Bildnachweis: ©oneinchpunch – stock.adobe.com, Wallstreet Online.

Die wallstreet:online AG hat sich in den vergangenen Jahren zur starken Nummer 2 hinter Axel Springer im deutschsprachigen Markt von Finanzportalen etabliert. Seit Ende 2019 ist die Gesellschaft mit Smartbroker, einem innovativen Neo Broker, aktiv und verzeichnet hohe Kundenzuwächse.

Das stark skalierbare und dynamisch wachsende Transaktionsgeschäft wird mittelfristig das hochprofitable Kerngeschäft Werbung in den Schatten stellen. Die Kombination aus reichweitenstarken Portalen und Produktinnovationen sollte der Schlüssel zum Erfolg sein.

Seit mehr als 20 Jahren am Markt aktiv

Die Anfänge der wallstreet:online AG gehen auf das Jahr 1998 und die Gründung durch André Kolbinger zurück. Nach einem Ausflug an der Seite von Corporate Venture-Capital-Investoren Anfang der 2000er Jahre erfolgte 2003 der Rückkauf durch die Gründer-Familie. André Kolbinger, der die Gesellschaft viele Jahre als Vorstand leitete und heute Aufsichtsratschef ist, hält derzeit 60,7% der Anteile.

Wichtige Meilensteine erreichte der Konzern in den letzten Jahren: 2018 und 2019 tätigte die Gesellschaft eine Reihe von Übernahmen im Portalgeschäft und etablierte sich als größter verlagsunabhängiger Finanzportalbetreiber im deutschsprachigen Raum. Ebenso wurde 2018 mit dem Einstieg bei der wallstreet:online capital AG das Transaktionsgeschäft erschlossen. Der Anteil an der wallstreet:online capital AG beträgt aktuell 42 Prozent. Darüber hinaus gibt es eine ausgeübte Option auf zusätzliche 30%. Das Verfahren wird derzeit von der Bafin geprüft.

Zentral für das weitere Wachstum ist der Ende 2019 erfolgte Start des Smartbrokers. Hier schlummert, mittelfristig gesehen, die eigentliche Ertragskraft des Konzerns. Aber bereits jetzt kann man die wallstreet:online AG als eine Erfolgsgeschichte bezeichnen. Seit dem IPO 2006 ist die Aktie um mehr als das 30fache gestiegen (Hinweis: Aktiensplit im Oktober 2020 von 1:8).

Portale & Community

Die wallstreet:online AG verzeichnet nach aktuellsten Statistiken mit ihren Portalen wallstreet-online.de, boersenNews.de, FinanzNachrichten.de und ARIVA.de 332 Mio. Seitenaufrufe pro Monat (Stand 11/2020). Auf den Portalen werden täglich über 12.000 Lesermeinungen zu Aktien und Kapitalanlagen veröffentlicht. Das Angebot bietet zudem neben aktuellen Nachrichten zum Wirtschafts-, Finanz- und Börsengeschehen Expertenberichte und Berichte ausgewählter Community- und Premium-Autoren. Zudem verfügt wallstreet-online.de über die größte Finanz-Community im deutschsprachigen Raum mit mehr als 500.000 Mitgliedern. Zur w:o-Gruppe gehört seit 2019 auch die 90%ige Beteiligung an der Smart Investor Media GmbH mit dem gleichnamigen Anlegermagazin.

Die Nummer drei der Branche, Onvista, deren Anteilseigner comdirect ist, und das nachfolgende zur Hubert Burda Media Gruppe gehörende Portal finanzen100, bringen es auf 158 Mio. bzw. 78 Mio. Seitenaufrufe pro Monat.

Innerhalb der w:o-Gruppe generiert wallstreet:online.de 74 Mio. Seitenaufrufe (page impressions) pro Monat und verfügt mit 2,6 Mio. über die größte Anzahl an Unique Users (unterschiedliche Nutzer, die die Internetseite aufrufen) im Konzern. Das 2018 übernommene Portal boersenNews.de besitzt mit 0,7 Mio. Unique Users und mit 87,4 Mio. Seitenaufrufen pro Monat die höchste Aktivität. Finanznachrichten.de, 2019 akquiriert, zählt monatlich 65 Mio. Seitenaufrufe und 2 Mio. Unique Users. Die im selben Jahr zugekaufte ariva.de kommt auf 84 Mio. Page Impressions und 1,4 Mio. Unique Users.

