Whatever it takes – Wer oder was kommt nach Super Mario?

Wahl des EZB-Präsidenten im Oktober stellt EU vor Herausforderungen

Gefahr von außen und innen

Nicht nur Verschwörungstheoretiker erkennen mittlerweile, dass die zersetzenden Kräfte, die die EU und damit Europa aushöhlen, auch zu einem guten Teil von außen kommen. US-Präsident Trump hat nie ein Hehl aus seiner Missachtung für die EU und auch den Beitrag der Europäer zu der NATO gemacht. Der BrExit passt in seine Weltauffassung, denn er schwächt die EU und streut Dissens. Es sind auch dieselben Kreise, die mit Internetpropaganda die Wahl Trumps und den BrExit-Vote scheinbar erfolgreich beeinflusst haben. Zu der Cambridge Analytics-Affäre ist heute zwar nicht mehr viel zu hören, doch zumindest Merkel und Macron haben die Gefahr und die Praktiken der Wahlmanipulation klar erkannt und treffen Gegenmaßnahmen. Putin ist wegen der Sanktionen ohnehin nicht gut auf die EU zu sprechen. Daher pflegt er Kontakte zu Orban, Le Pen und weiteren nationalistischen EU-Gegnern, die seine Interessen innerhalb der EU vertreten – eine Schwächung des gefühlten Gegners. Cyber-Kriegsführung wie Wahlmanipulationen sind Russlands Spezialität. Das zeigen die Anklagen gegen 43 Russen in den USA, die im Rahmen der Mueller-Ermittlungen erhoben wurden.

Und auch die Chinesen schlagen Kapital aus der EU-Krise. Nicht nur der geschichtsträchtige Hafen von Piräus wird von ihnen mittlerweile betrieben, er dient auch der chinesischen Marine als Stützpunkt. Ganz aktuell hat Xi Jinping bei seiner Europareise umfangreiche Abkommen mit den Italienern geschlossen, deren Land nun praktisch ein wichtiger Bestandteil des chinesischen Mega-Infrastrukturprojektes „Neue Seidenstraße“ geworden ist – sehr zum Missfallen vieler EU-Politiker, denn es ist ein mehrfaches Einfallstor. Am größten ist die Sorge, dass die hoch verschuldeten Italiener finanzielle Hilfe der Chinesen gerne akzeptieren werden – dadurch in die berüchtigte Schuldenfalle tappen und somit auch in politische Abhängigkeit vom Reich der Mitte geraten.

EU-GroKo vor dem Ende

Vor dem angespannten geopolitischen Hintergrund und angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte täte Einigkeit in Europa dringend Not, doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Bei den anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament, übrigens der einzigen Direktwahl von Abgeordneten für EU-Bürger, zeichnet sich schon jetzt ab, dass die aktuell noch acht Fraktionen ordentlich durcheinandergeraten werden. Zunächst einmal werden nach dem BrExit nur noch 705 Sitze statt bislang 751 zur Verteilung anstehen. Für die beiden größten Fraktionen, die Christdemokraten und die Sozialdemokraten, wird, wie in den nationalen Parlamenten, erwartet, dass sie jeweils empfindliche Verluste erleiden. Gegenwärtig beherrscht diese pan-europäische „Große Koalition“ mit 29% der Sitze für die Christdemokraten und 25% für die Sozialdemokraten die EU-Politik und ihre Institutionen.

Bisher gab es bei den alle fünf Jahre stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament keine belastbaren Prognosen, da eine EU-weite Infrastruktur fehlte. Stattdessen wurden jeweils Prognosen wie bei nationalen Wahlen durch Umfragen erstellt. Das war insofern angemessen, als der Wahlkampf jeweils überwiegend um nationale Themen ausgefochten wurde und kaum europaspezifisch war. Das hat sich nunmehr geändert: Unter de.pollofpolls.eu lassen sich seit Ende 2017 recht konkrete aktuelle Umfrageergebnisse verfolgen. Demnach käme die Fraktion der Christdemokraten aktuell auf 178 Sitze und die der Sozialdemokraten auf 138, zusammen 316, also keine rechnerische Mehrheit mehr. Die Liberalen liegen bei 95 Sitzen, die Grünen bei 42. Es gibt aber auch neue Fraktionen, wie „Europa der Nationen und der Freiheit“ mit erwarteten 62 Sitzen, die u.a. von der Front National und der Lega Nord gebildet wird.