Nadja Picard, Capital Markets, PwC Deutschland und Holger Miss, PwC International IPO Centre, London

In den letzten Jahren war eine ganze Anzahl grenzüberschreitender Börsengänge zu beobachten. Aus deutscher Sicht sind hier vor allem die IPOs chinesischer Unternehmen an der Börse Frankfurt zu nennen. Eine Studie von PwC in Zusammenarbeit mit Baker & McKenzie hat grenzüberschreitende Börsengänge im Zeitraum 2002 bis 2011 untersucht („Equity sans frontières – Trends in cross-border IPOs and an outlook for the future“). Welches sind die wesentlichen Trends im internationalen IPO-Geschehen, nach welchen Kriterien suchen Unternehmen einen Listingstandort aus und welche Aussagen können daraus für die Zukunft abgeleitet werden?

Zwischen 2002 und 2011 haben grenzüberschreitende Börsengänge einen erheblichen Anteil des globalen IPO-Geschehens ausgemacht. Höhepunkt dieser Entwicklung war 2006: 25% aller global erzielten IPO-Erlöse waren Resultat eines Cross-border Listings.

EMEA zeigt die größte grenzüberschreitende IPO-Aktivität Interessant ist die Verteilung der Cross-border IPOs innerhalb und zwischen den Weltregionen EMEA, Americas und Asia-Pacific. EMEA sah hier mit Abstand die größte intra-regionale Aktivität (335 IPOs mit einem Gesamtvolumen von 97 Mrd. USD). Die Vielzahl russischer IPOs in den Londoner Markt und Transaktionen wie das IPO der schweizerischen Glencore an der London Stock Exchange spielen hier eine zentrale Rolle. Im Vergleich dazu fallen die Zahlen innerhalb der Americas und innerhalb Asia-Pacific (chinesische IPOs nach Hongkong wurden nicht als „grenzüberschreitend“ gewertet) bescheidener aus.

 

Quelle: Studie „Equity sans frontières”, PwC/Baker & McKenzie

 

Asia-Pacific exportiert IPOs
Betrachtet man den Austausch zwischen den einzelnen Weltregionen, ergibt sich ein differenziertes Bild. So ist der „IPO-Verkehr“ zwischen EMEA und den Americas hinsichtlich der Erlöse nahezu ausgeglichen. Asia-Pacific hingegen – und hier vor allem China – ist der große Exporteur von IPOs: 155 gingen nach EMEA, gar 171 nach den Americas. Nur relativ wenige Unternehmen fanden den umgekehrten Weg. So kamen nur 12 IPOs von EMEA nach Asia-Pacific, meistens nach Hongkong. Diese erlösten aber die beträchtliche Summe von 7 Mrd. USD. Hongkong wird oftmals als Anziehungspunkt für Listings europäischer und amerikanischer Unternehmen gehandelt. Für eine kleine Anzahl namhafter Unternehmen speziell aus dem Konsumgüterbereich (Prada, L’Occitane, Samsonite) mag dies auch stimmen. Den Eindruck, dass es einen wirklichen Trend von IPOs aus den entwickelten Märkten hin nach Asien und insbesondere Hongkong gibt, konnte die Studie indes nicht bestätigen.

Zugang zu entwickelter Investorenbasis ein Hauptgrund
Für ein Listing im Ausland führen im Rahmen der Studie interviewte Unternehmensvertreter und Marktexperten verschiedene Gründe an. Dominiert werden die Statistiken von Unternehmen aus aufstrebenden Märkten, die fern der Heimat Investoren und eine stabile Infrastruktur suchen. Einen Sonderfall bilden viele der chinesischen Auslands-IPOs. Oftmals handelt es sich hier um junge wachsstumsstarke Unternehmen, denen der Gang an die heimischen Börsen erschwert ist und die daher eine alternative Listingmöglichkeit suchen.

Wichtig können auch strategische Gründe sein: So gibt es Börsen, die für Unternehmen bestimmter Branchen besonders attraktiv sind. Toronto und Sydney für Mining-Unternehmen sind hier ein gutes Beispiel. Auch kann ein Listing als Bekenntnis zu einem bestimmten Absatzmarkt verstanden werden. Die bereits angeführten Konsumgüterlistings in Hongkong gehören in diese Kategorie.

 

Quelle: Studie „Equity sans frontières”, PwC/Baker & McKenzie

 

Deutschland auf Platz 5
Deutschland hat es mit 30 Inbound-IPOs zwischen 2002 und 2011 unter die Top-5 der wichtigsten Cross-border Börsenplätze geschafft. Im Vergleich zu wirklich internationalen Börsenplätzen wie London oder New York gibt es hier aber noch einiges aufzuholen. Der Großteil der internationalen IPOs nach Frankfurt entfällt auf chinesische Unternehmen. Deutschland als Inbound-Markt folgt damit einem international immer wieder zu erkennenden Schema: Hat einmal ein Cross-border IPO erfolgreich stattgefunden, finden sich bald weitere Kandidaten, die denselben Weg gehen.

Fazit
Der in der Vergangenheit zu beobachtende Trend zu Cross-border IPOs wird voraussichtlich noch anhalten. Wie stark und wie lange, wird davon abhängen, ob und wie schnell sich die Börsen in aufstrebenden Märkten ihrerseits entwickeln. Denn die Unterschiede in Qualität und Größe der Kapitalmärkte zwischen den einzelnen Ländern sind der Haupttreiber für grenzüberschreitende IPOs. Gerade in den BRIC-Staaten werden sich die Börsen weiterentwickeln, wenn auch unterschiedlich stark und schnell. Welche Rolle der Listingstandort Deutschland hier in Zukunft spielen wird, ist wesentlich davon abhängig, ob Frankfurt sich als Zielmarkt für spezielle Branchen und/oder Märkte etablieren kann.

 

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 1/2013.

 

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