klar für höchstmögliche Transparenz aus, und zwar unabhängig davon, ob der Aktionär im In- oder Ausland wohnhaft ist.

Für Namensaktien sollte die Identifikation noch intensiver genutzt werden, als bisher von der Richtlinie vorgeschlagen. Hier bietet es sich an, für Investoren oberhalb einer bestimmten Schwelle, z.B. 0,1%, eine dauerhafte Eintragung des Beneficial Owner in das Aktienregister vorzuschreiben. Wir sprechen uns ganz klar für die Direkteintragung und damit die Möglichkeit der direkten Kommunikation ohne Intermediär aus.

HV Magazin: Wie stehen Sie zur geplanten Abstimmbestätigung an die Aktionäre?
Schmidt: Nach dem ersten Entwurf der Richtlinie sollte jeder Aktionär, der auf der Hauptversammlung Stimmen ausübt, hinterher eine Abstimmungsbestätigung erhalten. Das wurde zum Teil kritisiert, weil zusätzlicher Aufwand befürchtet wird. Die italienische Ratspräsidentschaft hat jetzt vorgeschlagen, die Bestätigung nur auf Verlangen zu versenden. Das ist sicher sinnvoll. Für Namensaktien allerdings kann die Abwicklung ohnehin problemlos sichergestellt werden, da der Versand wie bei jedem anderen Aktionärsversand an die im Aktienregister eingetragenen Adressen erfolgt.

HV Magazin: Was bedeutet es umgekehrt für die Hauptversammlung, wenn institutionelle Investoren künftig ihr Abstimmverhalten offenlegen sollen?
Schmidt: Die Offenlegung des Abstimmverhaltens ist bei institutionellen Investoren bereits jetzt weitgehend Standard. Zumeist wird auf vorab veröffentlichte Abstimmrichtlinien Bezug genommen, so dass das Abstimmverhalten schon jetzt durch entsprechende Analysen recht gut prognostiziert werden kann. Der direkte Kontakt mit den Investoren hilft auch hier den Emittenten weiter und stärkt die Hauptversammlung. Von professionellen Vermögensverwaltern wird die Veröffentlichung ihrer Abstimmpolitik sicher langfristig auch als Wettbewerbsvorteil gesehen.

HV Magazin: Fondsanleger sollen stärker in die Entscheidungen der Vermögensverwalter einbezogen werden (Einbeziehungspolitik). Profitiert davon die Aktienkultur?
von Nussbaum: Die Aktienkultur in Deutschland profitiert, wenn Aktionäre sich aktiver einbringen können. Eine Identifikation der Fondsanleger gegenüber dem Unternehmen würde aber zu weit gehen. Gegenüber dem Unternehmen tritt immer nur der Fonds auf, die Kommunikation mit den Fondsanlegern erfolgt fondsintern. Wer sich direkt einbringen will, entscheidet sich für die Direktinvestition in die Aktie. Hier gibt es bekanntlich in Deutschland bei Privataktionären noch Nachholbedarf.

HV Magazin: Wenn wir von direkter Kommunikation sprechen: Einige Investoren fordern umgekehrt eine direkte Kommunikation mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Ist das sinnvoll?
von Nussbaum: Das lässt sich so generell nicht beantworten. Die Aktionäre interessieren sich regelmäßig für die Strategie des Unternehmens und wie es um ihr Unternehmen bestellt ist. Ob und in welchem Umfang auch der Aufsichtsrat zu Gesprächen mit Investoren hierüber bereit ist, wird von den Unternehmen sehr unterschiedlich gehandhabt. Hier muss jede Gesellschaft abhängig vom Einzelfall selbst das richtige Maß finden. Wenn wir allerdings die Aktionäre ermuntern, ihre Stimmrechte auszuüben und ihre Möglichkeiten im Rahmen der HV zu nutzen, sind wir bereits ein gutes Stück weiter.

HV Magazin: Zurück zu Europa: Wird die europäische Lösung funktionieren?
Schmidt: Ja, da bin ich mir sicher. Die Eintragung inländischer Aktionäre ist in vielen Ländern schon jetzt Standard. Auch bei der Offenlegung durch Auskunftsverlangen gibt es bereits sehr eingespielte Prozesse. Die Allianz SE z.B. nutzt das Auskunftsverlangen bereits seit 2010 quartalsweise sehr erfolgreich. Der Nominee-Bestand von über 60% des Grundkapitals kann hierdurch dauerhaft aufgeklärt werden. Die Offenlegung durch regelmäßige Auskunftsverlangen wirkt dabei als wirksamer Katalysator für die dauerhafte Eintragung in das Aktienregister. Die Ergänzungen der Aktionärsrechterichtlinie werden dies noch verstärken. Bei der weiteren Implementierung wird es darauf ankommen, dass die Zentralverwahrer auch grenzüberschreitend die entsprechenden Schnittstellen nutzen. Allerdings kann der Aufwand für alle Beteiligten noch deutlich reduziert werden, wenn Banken und Nominees eine dauerhafte Eintragung größerer Investoren in das Aktienregister vornehmen.

HV Magazin: Ist das das finale Ergebnis?
Schmidt: Der Richtlinienentwurf ist natürlich von verschiedenen Marktteilnehmern und Verbänden kommentiert worden. Überwiegend wird das Recht auf grenzüberschreitende Aktionärsidentifikation begrüßt. Kritisiert wird die Vereinheitlichung von Namensaktie und Inhaberaktie. Zudem böte die Aktionärsrechtrichtlinie die Chance, noch einen Schritt weiterzugehen und einen einheitlichen Standard zur Eintragung in das Aktienregister vorzusehen, z.B. für Investoren mit einem Anteil von mindestens 0,1%. Inzwischen liegt ein Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft vor, der diese Punkte allerdings noch nicht hinreichend umsetzt. Es bleibt also spannend.

HV Magazin: Herr Schmidt, Herr Dr. von Nussbaum, vielen Dank für die interessanten Einblicke!

Das Interview führte Oliver Bönig.

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