Kunden und Nutzer

Die Nutzer der Portale sind hauptsächlich Kleinanleger mit überdurchschnittlichem Einkommen und einer hohen Affinität zu Finanz- und Wirtschaftsthemen. Das Kerngeschäft der Gruppe besteht aus Werbeeinnahmen. Die Werbetreibenden, allen voran Anbieter von Finanzmarktprodukten oder hochpreisigen Konsumgütern, aber auch Auftraggeber aus der Automobil-, Freizeit- und Reisebranche erhalten so Zugang zu vielen potenziellen Kunden. Dadurch, dass der Konzern die übernommenen Portale unter den etablierten Marken weiterbetreibt, können bei Werbekampagnen Mehrmarkenstrategien gefahren und so höhere Preise erzielt werden.

Zweites Standbein: Transaktionsgeschäft

Zweites Standbein der Gruppe ist das operative Geschäft der wallstreet:online capital AG. Bislang war der Kern des Geschäfts FondsDISCOUNT.de, führender digitaler Finanzdiscounter Deutschlands. Zukünftiger Wert- und Wachstumstreiber ist der Smartbroker: ein Fullservice-Broker mit Discount-Konditionen, der sich deutlich vom Wettbewerbsumfeld differenziert.

Den Erfolg belegen stark steigende Kundenanzahlen und Transaktionen. Gerade die Verknüpfung von reichweitenstarken Portalen und einzigartiger Positionierung versprechen rosige Wachstumsperspektiven. Es ist geplant, bis Ende des Jahres den Kundenstamm von wallstreet:online capital auf über 140.000 auszuweiten. Dazu zählen dann neben den 25.000 Kunden von FondsDISCOUNT.de auch die rund 25.000 Kunden der Volkwagen Bank, die zwischen Oktober und Dezember 2020 per Kooperationsvertrag übernommen wurden, sowie der Kundenstamm von Smartbroker von über 70.000 Anlegern. Insgesamt werden nach eigenen Angaben bereits Vermögenswerte im Volumen von über 4 Mrd. EUR betreut.

Online Broker, Neo Broker, Smart Broker

Der Gesamtmarkt lässt sich in mehrere Teilbereiche untergliedern. Ganz klassisch finden sich in der Gruppe der Direktbanken Vertreter wie Comdirect, Consorsbank und ING. Im Feld der Onlinebroker ist flatexDEGIRO dominant, der jüngst mit der vollständigen Übernahme von Degiro durch flatex als größter europäischer Online-Retailbroker mit 1,2 Mio. Kunden entstand. Bei einer aktuellen Marktkapitalisierung bewertet der Markt einen Kunden derzeit also mit gut 1.200 EUR. Am 21. Dezember wird flatexDEGIRO in den SDAX aufsteigen.
Relativ neu am Markt ist die Gruppe der sogenannten Neo Broker. Dies sind Anbieter, die mit sehr geringen und teilweise auch keinen Handelsgebühren ein starkes Kundenwachstum verzeichnen. Der Trend der Null-Order-Gebühren entstand vor einiger Zeit in den USA mit Robinhood und schwappte dann über den großen Teich. Trade Republic, an der die wallstreet:online AG bis vor Kurzem eine Beteiligung von 3,30% hielt und diese im laufenden Geschäftsjahr verkaufte, aber auch justTrade und Gratisbroker sind hier zu nennen. Die Neo Broker erhalten pro Trade eine Abwicklungsvergütung von Plattformen wie gettex oder Brokern wie Lang & Schwarz.

Thomas Soltau

Smartbroker sticht nochmals hervor, da er einerseits die niedrigen Konditionen offeriert, aber zusätzlich ein breites Produktspektrum bietet. „Man kann grundsätzlich sagen, dass wir ein Produkt geschaffen haben, das es in Deutschland bisher nicht gab“, bringt es Thomas Soltau, Vorstand der wallstreet:online capital AG im Gespräch mit GoingPublic auf den Punkt. In vielen Anbietervergleichen steht Smartbroker ganz oben auf dem Treppchen. „Weiterentwicklungen werden auf Basis von Kundenwünschen und durch den Input der Finanzcommunity realisiert, sowohl technologisch als auch konditionell“, so Soltau.

Smartbroker

Ein positives Kapitalmarktumfeld und steigende Börsen spielen den Berlinern in die Karten. Kostenbewusste Anleger handeln über die Plattform gettex ab einem Ordervolumen von 500 EUR gebührenfrei, über Lang & Schwarz müssen Trader lediglich 1 EUR pro Transaktion berappen. Für Smartbroker-Kunden ist das ein gutes Geschäft. Aber auch für Smartbroker und die Plattformen bzw. Wertpapierhandelsbanken. Smartbroker erhält eine Vergütung von den Handelspartnern. Aber diese machen ebenfalls einen ordentlichen Schnitt, wie man den Bilanzen und der Kursentwicklung von Lang & Schwarz, Baader Bank & Co. ablesen kann.

