Goldman Sachs-Fonds Whitehall und Finanzinvestor Cerberus hatten dem Land Berlin vor sechs Jahren die 1924 gegründete Gesellschaft für rund 405 Mio. EUR zuzüglich 1,6 Mrd. EUR Schulden abgekauft. Jetzt sollen maximal 64 % an die Börse gebracht werden. GSW selbst hofft dabei auf insgesamt (Kapitalerhöhung plus Umplatzierung) bis zu 524 Mio. EUR. Berücksichtigt man, dass börsennotierte Immobilienaktien (Bestandshalter) weiterhin einen Discount auf ihren Nettosubstanzwert/NAV (Immobilienvermögen abzüglich Schulden) von bis zu 50% aufweisen, liegt die GSW-Emissionsbewertung auf Basis der Bookbuildingspanne im Bereich des Vertretbaren. Zum NAV kommt heute keine Immobiliengesellschaft mehr an die Börse.

Jenseits der Bilanzoptik
Die augen(ge)fällige Ertragssteigerung im letzten Jahr ist erläuterungsbedürftig. So kletterte der Nettogewinn um rund 60 % auf 172 Mio. EUR. Darin sind Höherbewertungen von 126 Mio. EUR für 2009 enthalten, nach 60 Mio. EUR im Vorjahr. Angesichts eines Gesamtportfoliowerts von etwa 2,6 Mrd. EUR entspricht diese Aufwertung allerdings gerade einmal einem Plus von 5 %. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin wies Vorstandschef Thomas Zinnöcker auf die zuvor konservative Bilanzierung hin – fragt sich also, wie jetzt bilanziert wird. Richtig ist aber, dass GSW seit jeher auf stetige jährliche Höherbewertungen setzte, während andere Bestandshalter im Boom bis 2007 erst massiv auf-, dann genauso massiv wieder abgewertet haben – was unter dem Strich auf ungefähr das Gleiche hinausläuft. Selbst nach den jüngsten Hochschreibungen befindet sich GSW noch nicht auf Höhe vergleichbarer Bewertungen im Raum Berlin. Konkurrent Deutsche Wohnen liegt in der Bewertung noch vor GSW, während den Vergleichsunternehmen Gagfah und Colonia Real Estate weniger hochwertige Portfolien nachgesagt werden. Insofern liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte und GSWs Bestandsbewerter CB Richard Ellis glaubt sie zu kennen.

GSW Immobilien – Geschäfts- und Kennzahlen

2008

2009

2010e

Operatives Ergebnis*

185,7

229,0

245,0

Nettoergebnis*

107,7

172,1

58,0

EpS

2,43

3,88

4,51

*) in Mio. Euro; Quelle: GoingPublic Research

Klingelnde Kassen
Mit dem Emissionserlös aus der Kapitalerhöhung – 140 Mio. EUR werden angestrebt, danach richtet sich auch die Anzahl der Aktien aus dem KE-Anteil – sollen Schulden zurückgeführt werden. 2013 laufen 900 Mio. EUR und damit ein Großteil der Verbindlichkeiten aus. Man muss sich dabei aber die Größenordnung des Kapitalerhöhungsanteils und der letztjährigen Ausschüttung an Whitehall und Cerberus vor Augen führen: Zwar erhielten sie keine Dividende, dafür aber 450 Mio. EUR Zinsen auf ein Gesellschafterdarlehen – immerhin haben sie damit ihren ehemaligen Kaufpreis schon eingespielt, noch bevor sie eine einzige Aktie verkauft haben. Jedoch hat die Zustimmung des Landes Berlin zum avisierten Börsengang 30 Mio. EUR gekostet.

Alles wird gut? – mit und nach dem Börsengang
Die beiden Finanzinvestoren lassen GSW mit einem hohen Loan-to-Value-Ratio von 58 % zurück (1,6 Mrd. EUR Schulden im Verhältnis zu 2,6 Mrd. EUR Immobilienvermögen) – als Real Estate Investment Trust (REIT) wäre das gerade so an der Grenze der erlaubten maximal 60 %. Nach GSW-Planungen möchte man die Mieten in diesem und nächstem Jahr um 2,5% pro Jahr anheben und – natürlich – auch die Leerstandsquote senken, die derzeit bei 4,5% liegt. Betroffene Mieter – übrigens größtenteils Rentner und Arbeitslose – werden bei diesen Plänen sicherlich nicht Beifall klatschen, was erklärt, weshalb der Börsengang zu einem Politikum avancierte. Plötzlich glaubt sich jede Partei zum Anwalt argloser Mieter aufschwingen zu müssen – Wahlkampfpause gibt es schließlich nie wirklich, und Nettotransferempfänger gestalten schon heute den politischen Alltag.

Einen glasklaren Interessenkonflikt bei diesem IPO stellt die Funktion von Goldman Sachs dar. Das Finanzinstitut ist einerseits Verkäufer (über den Whitehall-Fonds), andererseits Konsortialführer. Welche Interessen – Alteigentümer, neue Investoren, Unternehmen? – dabei am höchsten gewichtet sind, kann nur gemutmaßt werden. Goldman Sachs und Deutsche Bank zusammen bildeten bereits das Konsortialführer-Duo beim wenig schmeichelhaften IPO von Gagfah Immobilien im Herbst 2006.

Dividendentitel
Rund zwei Drittel der jährlichen Funds from Operations (FFO exklusive Vertriebsergebnis) sollen als Dividende ausgeschüttet werden. Das wären ca. 40 Mio. EUR für 2009 oder ungefähr 1 EUR je Aktie. Daraus errechnet sich eine Rendite von ca. 6 % auf Basis der Mitte der Preisspanne. GSW sieht sich selbst am besten mit der Deutsche Wohnen AG verglichen: Tatsächlich sehen die meisten Kennzahlen der Berliner im Kontrast dazu vorteilhaft aus.

Fazit
Der Börsengang von GSW wird ein Gradmesser für die Aufnahmefähigkeit des Marktes für Immobiliengesellschaften – deren jüngster Neuzugang immerhin rund drei Jahre zurückliegt. Harte Roadshows für das Management sind garantiert, sollten angesichts eines Abschlags zwischen 24 und 38 % auf den Nettosubstanzwert jedoch zu bewerkstelligen sein. Ähnlich wie bei Kabel Deutschland (nur 1% ging an inländische Investoren) dürften die Konsortialbanken ihr Heil bei angelsächsischen Institutionellen suchen: Entweder kennen die sich besser aus auf unseren heimischen Märkten oder auch das Gegenteil trifft zu. Wir halten die Emissionsbewertung für fair, sehen in GSW aber keinen Outperformer nach der hoffentlich glückenden Börsennotierung. Eine Zeichnung drängt sich somit nicht auf.

Falko Bozicevic

GSW Immobilien – Emissionsparameter
WKN

GSW 111

Erstnotiz

7. Mai

Zeichnungsfrist

bis max. 6 Mai

Preis

15 bis 18,50 Euro

MarketCap

665 bis 820 Mio. Euro

Marktsegment

Prime Standard

Emissionsprospekt

ja

Emissionsvolumen

max. 9,33 Mio. Aktien Kapitalerhöhung,

bis zu 15,3 Mio. Aktien (+ max. 3,7 Mio. Greenshoe) Umplatzierung,

Emissionsvolumen gesamt 370 bis 524 Mio. Euro

Konsortium

Deutsche Bank, Goldman Sachs (Co-Lead)

Free Float

max 63,9 %

Internet

www.gsw.de

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