Die Kaufleute aus Leidenschaft, kurz GBC Kapital, hatten jüngst ins noble Sofitel Munich Bayerpost nahe des Münchner Hauptbahnhofs zur 16. Münchner Kapitalmarkt Konferenz, kurz MKK, geladen. Der Einladung waren nicht nur rund 40 börsennotierte Small- und MidCaps sondern auch eine ganze Reihe von institutionellen Investoren, Analysten und Finanzjournalisten gefolgt. In einem gewohnt stilvollen Ambiente stellten die geladenen Referenten ihre Geschäftsmodelle und Geschäftszahlen vor und gaben einen Ausblick für die nahe Zukunft. In einzeln buchbaren „Face-to-Face“ Gesprächen stellten sich die präsentierenden Firmen direkt den Fragen von Investoren und Journalisten.

Ein besonderes Highlight war das der MKK angegliederte Healthcare Forum, in dem sich acht deutsche börsennotierte Life Science Unternehmen präsentierten. Die Referenten zeigten eines ganz deutlich, deutsche Life Sciences- Unternehmen sind viel besser als ihr Ruf. Dass deutsche Unternehmen hinsichtlich ihrer Börsenbewertung noch immer weit hinter ihrer angelsächsischen Konkurrenz notieren, mag verschiedene Gründe haben, schlechtere Geschäftsmodelle und innovativere Produkte sind es auf jeden Fall nicht.

Gute Aussichten bei Morphosys

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Claudia Gutjahr-Löser präsentierte das Unternehmen MorphoSys auf dem 16. MKK. Quelle/Rechte: MorphoSys AG

Dr. Gutjahr-Löser, bei Morphosys für Kommunikation zuständig und laut eigener Aussage fasziniert von der Wissenschaft, präsentierte das in München ansässige Unternehmen mit einer für die Wissenschaft eher ungewöhnlich erfrischenden Leichtigkeit. Aktuell habe MorphoSys zwei Antikörper im Zulassungsprozess und 2017 hoffe man auf eine erste Zulassung. Ein Schwerpunkt der Präsentation war die gute Zusammenarbeit mit Partner Novartis, die bei MorphoSys 75 Mitarbeiter beschäftigt und 40 Mio. EUR Umsatz generiert. Partnerschaften sind zwar noch immer das Hauptgeschäft, doch bei bestimmten Indikationen, wie im Falle des Xencor-Antikörpers MOR208, kann sich das Unternehmen auch die alleinige Vermarktung vorstellen. Positiv, sagt Gutjahr-Löser, seien die hohen Erfolgsquoten bei der Entwicklung von Antikörpern. Immerhin schaffen es 40% aus der Forschung in die klinischen Entwicklung und davon erreichen immerhin noch 10% den Markt – eine unerreichbare Zahl für herkömmliche Medikamente, die meist mit einem sehr viel höheren Ausfallrisiko korreliert sind. Das gegenwärtig in der Bilanz angehäufte Polster von 400 Mio. EUR wird in Kürze jedoch dahin schmelzen, denn laut der Kommunikationschefin will MorphoSys weiter wachsen und das koste nun einmal Geld. Dass die volle Pipeline auch weiterhin für positiven Newsflow sorgen wird, davon ist Gutjahr-Löser überzeugt und verweist auf die erfolgreichen Partnerschaften mit den Pharmagiganten Novartis, Roche und Celgene. Letztere wären sogar eine Kooperation alleine auf Basis präklinischer Daten eines Antikörpers eingegangen. Ein wachsames Auge sollten Investoren auf jeden Fall auf das Kooperationsprojekt mit Roche werfen. Entwickelt sich der Antikörper mit Namen Gantenerumab, der gerade eine Phase-II-Studie durchläuft, gemäß den Erwartungen, könnte MorphoSys den Milliardenmark Alzheimer erschließen. Lässt sich die Auflösung der Amyloid-Ablagerung im Gehirn von Alzheimer Patienten verifizieren, wäre MorphoSys vielleicht sogar ein Übernahmekandidat.