Aber die Kostenseite ist nur die Hälfte der Erfolgsformel. Einzigartig wird das Angebot durch ein umfangreiches Spektrum unter anderem aus Fonds, ETFs, Sparplänen und Fremdwährungskonten.

„Die Kunden, die bei uns ein Depot eröffnen, kommen in der Regel von anderen Banken und wechseln ihr Depot komplett zu uns, weil es einfach günstiger ist und wir aus deren Sicht ein besseres Produkt anbieten“, führt Soltau weiter aus. Zudem fallen die Marketingausgaben pro Kunde mit unter 100 EUR im Branchenvergleich sehr niedrig aus.

Im nächsten Jahr soll eine Smartphone-App an den Start gehen. Zudem werden die Tradingfunktionalitäten auf den Plattformen der w:o-Gruppe integriert. Damit sollte sich ein deutlich höheres Odervolumen ergeben.

Zahlenwerk

Mitte September wurden die Zahlen für die erste Hälfte des laufenden Geschäftsjahres veröffentlicht. In den ersten sechs Monaten erzielte die Gruppe Umsatzerlöse von 11,9 Mio. EUR, was nahezu dem Umsatzniveau des kompletten Vorjahres entspricht. Das operative Ergebnis (EBITDA) lag bei 4,7 Mio. EUR. In diesem Wert sind jedoch drei Komponenten nicht enthalten. Erstens der außerordentliche Ertrag, der durch die Veräußerung der Anteile am Neo Broker Trade Republic in Höhe von 3 Mio. EUR entstand, und zweitens die Abwertung beim einem ICO-(Initial Coin Offering) Projekt von 0,3 Mio. EUR sowie die Wachstumsinvestitionen für den Aufbau des Smartbroker. Um diese Faktoren bereinigt, lag das EBITDA bei 4,2 Mio. EUR und der Gewinn vor Steuern (EBT) bei 3,6 Mio. EUR. Ebenso sind die Ergebnisbeiträge der Beteiligung wallstreet:online capital AG nicht enthalten.

Die Prognose für das Gesamtjahr erhöhten die Berliner aufgrund der anhaltend positiven Entwicklungen im Portalgeschäft und des Kundenwachstums von Smartbroker. Der Gruppen-Umsatz soll nun zwischen 24,5 und 29,9 Mio. EUR liegen. Das EBITDA unter Berücksichtigung der genannten Sondereffekte wird mit 6,8 bis 7,7 Mio. EUR erwartet. Somit soll sich der Umsatz 2020 mindestens verdoppeln, wohingegen das operative Ergebnis in Folge von Anlaufkosten des Smartbroker lediglich moderat zulegen soll.

„Vision 2024“

Mit „Vision 2024“ hat der w:o-Konzern aufgezeigt, wohin die Reise in den kommenden Jahren gehen könnte. In 2024 seien Erlöse von 75 Mio. EUR und ein Vorsteuerergebnis von 39 Mio. EUR möglich. Kern dieses dynamischen Wachstumsszenarios ist das stark skalierbare Geschäft des Smartbroker. Mit seinem einzigartigen Produktangebot könnten bis 2024 mehr als 400.000 Kunden gewonnen werden, was über 8 % der aktiven Anleger in Deutschland entspricht. Die reichweitenstarken Portale dienen zum einen als Marketingelement zur Neukundengewinnung. Zum anderen werden Tradingfunktionalitäten integriert, was zusätzlich das Ordervolumen erhöhen soll.

Somit verliert das margenstarke Portalgeschäft in der Gesamtbetrachtung auf mittlere Sicht an Bedeutung. Smartbroker könnte 2024 gemäß der Vision gut die Hälfte zum Umsatz bzw. 70 % zum Vorsteuerergebnis (EBT) beitragen. Nach einer Anlaufphase soll sich das starke Wachstum des Smartbroker ab 2022 auch deutlich im Gewinn niederschlagen. Die EBT-Marge soll 2022 bei knapp 40 % liegen. Mittelfristig seien knapp über 50 % möglich.

Fazit

Mit der Kombination aus reichweitenstarken Portalen und einem starken Differenzierungsmerkmal des Smartbroker (Null-Trading-Gebühren + großes Produktangebot) besitzt der Konzern exzellente Wachstumsperspektiven. Die Vision ist ambitioniert, aber zugleich realistisch. Eine App und neue Tradingfunktionen werden die Dynamik ab Mitte 2021 nochmals beschleunigen. Legt man eine Bewertung je Smartbroker Kunde von rund 1.000 EUR an die „Vision 2024“ an und addiert das hochmargige Portalgeschäft dazu, dann scheint die Aktie trotz der ohnehin schon sehr guten Entwicklung beim aktuellen Kurs von rund 14 Euro äußerst aussichtsreich.

Autor/Autorin

Robert Steininger