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Rückbeteiligungen der Verkäufer am Zielunternehmen (Roll-over)

Bei einem Roll-over handelt es sich um eine teilweise (direkte oder indirekte) Rückbeteiligung der Verkäufer am Ziel­unternehmen. Die Beweggründe hierfür können unterschiedlichster Natur sein. Regelmäßig findet bei Managementbetei­ligungen ein Roll-over statt.

Aufseiten des W&I-Versicherers stellt sich in einem Roll-over-Szenario die Frage, wie mit der Tatsache umgegangen werden soll, dass das Akquisitionsvehikel nach Closing zwar 100% der Anteile an der ­Zielgesellschaft hält, der Investor wirtschaftlich jedoch nicht Alleineigentümer ist, sondern auch Teile der Verkäufer weiterhin beteiligt bleiben. Grundsätzlich würde man unter der W&I-Police bei ­einem Erwerb von (wirtschaftlich) weniger als 100% der Anteile an einer Gesellschaft im Schadensfall die Auszahlung an die Höhe der Beteiligung des Investors koppeln. Der sich rückbeteiligende Veräußerer (Rolling Shareholder) soll im ­Schadensfall nicht von einer Auszahlung profitieren. Er hat mit seiner unrichtigen Garantieerklärung den Schadensfall verursacht oder der Schadensfall stammt ­zumindest aus der Sphäre des Zielunternehmens, welches der Verkäufer bis zum Closing kontrolliert hat.

Dennoch kann über die W&I-Versicherung unter Umständen auch im Falle eines Roll-overs der gesamte Schaden (bis zu 100%) ausgeglichen werden. Hierbei müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein. Zum einen darf eine gewisse Schwelle des Umfangs der Rückbeteiligung an der Zielgesellschaft nicht überschritten werden. Aus Sicht der Versicherer ist von Bedeutung, dass der Roll-over tatsächlich als Rückbeteiligung und Minderheiteninvestment ausgestaltet ist und wirtschaftlich nicht ein Joint Venture darstellt. Zum ­anderen dürfen die rückbeteiligten Verkäufer von Auszahlungen der W&I-Versicherung nicht profitieren, sofern der der Auszahlung zugrunde liegende Schadensfall auf einer wissentlichen oder vorsätz­lichen Handlung des Rolling Shareholders beruht (wissentliche/vorsätzliche Falsch­abgabe einer Garantie der Rolling Shareholders unter dem Kaufvertrag). Den ­Rolling Shareholders darf in einem ­solchen Fall durch ihr betrügerisches Handeln kein Vorteil entstehen. Findet die Rückbeteiligung auf Ebene des Akquisi­tionsvehikels statt, das gleichzeitig Versicherungsnehmer unter der W&I-Police ist, wird vom Versicherer in der Regel eine ­zusätzliche Erklärung seitens der Rolling Shareholders verlangt, wonach diese ­keine Kenntnis von Garantieverletzungen unter dem Kaufvertrag haben.

Allgemeine Kenntnisqualifizierung der Garantien

Für gewöhnlich werden bestimmte Verkäufergarantien in Unternehmenskaufverträgen lediglich auf subjektiver Basis, also kenntnisqualifiziert, abgegeben (z.B. in Bezug auf Handlungen Dritter, auf die der Verkäufer keinen Einfluss hat bzw. von ­denen er keine Kenntnis hat oder haben kann – die Garantie wird dann meist eingeleitet mit „To the Seller’s Knowledge“). Die Garantieaussage ist in einem solchen Fall nur dann falsch, wenn dem Verkäufer nachgewiesen werden kann, dass er ­tatsächlich Kenntnis von den Umständen hatte, die zur Unrichtigkeit der Garantie führen. Inzwischen sieht man im Markt (verstärkt bei Kaufverträgen nach englischem Recht) auch verkäuferseitige Entwürfe von Garantiekatalogen, welche eine generelle Kenntnisqualifizierung für sämtliche Garantien enthalten. Dies ist besonders dann der Fall, wenn sich der Verkäufer in einer starken Verhandlungsposition wähnt, nur bedingt in die Abläufe und ­Entscheidungen bei der Zielgesellschaft eingebunden ist und dementsprechend objektive Garantieaussagen scheut oder nur das Management, nicht aber der (Mehrheits-)Gesellschafter, die Garantie abgibt (Management Warranty Deed).

Für den Käufer ist dies eine schwierige Situation, da er für einen Garantiebruch und in der Folge für die Zahlung eines Schadensersatzes dem Verkäufer – in der Regel positive – Kenntnis von bestimmten Umständen nachweisen muss, was sich in der Praxis als relativ schwierig darstellt. Mithilfe der W&I-Versicherung kann der Käufer seine Position allerdings substanziell verbessern. Sofern es die Due-Diligence-Materialien, der Disclosure-Prozess und der Gesamteindruck der Transaktion zulassen, kann für die Zwecke der W&I-­Police die allgemeine Kenntnisqualifizierung in Bezug auf die Verkäufergarantien unter dem Kaufvertrag gestrichen und zwischen Versicherer und Käufer (auf ­synthetischem Weg) eine Kenntnisquali­fizierung lediglich für einige wenige ­Garantien vereinbart werden.

Fazit

PE-Investoren setzen auf Käuferseite ­nahezu immer eine W&I-Versicherung zur Abmilderung der entsprechenden Risiken ein bzw. verlangen auf Verkäuferseite ­regelmäßig vom Käufer den Abschluss ­einer solchen Versicherung, um einen Clean Exit zu erreichen. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansätze für den Zeitpunkt des Underwritings im Auktionsprozess. Typische PE-Portfoliounternehmen (z.B. Buy and Build) und PE-Strukturelemente (z.B. Roll-over oder Management Warranty Deed) bedürfen im Underwriting besonderer Berücksichtigung und Lösungen. Die W&I-Versicherung ist zunehmend mehr als ein bloßer (geräuschloser) Transaktionsbegleiter und wird inzwischen häufiger auch als strategisches ­Instrument eingesetzt.

Zu den Autoren
Dr. Markus Messinger leitet das M&A-Versicherungsteam von Liberty Global Transaction Solutions (GTS) für EMEA. Zuvor war der Rechtsanwalt für Milbank in Frankfurt und München tätig.
Dr. Daniel Müller ist Co-Head bei Liberty GTS für die DACH-Region. Zuvor arbeitete er als Rechtsanwalt für Noerr in Frankfurt.
Dr. Sebastian Schmitt ist Co-Head bei Liberty GTS für die DACH-Region. Zuvor arbeitete er als Rechtsanwalt für Clifford Chance in Frankfurt.

(1) EY – German Private Equity Deal Survey 2021 HY1 – abrufbar unter https://assets.ey.com/content/dam/ey-sites/ey-com/de_de/news/2021/08/ey-private-equity-deal-survey-halbjahr-2021.pdf)

Autor/Autorin

Dr. Markus Messinger
Dr. Daniel Müller
Dr. Sebastian Schmitt