Im Zusammenhang mit der Erstellung einer angepassten Unternehmensplanung ist insbesondere auf die Erfüllung der folgenden Vorstands-/ Geschäftsführerpflichten zu achten:

  • Bei einer erheblichen Abweichung der angepassten Planung von einer zuvor veröffentlichten Guidance haben kapitalmarktorientierte Unternehmen diese Guidance im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung zu kassieren. Solange die angepasste Planung noch nicht belastbar ist, sollte das Unternehmen durch einen Vorstandsbeschluss die Veröffentlichung gemäß Art. 17 IV MAR aufschieben, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
  • Zudem hat der Vorstand u.U. bestehende Insolvenzantragspflichten wegen Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu prüfen. Dies auch und gerade, da die Bundesregierung derzeit plant, die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die wegen der Folgen der Corona-Pandemie in Schieflage geraten, bis zum 30. September 2020 – mit weiterer Verlängerungsmöglichkeit bis zum 31. März 2021 – hinauszuschieben. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, welche genauen Regelungen der Gesetzgeber auch zur Haftungsvermeidung der Vorstandsmitglieder treffen wird.

Auch wenn die angepasste Unternehmensplanung heute nur auf „unsicherem Terrain“ erstellt werden kann, haben die Vorstandsmitglieder diese unverzüglich aufzustellen und kontinuierlich anzupassen. Dabei kann hingenommen werden, dass diese Planungen nicht die Fertigungstiefe vorheriger Planungen haben und die Planungsannahmen erhebliche Unsicherheiten in sich bergen werden. Auf die Erstellung einer derartigen Planung mit dem Hinweis darauf, dass eine solche gar keinen Sinn habe, da die Unsicherheiten derzeit viel zu groß seien, kann nicht verzichtet werden. Diese wäre nicht pflichtgemäß und könnte zu erheblichen Vorstands-/Geschäftsführerhaftungen führen.

Ergreifen aller zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Schadenbegrenzung

Die Vorstandsmitglieder haben in der derzeitigen Sondersituation sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, um die aus der Corona-Pandemie für das Unternehmen entstehenden Nachteile so weit wie möglich zu vermeiden. Hierzu gehören insbesondere:

  • die Veranlassung sämtlicher Kostensenkungsmaßnahmen, u.a. sofortige Beantragung von Kurzarbeit und Entwicklung einer mittelfristigen Personalplanung,
  • das Ergreifen sämtlicher Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung; hierzu gehören verstärktes Forderungsmanagement, Optimierung des Working Capital, Bankengespräche mit dem Ziel der Aufrechterhaltung von Kreditlinien, Gespräche mit Aktionären/ Gesellschaftern bezüglich der Zurverfügungstellung weiterer Mittel und die Beantragung von Staatshilfen von Bund und Ländern,
  • die Überprüfung der wesentlichen bestehenden Verträge mit Kunden, Lieferanten, Vermietern und sonstigen Vertragspartnern im Hinblick auf mögliche Vertragsänderungen und Kündigungsmöglichkeiten sowie das Ergreifen der erforderlichen Maßnahmen,
  • die Sicherung der Lieferketten, soweit möglich.

Einholung von Experten

Im Falle fehlender eigener Sachkunde haben die Vorstandsmitglieder Expertenrat einzuholen. Wenn die Vorstandsmitglieder sich des Expertenrats Dritter zur Unterstützung in der derzeitigen Ausnahmesituation bedienen, müssen sie, um eine spätere Haftung zu vermeiden, die rechtlichen Anforderungen hierfür einhalten. Gemäß der Rechtsprechung des BGHs (BGH, Urt. v. 20. 9. 2011 − II ZR 234/09 „Ision-Urteil“) kann ein Vorstandsmitglied auf externen Expertenrat nur dann vertrauen, wenn (i) der Experte über die erforderliche Sachkunde verfügt, (ii) ihm der vollständige Sachverhalt zur Kenntnis gebracht wird und (iii) das Vorstandsmitglied den Expertenrat aufgrund einer Plausibilitätskontrolle für nachvollziehbar hält. Zudem ist darauf zu achten, dass der Experte aus rechtlich gebotenen Compliance Gründen unabhängig und frei von Eigeninteressen handelt sowie mit dem Sachverhalt bisher nicht vorbefasst war.

Fazit

Die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Unternehmen haben in der derzeitigen Sondersituation der Corona-Pandemie erhebliche Herausforderungen zu meistern. Dabei treffen sie erhöhte Pflichten, die sie zu erfüllen haben. Die Geschäftsleiter sind gut beraten, wenn sie auch in dieser hektischen Zeit ihre Entscheidungen und die getroffenen Maßnahmen ausführlich dokumentieren. Andernfalls setzen sie sich erheblichen Haftungsrisiken aus.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28. März in unserem Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020.

Autor/Autorin

Dr. Christian Becker Dr. Lutz Pospiech

Dr. Christian Becker ist Partner und Dr. Lutz Pospiech assoziierter Partner der GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.