Am 27. Oktober wird in Argentinien ein neuer Präsident gewählt. Die Vorwahlen im August deuten darauf hin, dass Alberto Fernández, der Kandidat der Partido Justicialista, der wichtigsten Oppositionspartei und größten Partei im peronistischen Bündnis, die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird. Ein Wahlsieg von Amtsinhaber Mauricio Macri ist zwar nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. Vor dem Hintergrund eines unvermeidlichen Zahlungsausfalls Argentiniens dürfte eine Umschuldung zu den dringendsten Aufgaben des neuen Präsidenten gehören.

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Seit den Vorwahlen im August, bei denen Alberto Fernández überraschend gut abschnitt, sind die Kurse argentinischer Vermögenswerte deutlich gefallen. Nach Auffassung des Markts wird ein politischer Schwenk nach links, zurück zum Peronismus, zu höherer makroökonomischer Instabilität führen. Argentinien stand bereits vor den Vorwahlen am Rand des Abgrunds, und angesichts des Wechselkurseinbruchs und des Mangels an Marktvertrauen scheint das Land auf den neunten Zahlungsausfall zuzusteuern.

Insgesamt könnte der Markt etwas überverkauft sein. Eine mögliche Regierung Fernández ist sich darüber im Klaren, dass es in ihrem Interesse liegt, wieder Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten zu erhalten. Bedenkt man, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) als größter Gläubiger des Landes die wirtschaftliche Lage einschätzt, dürfte es eine Herausforderung darstellen, dieser Institution die Zustimmung zu einem halbherzigen Umgang mit dem Schuldenproblem abzuringen.

Fernández dürfte die Umschuldung pragmatisch angehen

Fernández ist zwar Peronist, scheint aber sehr viel pragmatischer zu sein als die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Wahrscheinlich wird im kommenden Jahr eine Umschuldung vereinbart, deren Bedingungen für die Gläubiger nicht so ungünstig ausfallen dürften wie im Jahr 2001. Voraussichtlich wird die neue Regierung unter Fernández ihre ersten Amtsjahre nicht mit Rechtsstreitigkeiten mit Gläubigern verbringen wollen. Vielmehr wird sie sich darum kümmern wollen, die Wirtschaft zu stabilisieren und ihre sozialen Ziele umzusetzen.

Ausgehend von früheren Umschuldungen in Argentinien und anderen Ländern erscheint folgendes Szenario wahrscheinlich:

  1. Die Wiedereinbringungsquote dürfte über den Tiefständen vom August liegen. Argentinische Anleihen notierten Ende August vorübergehend bei unter 40 Cents pro Dollar – nicht zuletzt, da viele europäische Anleger nach der Ratingherabstufung des Landes auf CCC verkaufen mussten. Bei solchen Zwangsverkäufen fallen die Kurse häufig auf ein Niveau, das unter der Wiedereinbringungsquote liegt.
  2. Fernández muss eine gläubigerfreundliche Umstrukturierung anstreben, um rasch wieder Zugang zu den Kapitalmärkten zu bekommen.
    Argentiniens Gläubiger sind sehr unterschiedlicher Natur – Hedgefonds, Asset Manager, Banken, argentinische Anleger. Das könnte es erschweren, ähnlich rasch eine Lösung zu finden, wie z.B. die Ukraine im Jahr 2015. Die Umschuldung der Ukraine verlief unerwartet erfolgreich, und zwar nicht nur mit Blick auf ihren raschen Abschluss, sondern auch auf die Wiedereinbringungsquote von 80 Cents pro Dollar. Es wäre überraschend, wenn Argentinien ein ähnliches Ergebnis erzielen könnte. Dennoch wird Fernández wohl eine einvernehmliche Umschuldung anstreben. Dabei könnte die größte Herausforderung darin bestehen, den IWF ins Boot zu holen.
  3. Weder Argentinien noch seine Gläubiger werden sich wieder zehn Jahre vor Gericht streiten wollen.
    Bei seinem vorhergehenden Zahlungsausfall unterschätzte Argentinien die Entschlossenheit der ausländischen Gläubiger und die Schäden, die der heimischen Wirtschaft durch sein stures Vorgehen entstanden sind. Das Land erhielt mehr als zehn Jahre lang keine Kredite mehr. Zwar mag sich der Rechtsstreit für die Gläubiger, die sich gegen die Bedingungen wehrten, letztlich womöglich gelohnt haben. Sie haben wahrscheinlich aber den zeitlichen und finanziellen Aufwand unterschätzt. Ein langwieriger Rechtsstreit lässt sich vermeiden, indem Argentinien eine Umschuldung mit möglichst geringen Zeitwertverlusten vorschlägt und so eine Mehrheit der Gläubiger dazu bringt, sich am Tausch zu beteiligen.
  4. Schwellenländerstaatsanleihen werden aktuell vom Markt falsch bepreist und bieten langfristig orientierten Anlegern gute Überschussrenditen.
    Moody‘s zufolge belief sich die emittentengewichtete Wiedereinbringungsquote von Schwellenländerstaatsanleihen im Zeitraum von 1983 bis 2016 auf 54 Cents pro Dollar. Die Spreads sollten die erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeiten multipliziert mit dem Verlust bei einem Zahlungsausfall widerspiegeln. Angesichts der hohen Wiedereinbringungsquoten und der relativ geringen Anzahl von Zahlungsausfällen gehören Schwellenländerstaatsanleihen nach Meinung von NN IP zu einer der von den Märkten am stärksten fehlbewerteten Anlageklassen weltweit.