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Ein Initial Public Offering (IPO) bietet Unternehmen eine vielversprechende strategische Option, langfristige Finanzierungen mithilfe von Eigenkapital zu ermöglichen und somit ein nachhaltiges Wachstum des Unternehmens abzusichern. Im Zuge des IPOs und der damit verbundenen Kapitalmarktorientierung eines Unternehmens gilt es, eine Vielzahl an ­Herausforderungen zu bewältigen und umfangreiche Berichtspflichten zu erfüllen.

Diesen und weitere Artikel zum Thema IPO, Aktien und Börse finden Sie in der neuen Ausgabe des GoingPublic Magazins 01-2022.

So erfordert die Erlangung der IPO-Readiness eine Reihe an Veränderungen und Anpassungsmaßnahmen in unterschiedlichen Abteilungen des ­Unternehmens. Dies ist einerseits darin ­begründet, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen erweiterte Offenlegungspflichten und Transparenzanforderungen erfüllen müssen. Andererseits steigt die Relevanz der Themen Compliance und ­Unternehmensführung.

Zu den wesentlichen Herausforderungen im Rahmen der IPO-Readiness und der damit verbundenen Anpassung der Corporate Governance zählen:

– die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS und die Erfüllung zusätzlicher Berichtspflichten (Enforcement, Dokumentationen für die BaFin),
– die Implementierung eines Risiko­managementsystems (RMS),
– der Aufbau eines internen Kontroll­systems (IKS),
– die Sicherstellung einer effektiven Com­pliancefunktion und internen Revision,
– die Erstellung eines Börsenprojekts,
– das Projektmanagement.

Berichtspflichten kapitalmarkt­orientierter Unternehmen

Nach einem erfolgreich abgeschlossenen IPO sehen sich kapitalmarktorientierte Unternehmen zahlreichen zusätzlichen Berichtspflichten ausgesetzt. So gilt es für Unternehmen im Prime Standard der Deutschen Börse in Frankfurt, neben dem Jahresfinanzbericht einen Halbjahres­finanzbericht und zwei Quartalsmitteilungen zu veröffentlichen. ­Darüber hinaus sind u.a. die Einhaltung der Ad-hoc-Publizität (gemäß § 26 WpHG), Mitteilungen zu Insiderinformationen und preisrelevanten Tatsachen (gemäß § 26 WpHG) sowie Mitteilungen von Veränderungen bedeutender Stimmrechtsanteile (gemäß § 33 WpHG) zu berücksichtigen.

Enforcement-Struktur in Deutschland

Finanzinformationen von kapitalmarkt­orientierten Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, unterliegen ­zusätzlich dem sogenannten Enforcement-Verfahren, das die Verlässlichkeit von Informationen in Unternehmens­berichten sicherstellen und erhöhen soll. Hierzu werden die ­Finanzinformationen einer anlassbe­zogenen oder stichprobenartigen Prüfung unterzogen. Mit dem ­Inkrafttreten des ­Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt­integrität (FISG) am 1. Januar 2022 obliegt die alleinige Verantwortung der Bilanzkontrolle in Deutschland von nun an der Bundesanstalt für ­Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). ­Somit wurde das bisher existierende zweistufige Enforcement-Verfahren in Deutschland, bei dem neben der BaFin die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mit der Bilanzkontrolle beauftragt war, beendet. Hierzu hatte die BaFin im ­September 2021 bereits die Gruppe ­„Bilanzkontrolle“ gegründet, die rund 60 Mitarbeiter:innen umfassen soll.

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Gemeinsam mit der European Securities and Markets Authority (ESMA) veröffentlicht die BaFin einmal jährlich eine Auflistung der Enforcement-Prüfungsschwerpunkte für die laufende Berichtssaison. Basierend auf aktuellen Entwicklungen im gesamtwirtschaftlichen Umfeld und im Bereich der Rechnungslegung publiziert die ESMA die europäischen Enforcement-Prüfungsschwerpunkte, welche durch die BaFin um nationale Prüfungsschwerpunkte erweitert werden können.

