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Immer mehr Start-ups und auch etablierte Unternehmen nutzen die Möglichkeiten von Crowdfunding als zeitgemäße Art der Unternehmensfinanzierung. Über Plattformen mit Zulassung als EU-Schwarmfinanzierer lassen sich europaweit bis zu 5 Mio. EUR ohne Prospektpflicht einsammeln.

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Seit gut zehn Jahren ist Crowdfunding ein erfolgversprechendes Finanzierungsmodell – inzwischen mit sicherem Rechtsrahmen. Doch für wen eignet sich diese Art der Kapitalaufnahme? Wer das beantworten will, sollte im Vorfeld erst einmal vier wesentliche Fragen klären:

(1) Wie hoch ist der Kapitalbedarf?
(2) Wie soll der Vertrieb aussehen: Eigenvertrieb oder externer Vertrieb?
(3) Ist ein Angebot von Wertpapieren oder Vermögensanlagen geplant?
(4) Wo wird angeboten – in Deutschland oder EU-weit?

An die Beantwortung dieser Fragen knüpfen sich unterschiedliche Durchführungs­mög­lich­keiten, Voraussetzungen und Grenzen der Kapitalaufnahme durch Crowdfunding.

Mehrere Varianten

Wer Crowdfunding im Eigenvertrieb nutzen will, kann bis zu 1 Mio. EUR mit einem von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu billigenden dreiseitigen Wertpapier-Informationsblatt (WIB) ohne rechtliche Vertriebsbeschränkungen bei Anlegern einsam­meln. Mehr braucht es nicht. Auch gelten keine sogenannten ­Einzelanlageschwellen.

Bei einem Angebot von Vermögens­anlagen (z.B. Nachrangdarlehen, Genussrechte, Direktinvestments) können dagegen über einen Zeitraum von zwölf Monaten nur bis zu 6 Mio. EUR eingesammelt werden – ohne einen Kapitalmarktprospekt. Voraussetzung sind aber ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) und ein Vertrieb, der über eine Zulassung nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) oder § 15 WpIG verfügt. Für Privatanleger gelten Einzelanlageschwellen. Das heißt, sie dürfen in Abhängigkeit von ihrem Nettoeinkommen maximal 25.000 EUR investieren. Für unternehmerische Anleger gelten diese Grenzen nicht.

Noch einmal 2 Mio. EUR mehr, also bis zu 8 Mio. EUR können eingesammelt werden, wenn Wertpapiere über das Internet angeboten werden, wie z.B. Aktien, ­Genussscheine oder Inhaberschuldverschreibungen – ebenfalls ohne Prospekt, aber mit Wertpapier-Informationsblatt (WIB) und einem Vertrieb mit erforder­licher Zulassung nach § 15 Wertpapier­institutsgesetz (WpIG). Auch hier gilt: ­Privatanleger dürfen in Abhängigkeit von ihrem Nettoeinkommen maximal 25.000 EUR investieren. Für Wertpapiere, die den Aktionären im Rahmen einer Bezugsrechts­emission angeboten werden (d.h., Alt­anleger werden bei Folgeemission bevorzugt zeichnungsberechtigt), und für GmbH & Co. KGs, die keine Publikumsgesellschaften sind, gibt es keine Einzelanlageschwellen.

Wer grenzüberschreitend EU-weit Wert­papiere oder Kredite anbieten will, kann dies über eine Crowdfunding-Plattform mit Erlaubnis als EU-Schwarmfinanzierer tun. Die Erlaubnis als sogenannter European Crowdfunding Service Provider (ECSP) reicht aus, um in allen 27 Mitgliedstaaten der EU tätig zu sein.

EU-Crowdfunding-Plattformen dürfen z.B. über sogenanntes Crowdlending ­echte Kredite von mehreren Privatper­sonen an Unternehmen vermitteln. Ohne einen ­Kapitalmarktprospekt, aber mit Anlage­basisinformationsblatt können so Finanzierungen für Projekte bis zu einem Volumen von 5 Mio. EUR über einen Zeitraum von zwölf Monaten gestartet werden. Allerdings dürfen nicht-kundige Anleger, d.h. solche, die nicht über ausreichende Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, um mit der ­Anlage verbundene Risiken ­angemessen einzuschätzen, nicht mehr als 1.000 EUR oder 5% ihres Vermögens pro Projekt ­investieren. Geht es um mehr Geld, muss die Plattform davor warnen, dass ein ­Angebot ungeeignet sein und das Geld komplett verloren gehen könnte. Außerdem ist Anlegern eine ­viertägige Bedenkzeit einzuräumen – innerhalb dieser können sie ihr Investment ohne ­Begründung und Vertragsstrafe ­widerrufen.

Auf das Geschäftsmodell kommt es an

Grundsätzlich steht Crowdfunding allen Branchen und in jeder Phase des Unternehmens offen – hier existieren keine rechtlichen Begrenzungen. Entscheidend für ein Funktionieren sind stets die Schlüssigkeit des Geschäftsmodells und die ­Seriosität des Unternehmens.

Die Dauer der Kapitalüberlassung (Laufzeit) ist frei vereinbar. Wenn Vermögensanlagen angeboten werden, muss die Dauer mindestens 24 Monate mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten betragen. Bei Wertpapieren und EU-Schwarm­finanzierung gibt es keine solchen ­Beschränkungen.

Welche Rendite kann dem Investor ­angeboten werden? Fester Zins, ergebnisabhängiger Zins oder ein Anteil am ­Gewinn – alles ist möglich. Entscheidend sind die Ertragsaussichten des Unternehmens, das Geschäftsmodell und vor allem die Risiken. Grundsätzlich gilt: Je höher das Risiko, desto höher die Rendite­aussichten. Bei jungen Unternehmen sind es eher höhere Renditen als bei gestandenen. Wenn es um Einzelprojekte geht, z.B. Immobilienvorhaben, hängt die Rendite von den Nutzungsmöglichkeiten der ­Immobilie ab. So hat die Spezialimmobilie Hotel beispielsweise ein höheres Risiko als vielfältig nutzbare Immobilien, wie z.B. Wohnimmobilien.

Last but not least muss jeder Unternehmer bereit sein, über Erfolge genauso wie über Misserfolge transparent zu berichten, und eine entsprechende Investor-­Relations-Arbeit leisten.

Fazit: Mehr Spielraum, aber auch strenge Anforderungen

Für kleine und mittlere Unternehmen ­sowie insbesondere Start-ups erleichtert Crowdfunding die Kapitalaufnahme. Sie profitieren einerseits von dem Entscheidungsspielraum für Privatanleger in ­Bezug darauf, wie viel Geld sie in welche Anlagen investieren. Wichtig ist, dass auf der anderen Seite auch dem Anlegerschutz Rechnung getragen wird – durch Erfüllung der Pflichtangaben im VIB/ WIB wie auch der Anforderungen an die ­Vertriebsplattform.

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Autor/Autorin

Dr. Matthias Gündel

Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel ist Geschäftsführer der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei GK-law.de mit Sitz in Göttingen. Er berät seit mehr als 20 Jahren deutschlandweit Gründer und Start-ups genauso wie Familienunternehmen und Emissionshäuser. Zu seinen Schwerpunkten gehört u.a. die Beratung zu Kryptoanlageprodukten, Security Token Offerings sowie damit zusammenhängenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen.

Christina Gündel

Christina Gündel ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Aufsichts- und Vertriebsrecht für Finanzdienstleister und betreut insbesondere Erlaubnis- und Registrierungs-mandate.