Oettinger liegt mit etwa 7% Marktanteil in Deutschland in Führung vor Krombacher und Bitburger.

Fragte man Otto Normalbiertrinker in einer beliebigen Fußgängerzone der Republik, welches Brauereiunternehmen in Deutschland am meisten Bier ausstößt, der Name Oettinger würde wohl nur sehr selten genannt. Denn nicht die bekannten Marken der sogenannten „Fernsehbiere“, die vor Tatort oder Länderspielen per Trailer beworben werden, rinnen hierzulande am häufigsten durch die Kehle durstiger Hopfen- & Malz-Fans, sondern das Bier aus dem namensspendenden Ort Oettingen im bayerischen Schwaben.

Seit 2004 bereits residiert das Familienunternehmen auf der Pole Position des Brauereigewerbes. Mehr als 6,2 Mio. Hektoliter der Marke Oettinger werden pro Jahr ausgestoßen. Das macht zwar „nur“ etwa 7% Marktanteil aus – angesichts der Zersplitterung des Marktes reicht es gleichwohl für die Führung vor Krombacher und Bitburger. Weitere 1,6 Mio. Hektoliter brauen die Bayern für Carlsberg sowie Handelsmarken der einzelnen Supermarktketten. Außer in Oettingen wird in Gotha, Mönchengladbach und Braunschweig gebraut.

Produkte der Marke „Original Oettinger“ werden in mehr als 100 Länder exportiert, hinzu kommen Lizenzbrauereien in Russland und der Ukraine. „Oettinger und die GUS-Staaten – das ist bereits nach kurzer Zeit eine tolle Erfolgsgeschichte, der wir gerne noch weitere Kapitel hinzufügen möchten“, sagte Dirk Kollmar, geschäftsführender Gesellschafter der Oettinger Brauerei GmbH, beim symbolischen „Startschuss“ in Radomyshl vor drei Jahren. Radomyshl ist nach Moskau und Minsk die dritte Brauerei in einem GUS-Staat, in der Lizenzprodukte der Marke „Original Oettinger“ hergestellt werden. Finanziert wurde der Neubau durch eine russische Investorengruppe – das Know-how lieferte die Oettinger Brauerei.

Brauereitradition seit 1731 in der Familie Kollmar

Bei den Kollmars liegt die Veredelung von Hopfen und Malz zu einem köstlichen Getränk seit 1731 in der Familie. Seinerzeit wurde von den Vorfahren im benachbarten Fürnheim die Forstquellbrauerei gegründet. Die Oettinger Brauerei geht auf das Jahr 1333 zurück. Zunächst in adeligem Besitz, wurde sie später eine Genossenschaftsbrauerei mit regionaler Geltung. Erst 1956 übernahm Otto Kollmar den Betrieb. Dessen Sohn Günther, der Anfang des Jahres 75-jährig verstarb, prägte die Wachstumsphase. Dabei machte er einige Dinge entscheidend anders als die Mitbewerber: Kollmar setzte nicht auf Premium, sondern ein gepflegtes Bier zu günstigem Preis. Dabei setzt das Brauhaus auf Direktvertrieb ohne Getränkegroßhandel. Vielmehr wurden und werden mit dem eigenen Fuhrpark Gaststätten, Supermärkte und auch Endverbraucher direkt beliefert.

Modernste Technik und der Verzicht auf Fernsehwerbung

Wir verzichten auf aufwändige und teure Werbung in den Medien, weil wir der Überzeugung sind, dass ein Produkt mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis für sich selbst wirbt“, heißt es auf der Website zu kostendämpfenden Maßnahmen. So gibt es auch keine teure Verpackung mit Goldpapier um den Hals oder aufwändig bedruckten Etiketten. Unbestritten ist in der Branche zudem, dass Oettinger über modernste Produktionsanlagen verfügt und die gesamte Organisation extrem schlank und effizient gehalten hat. Bei der Konkurrenz sei das Billigbier auf wenig Begeisterung gestoßen, stellte „Der Spiegel“ in einem Nachruf auf Günther Kollmar fest. Oettinger zerstöre die deutsche Bierkultur, kritisierten die Brauereichefs: keine Gastronomie, keine Kirmesauftritte, kein Bierbankverleih. Kollmar focht solcherlei nicht an: „Wir haben als Bierbrauer keinen kulturellen Auftrag“, sagte er einmal der Stuttgarter Zeitung. Heute ist Dirk Kollmar Besitzer der Brauerei, er hält 80% der GmbH-Anteile bei 100% Stimmrecht.

Während Oettinger in Osteuropa neue Brauereien eröffnete, machte sich das Unternehmen in den neuen Bundesländern zum Teil nicht wirklich beliebt. Zwar übernahm Oettinger Brauereien in Pritzwalk, Dessow und Schwerin, allerdings wurden diese Produktionsstätten geschlossen.

Wachstum klassisch über Banken und Genussscheine finanziert

Das bisherige Wachstum hat das Unternehmen klassisch über Banken finanziert. Die in der Bilanz 2011 stehenden Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten werden zur Absicherung von Zinsrisiken, die sich aus der operativen Geschäftstätigkeit ergeben, mit derivativen Finanzinstrumenten, namentlich Zinsswaps, gehedged. Zudem wurde Genussrechtskapital in Höhe von 10 Mio. EUR ausgegeben. Weitergehende Aktivitäten am Kapitalmarkt sind angesichts eines Gewinnvortrages in der Bilanz von mehr als 60 Mio. EUR nicht zu erwarten. Eine Anfrage, ob über die Begebung einer Anleihe oder andere Kapitalmaßnahmen nachgedacht werde, ließ das Unternehmen unbeantwortet.

Fazit

Eine Familienbrauerei setzt sich mit einem Bier des unteren Preissegments an die Spitze in der Bundesrepublik. Das ist eine unternehmerische Leistung, die vor allem Investoren, die auf den Track Record eines Managements Wert legen, beeindrucken dürfte. Andererseits ist die geringe Marge – 2011 blieb nur 1% des Umsatzes als Gewinn übrig – nicht eben herausragend. In der Vergangenheit gab es daher Gerüchte, die Brauerei stehe zum Verkauf, was freilich dementiert wurde. Die Expansion ins Ausland wird über eine eigens gegründete Beratungsgesellschaft organisiert, wobei die Finanzierung Partner vor Ort übernehmen, so dass sich auch an dieser Stelle kein Kapitalbedarf ergibt.

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