Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erläutert Alexander Wieser u.a., welche Vorteile die virtuelle Hauptversammlung bietet.

GoingPublic: Die COVID-19-Pandemie hat viele Unternehmen dazu gezwungen, virtuelle Hauptversammlungen durchzuführen. Welche Möglichkeiten bestehen bei Ihnen im Haus der Bayerischen Wirtschaft (hbw)?

Wieser: Das hbw zählt seit Jahren zu den meistgebuchten HV-Locations in Deutschland. Wir kennen die Besonderheiten dieser Veranstaltungsform wie kein anderer, unsere Konferenzsäle sind dafür ausgelegt. Durch Video- und Webcastproduktionen im hauseigenen TV-Studio haben wir viel Erfahrung im Bereich Streaming gesammelt. Seit der Gesetzgeber den Weg für die virtuelle HV frei gemacht hat, können unsere Kunden neben den Räumlichkeiten auch den Webcast nutzen. Abhängig von der Größe des Podiums, des Brandingaufwands und der Anzahl der benötigten Kameras kommen unterschiedliche Räume unseres Konferenzzentrums für die Veranstaltung infrage.

Welche ersten Erfahrungen und Lehren können Sie nach rund sechs Monaten virtuelle HV ziehen?

Alexander Wieser hat Tourismusmanagement an der Hochschule München studiert, ist seit 2009 bei der mbw GmbH und leitet seit 2013 das hbw ConferenceCenter in München.

Bei den ersten virtuellen Hauptversammlungen sind wir ins kalte Wasser gesprungen. Von HV zu HV haben wir die Bedürfnisse der Kunden besser verstanden und entsprechende Strukturen für uns aufgebaut, die sich bewährt haben. Wir nehmen den Kunden an die Hand und sagen ihm genau, welche Informationen und Dateien wir im Voraus benötigen. Dazu zählen z.B. das Layout des Streams, Pre- und Postfolien sowie Pauseneinspieler. Eine Präsenzveranstaltung lässt sich nicht eins zu eins in eine virtuelle Produktion übertragen. Durch unsere Streamingerfahrung wissen wir, was umsetzbar ist und wo ggf. andere Lösungsansätze notwendig sind.

Welche Vorteile bietet die virtuelle Form gegenüber der physischen HV?

Der größte Vorteil einer virtuellen HV ist sicherlich, dass die Aktionäre von überall aus der Welt an der HV teilnehmen können. Die virtuelle Variante ist für Firmen mit vielen Aktionären außerdem kostengünstiger. Fragen müssen in der Regel bis zwei Tage vor der HV eingereicht werden. Das hat den Vorteil, dass die Firma sich auf die Antworten vorbereiten kann. Sie kann so auch abschätzen, wie lange die HV dauern wird. Den öffentlichen Teil der HV können wir mit unserer Technik zusätzlich auf der Webseite der Firma oder auf Social Media streamen. Dadurch wird ein weit größeres Publikum erreicht – das dürfte aus Marketingsicht sicher interessant sein.

Wo besteht hingegen noch Handlungsbedarf bzw. Verbesserungspotenzial?

Ich bin der Ansicht, dass die Rechte der Aktionäre gestärkt werden müssen, indem Letztere besser in die HV eingebunden werden. Das könnte z.B. über Wortmeldungen und Zuschaltungen von Aktionären während der virtuellen HV geschehen. Viele Firmen vermissen außerdem den direkten Kontakt zu ihren Aktionären – hier ist z.B. eine Videokonferenz am Rande der HV denkbar.

Was schätzen Sie, wohin der Trend für die Zukunft geht: virtuelle, physische oder hybride HV?

Durch den Lockdown mussten wir uns alle mit den digitalen Möglichkeiten im Arbeitsalltag befassen, Meetings und Kundentermine online organisieren. Nach Corona wird es sicher auch wieder physische Hauptversammlungen geben. Meiner Meinung nach muss man aber die Vorteile einer digitalen Übertragung sehen. So können Aktionäre ihr Aktionärsrecht von überall ausüben. Alle genannten Arten haben für die eine oder andere AG oder SE ihre Berechtigung. Der deutsche und europäische Gesetzgeber ist jetzt in der Pflicht, eine rechtliche Basis zu schaffen. Warum sollte eine HV nicht auch zukünftig ganz oder teilweise virtuell stattfinden können?

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen

Das Interview führte Svenja Liebig.

Dieses Interview erschien zuerst in unserem aktuellen E-Magazin. Das gesamte kostenlose E-Magazin finden sie hier