Die resolute Sygnis-Chefin ist vom Erfolg des Strategiewechsels überzeugt

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CEO und CFO in einer Person: Die Spanierin Pilar de la Huerta, die Sygnis präsentierte. Quelle/Rechte: Sygnis AG

Dass der Strategiewechsel – weg von der risikoreichen Wirkstoffentwicklung und hin zum weniger riskanten Geschäft mit Enzymen für die Molekularbiologie – funktioniert, daran zweifelt die resolute Pilar de la Huerta nicht. Nach der jüngsten Kapitalerhöhung verfügt Sygnis, seit 2000 an der Frankfurter Börse gelistet, über 3 Mio. EUR für das operative Geschäft. Der Fokus liegt ab sofort auf zwei Wachstumsbereichen, der Amplifizierung, also Vermehrung von Erbmaterial, und der nachfolgende Sequenzierung, worunter man die Bestimmung der Abfolge der Basen in der DNA versteht. Amplifizierung und Sequenzierung von Erbmaterial kommen in der Personalisierten Medizin, der Molekularen Diagnostik, der Epigenetik und im Next Generation Sequencing (NGS) zum Einsatz. Alleine der NGS-Markt beläuft sich heute auf etwa eine Milliarde USD, die jährlichen Wachstumsraten werden auf Grund der Fortschritte in der Genetik auf 22% geschätzt. Für Amplifizierung und Sequenzierung von Erbgut werden spezielle Enzyme, so genannte Polymerasen benötigt, hier hat Sygnis mit QualiPhi bereits ein innovatives Produkt entwickelt. Der erste große Erfolg nach der Neuausrichtung, sagt de la Huerta, sei die Lizenzierung des Enzyms an Qiagen, einem der Marktführer im Bereich molekularbiologischer Reagenzien. Qiagen wird QualiPhi unter dem Namen Sensify schon Ende 2013 in seine REPLI-g Kits einbinden. Auf rund 100.000 EUR schätzt de la Huerta das „Upfront-Payment“ je Lizenzdeal. Im Laufe des nächsten Jahres prognostiziert die resolute Chefin bereits den nächsten Lizenzdeal. Man darf gespannt sein, ob sich die hochgesteckten Ziele tatsächlich erfüllen.

Mit Remimazolam würde Michael Jackson noch leben

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Die Firma Paion präsentiert durch Ralf Penner setzt auf ein innovatives Ultra-Kurzzeit-Anästhetikum. Quelle/Rechte: Paion AG

Schmerzausschaltung und damit ein jährlicher Gesamtmarkt von 1,5 Mrd. USD stehen im Fokus der in Aachen beheimateten Paion AG. Gegenwärtig liegen alle Hoffnungen des Small Caps auf Remimazolam, einem Ultra-Kurzzeitanästhetikum, das in Japan gerade eine Phase-III-Studie zur Anästhesie durchläuft und 2015 auf die Zulassung durch den Lizenzpartner Ono hofft. Neben diesem Schlüsselprodukt besitzt Paion zwar noch vier weitere Kandidaten in der Pipeline, diese würden aber bis zur Etablierung von Remimazolam im Markt nicht weiterentwickelt. Die Marktkapitalisierung von Paion sei in den vergangenen Monaten um 200% gestiegen, freut sich der Referent. Was für Remimazolam spricht, es vereint die Vorteile von Propofol und Midazolam, jedoch ohne deren Nachteile zu besitzen. Ein Anästhesist, wie bei Propofol, müsste bei Gabe von Remimazolam nicht anwesend sein, sagt Penner, was zu signifikanten Einsparungen im Gesundheitssystem beitragen würde. Positiv auch, dass, anders als bei Propofol, für den Fall einer Überdosierung ein Gegenmittel existiert. Für die Kurznarkose sei der Markteintritt von Remimazolam für 2016 vorgesehen, die Zulassung zur Sedierung auf Intensivstationen sei dagegen noch etwas weiter entfernt, meint Penner. Der Start des Phase-III-Programmes in den USA und Europa in 2014 hinge von der Finanzierung ab, es würden rund 20 Mio. EUR benötigt. Die FDA hat auf Basis bisheriger Daten aber schon einmal signalisiert, eine Deklaration analog Midazolam, also ohne Anästhesist zu verabreichen, zu bewilligen.