Enforcement-Schwerpunkte 2022

Am 29. Oktober 2021 erfolgte die Veröffentlichung der drei gemeinsamen euro­päischen Prüfungsschwerpunkte 2022 durch die ESMA, die am 29. November 2021 durch die BaFin um einen weiteren nationalen Schwerpunkt ergänzt wurden. Bei den drei von der ESMA bekannt gegebenen gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkten handelt es sich um:

– die Auswirkungen der COVID-19-­Pandemie (Impacts of COVID-19),
– klimabezogene Risiken (Climate-related Matters) und
– erwartete Kreditausfälle bei Kredit­instituten (Expected Credit Losses ­Disclosures).

Die nationale Ergänzung dieser Prüfungsschwerpunkte der ESMA durch die BaFin benennt das Thema Lieferkettenfinan­zierungen (Reverse Factoring).

Die Ergänzung der ESMA-Prüfungsschwerpunkte durch die BaFin basiert auf der zunehmenden Relevanz von Reverse Factoring für die Unternehmensfinan­zierung in Deutschland. Das Hauptaugenmerk im Rahmen der Prüfung liegt dabei auf der Überprüfung der korrekten ­Darstellung relevanter Transaktionen in der Bilanz und der Kapitalflussrechnung sowie der korrespondierenden Angaben im Anhang und im Lagebericht. Auch das Institut der Wirtschafsprüfer e.V. (IDW) hat sich im Zuge der Veröffentlichung ­eines neuen Moduls IAS 1 – M1 zu IDW RS HFA 50 im Dezember 2021 bereits mit ­dieser Thematik beschäftigt.

Als unmittelbare Konsequenz aus dem Fall Wirecard plant die BaFin darüber ­hinaus, in begründeten Einzelfällen die tatsächliche Existenz von angegebenen Zahlungsmitteln und Vermögenswerten zu überprüfen. Ferner soll das Augenmerk im Rahmen der Prüfung verstärkt auf nachvollziehbare und nachprüfbare Buchführungsunterlagen gelegt werden.

Fazit

Im Rahmen eines IPOs gilt es für Unternehmen, zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen, um eine IPO-Readiness ­erfolgreich herstellen zu können. Doch auch nach einem erfolgreichen IPO werden weitere Reportinganforderungen an kapitalmarktorientierte Unternehmen ­gestellt. Im Rahmen des Enforcement-­Verfahrens werden die Finanzinformationen durch die BaFin einer anlassbezogenen oder stichprobenartigen Prüfung ­unterzogen. Die Schwerpunkte dieser ­Prüfungen werden jährlich, basierend auf aktuellen Entwicklungen, aktualisiert und im Vorfeld der Berichtssaison durch die ESMA und die BaFin kommuniziert. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen ­bedeutet dies, dass im Rahmen der finanziellen Berichtserstattung auf die aktuellen Enforcement-Prüfungsschwerpunkte ein besonderes Augenmerk zu legen ist.

https://www.wts-advisory.de/

Zu den Autoren

Mario Braun ist Manager im Bereich Financial Reporting der WTS Advisory AG am Standort Stuttgart. Im Rahmen seiner Tätigkeit berät er Mandanten aus verschiedenen Branchen zu unterschiedlichen Fragestellungen in den Bereichen der internationalen Rechnungslegung, der Implementierung neuer Accounting-Standards (z.B. IFRS 15 und IFRS 16), Accounting Conversions sowie der Vorbereitung und Begleitung von Börsengängen (IPO-Readiness).

CPA/CVA Ulrich Sommer ist Partner im Bereich Financial Reporting der WTS Advisory AG am Standort Stuttgart. Er ­leitet Projekte zur Herstellung der Kapitalmarktfähigkeit (IPO-Readiness), IFRS/US-GAAP-Umstellungsprojekte und Projekte zur Optimierung des Finanz- und Rechnungswesens.

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