Getränk seit 1876 unverändert
Ein bisschen erinnert die Story ja an die Coca-Cola-Geschichte: Einsamer Tüftler kreiert geheimes Rezept, das auf immer und ewig im Tresor verschlossen bleibt und nur von Generation zu Generation in der Familie vererbt wird. Doch während die Brausefirma über Franchise und Börse schnell global expandierte, entschloss sich die Familie Verpoorten für die familiäre Variante. Der Eierlikör wird inzwischen in der fünften Generation unverändert nach dem von Unternehmensgründer Eugen Verpoorten entwickelten geheimen Familienrezept hergestellt. Etwa 50 Zutaten, vom immer frisch aufgeschlagenen Eigelb bis hin zu feinen Edeldestillaten, soll das Rezept umfassen. Das für den Eierlikör nicht benötigte Eiweiß wird bei Verpoorten aufgeschlagen und als Rohstoff an verschiedene Süßwaren-Hersteller verkauft.

Das Produkt ist letztlich auf eine Art sehr traditionell und hat stetig mit dem Image des Verstaubten zu kämpfen, Typ Kaffeekränzchen mit Häkeldecke und Nierentisch. Auf der anderen Seite ist es hochmodern, denn ohne Farb- und Aromastoffe, Verdickungsmittel, Konservierungsmittel, Laktose/Milchzucker und Gluten hat es vielen Modegetränken die Abwesenheit der zunehmend argwöhnisch beäugten Lebensmittelchemie voraus. Auf alle Fälle sticht Verpoorten als Marke aus der Riege erfolgreicher Familienunternehmen heraus, weil es früh auf umfängliche Werbung, vor allem im damals jungen Medium TV, gesetzt hat.

Das Gelbe vom Ei
Die Entstehungsgeschichte des Eierlikörs ist einigermaßen abenteuerlich und geht auf eine indianische Erfindung zurück. Demnach produzierten Ureinwohner am Amazonas ein alkoholisches Getränk auf Basis der Avocadofrucht. Die portugiesischen Kolonialherren importierten die Frucht nach Europa. Doch hier gedeiht die Frucht nicht so recht. Um dennoch einen guten Advocaat, der von Portugiesen und Holländern mit Rohrzucker und Rum verfeinert wurde, genießen zu können, ersann Eugen Verpoorten eine Alternative: Das optisch und geschmacklich ähnliche Gelbe vom Ei ersetzte das rahmgelbe Fruchtfleisch der Avocado.

Die Gründung des Unternehmens erfolgte 1876 durch Eugen Verpoorten in Heinsberg nahe Aachen. Die dritte Generation verlegte den Betrieb 1920 nach Berlin. 1936 erfolgte die Eröffnung eines Zweigbetriebs in Straubing. In Bayern startete das Unternehmen nach Kriegsende auch wieder, bevor 1952 der Grundstein für den neuen Hauptbetrieb in Bonn gelegt wurde. Dort wird unter ständiger Modernisierung des Maschinenparks bis heute produziert.

Bis zu 130.000 Flaschen pro Tag
Verpoorten beschäftigt heute rund 100 Mitarbeiter, und täglich können bis zu 130.000 Flaschen abgefüllt werden. Der Umsatz liegt nach Unternehmensangaben stabil bei rund 50 Mio. EUR. Gemessen an diesen Zahlen ist das Unternehmen überdurchschnittlich bekannt – Folge des für Familienunternehmen ungewöhnlich frühen Starts professionell konzipierter Werbung, die bereits 1955 begann und schnell ins Fernsehen führte. Der Slogan „Ei, ei, ei, Verpoorten, Verpoorten allerorten“ dürfte zu den bekanntesten Claims in der Bundesrepublik gehören. Er stammt aus dem Jahr 1961. Auch heute ist das Unternehmen in der Werbung sehr aktiv, wobei betont eine junge Zielgruppe angesprochen wird.

Wachstumsschritte leitete das Unternehmen 1970 mit der beginnenden Internationalisierung ein. Im benachbarten europäischen Ausland wurden Produktionsbetriebe lizenziert, zudem startete der Export von Flaschenware. Heute exportiert Verpoorten in etwa 30 Länder der Welt. Um neue Absatzmöglichkeiten zu schaffen, vergibt Verpoorten seit 1999 Lizenzen an Hersteller von Eiscreme, Tiefkühltorten und Schokolade, seit 2002 auch an Bäckereien. Passend dazu sind Rezept- und Backbücher erhältlich, bei der unter dem Motto „Mischen possible“ die Verwendung des Eierlikörs in neuen Kreationen gefördert wird. Diese Diversifizierung wird seitdem stetig ausgebaut, unter anderem durch Lizenzvereinbarungen etwa mit Jacobs oder Lebkuchenherstellern. So gibt es mittlerweile Verpoorten-Shots für verschiedene Kaffee-Spezialitäten.

Fazit
Verpoorten war immer ein reines Familienunternehmen und dürfte dies auch bleiben, denn die sechste Generation zur Fortführung der Geschäfte steht schon bereit. Die Anfrage des GoingPublic Magazins, ob denn ein IPO zumindest einmal theoretisch durchgespielt worden sei, blieb höflich unbeantwortet. Ganz offenbar liegt des Traditionsunternehmen nichts ferner, als fremdes Kapital in die Bilanz zu nehmen.

Stefan Preuß

Kurzprofil Verpoorten GmbH & Co. KG
Gründungsjahr: 1876
Branche: Beverages
Unternehmenssitz: Bonn
Mitarbeiter 2010: 100
Konzernumsatz 2010e: ca. 50 Mio. EUR
EBITDA: k.A.
Gewinn: k.A.
Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 12/2010.

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