MagForce betreibt Vergangenheitsbewältigung

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Hoda Tawfik will NanoTherm mit Vergangenheitsbewältigung zum Erfolg führen. Quelle/Rechte: MagForce AG

Vergangenheitsbewältigung lautet das Schlagwort bei der MagForce AG. Obwohl als Medizingeräte schon seit 2011 erfolgreich zertifiziert, gelang es dem einstigen Hoffnungsträger NanoTherm bisher nicht, in den klinischen Alltag einzuziehen. Prof. Dr. Hoda Tawfik, die MagForce präsentierte, kennt die Gründe für das Scheitern von NanoTherm und bezeichnet das aktuelle operative Geschäft als eine Art Vergangenheitsbewältigung. Dazu hat MagForce nun eine deutschlandweite multizentrische Studie initiiert, welche die wichtigsten Meinungsbildner in der Onkologie in die Evaluierung von NanoTherm bei Hirntumoren mit einbezieht. Die Entwicklung einer neuen Therapie, und NanoTherm sei eine solche, gelinge nur durch Einbeziehung der wichtigsten Meinungsbildner, dies hätte MagForce in der Vergangenheit nicht berücksichtigt. Das Geld für die neue Studie, rund 18 Mio. EUR, kommt aus der jüngsten Kapitalerhöhung, zu deren Investoren sich das Unternehmen aber nicht äußern wollte. Mit rund 20.000 EUR ist die Therapie kein Schnäppchen, doch Tawfik verweist auf einen Präzedenzfall einer Kostenübernahme durch eine gesetzliche Krankenkasse. Gelingt MagForce die Bewältigung der Vergangenheit und Hoda Tawfik ist fest davon überzeugt, dann könnte sich auch die jüngste Kurserholung fortsetzen. Lesen Sie dazu demnächst unser Interview, dass wir auf dem 16. MKK mit Frau Prof. Dr. Tawfik führen durften.

Fazit
Dass amerikanische Unternehmen der Life Science und Healthcare Branche sich im Allgemeinen schneller entwickeln als ihren deutschen Pendants und deutlich höhere Unternehmensbewertungen aufweisen hat viele Gründe, die hier im Detail aufgeführt werden können. Die nicht selten magere Finanzierung und die Risikoaversität von Investoren sind zwei wichtige Gründe für das schlechtere Abschneiden europäischer Firmen. Als ehemalige Wissenschaftlerin weiß ich, Forschung kostet sehr viel Geld und dauert seine Zeit. Je mehr Ressourcen, desto schneller kommt ein Unternehmen zu Ergebnissen, auch wenn diese natürlich nicht immer positiv sind, weshalb eine vorherige Evaluierung des Geschäftsmodells von enormer Wichtigkeit ist. In vielen deutschen Unternehmen dauert Forschung aber auch auf Grund von Kapitalmangel unnötig lange – zu lange für viele Investoren. Zwar ist es verständlich, dass Investoren bei ausbleibenden Umsätzen und Gewinnen, Lust und Geduld verlieren, gleichzeitig überlassen wir mit dieser kurzsichtigen Denkweise aber die Lorbeeren den Amerikanern, denn hier fließt bei innovativen Ideen Geld im Überfluss. Mit Life Science-Unternehmen lässt sich nicht auf die Schnelle Geld verdienen und auch nicht jede Idee endet in einem Milliardengeschäft, doch wer Geduld mitbringt und sich die Mühe macht, die Geschäftsmodelle zu verstehen, wird mit deutlich höheren Renditen als in jedem anderen Sektor belohnt.

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