Das Kerngeschäft, die Aufzucht und Schlachtung von Geflügel, führt immer wieder zu Protesten gegen die Massentierhaltung. Quelle: PHW-Gruppe LOHMANN & CO. AG

Mit einem Jahresumsatz 2011/12 von 2,34 Mrd. EUR zählt die PHW-Gruppe zu den größten Unternehmen in reinem Familienbesitz in Deutschland. Die Familie Wesjohann rangiert in den einschlägigen Listen der reichsten Deutschen meistens um den Rang 100 herum mit einem zugeschriebenen Vermögen von ca. 850 Mio. EUR. Bekannteste Marke der Gruppe ist das Geflügellabel „Wiesenhof“.

Erfolgsgeschichte aus kleinsten Anfängen
So eindrucksvoll die Erfolgsgeschichte und die unternehmerische Leistung sich auch ausnehmen – das Unternehmen befindet sich geradezu klassisch in der Defensive. Denn das Kerngeschäft, die Aufzucht und Schlachtung von Geflügel, führt immer wieder zu Protesten gegen die Massentierhaltung mit all ihren Begleiterscheinungen. Augenfällig wurde dies zuletzt während der Fanproteste beim Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen, dessen Brustsponsor Wiesenhof seit der aktuellen Saison ist.

Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1932 zurück, als Paul Wesjohann einen  Landhandel mit Brüterei und Heinz Lohmann die Deutsche Fischmehlfabrik in Cuxhaven gründete. Beide Unternehmen wuchsen getrennt voneinander. Die ersten Kontakte zwischen Heinz Lohmann und Paul Wesjohann datieren in die 60er-Jahre. Bald gründeten die beiden Unternehmer gemeinsam die Broiler-Brüterei in Rechterfeld. Bereits im ersten Geschäftsjahr wurde ein Umsatz von 20 Mio. DM erwirtschaftet.

Frühzeitige Diversifizierung der Geschäftsaktivitäten
Die Familienunternehmen Lohmann und Wesjohann expandierten in den Folgejahrzehnten kontinuierlich. Angrenzende Geschäftsfelder wie die Tierfutterproduktion, Impfstoffe für die Massentierhaltung und Nahrungsergänzungsmittel für Menschen wurden ebenso besetzt wie der Einstieg in die Produktion von Convenience-Fertigprodukten unter der Marke Allfein. Im April 1987 übernahmen die Brüder Paul-Heinz und Erich Wesjohann, Söhne des Formengründers, die Mehrheitsbeteiligung an der Lohmann & Co. AG in Cuxhaven. Es entstand die Firmengruppe Lohmann-Wesjohann, aus der 1998 die heutige PHW-Gruppe hervorging. Die Abkürzung steht für Paul-Heinz Wesjohann.

Umsatz binnen 10 Jahren mehr als verdoppelt
Die PHW-Gruppe erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz in Höhe von 2,34 Mrd. EUR. Mit 1,33 Mrd. EUR stellt das Geschäftsfeld Geflügelspezialitäten mit der Marke Wiesenhof  der umsatzstärkste Bereich. Der vorgelagerte Bereich „Aufzucht und Vermehrung“ trägt mit mehr als 160 Mio. EUR zum Gruppenumsatz bei. Das hauptsächlich in den Unternehmen Lohmann Animal Health (Cuxhaven), MEGA (Rechterfeld) und GePro (Diepholz) zusammengefasste Segment Tierernährung und Tiergesundheit steht für Umsatzerlöse von mehr als 550 Mio. EUR. Die Sparte Humanernährung und -gesundheit (Nutrilo GmbH Cuxhaven) sowie die beiden polnischen Auslandsbeteiligungen im Bereich Geflügelspezialitäten Drobimex und Bomadek erreichen knapp 200 Mio. EUR Jahresumsatz.

 Mit Investitionen das hohe Wachstumstempo abgesichert
Angaben über die Gewinnsituation macht das Unternehmen traditionell nicht. Mitgeteilt wird aber, dass in den vergangenen fünf Jahren mehr als 500 Mio. EUR investiert worden sind. Allein 125 Mio. EUR seien im Geschäftsjahr 2010/11 in die zur PHW-Gruppe gehörenden Schlachtereien und Verarbeitungsbetriebe geflossen. Tierfutterhersteller Mega hat im Juli 2011 im Hafengelände von Eberswalde das modernste Mischfutterwerk in Europa eingeweiht. Mit Schiffs- und Bahnanbindung verfügt das zwei Hektar große Areal über viele logistische Vorteile. Das neue Werk wird bis zu 300.000t Mischfutter produzieren. Das Investitionsvolumen lag bei 18,5 Mio. EUR. Im Jahr zuvor baute PHW die modernsten Putenschlachterei Europas in Wildeshausen, Lohmann Animal Health setzt seine Internationalisierung durch ein zweites Impfstoffwerk und neue Forschungskapazitäten fort, Nutrilo weihte ein neues Technikum ein, das Forschungs- und Produktionskapazitäten  erheblich vergrößerte und das Produktportfolio von Nahrungsergänzungsmitteln, Vitamin- und Mineralstoffmischungen um Lösungen für Pharmaprodukte erweitert.

Das alles hat PHW finanziert, ohne den Kapitalmarkt anzuzapfen. Das sei auch in Zukunft nicht geplant, auch nicht in Form einer Anleihe, ließ eine Sprecherin auf Anfrage wissen.

Abkehr von der Informationspolitik nach Gutsherrenart
Am Markt würde PHW wahrscheinlich gut aufgenommen, insbesondere im Bereich der Anleihen, in dem gerade Markenartikler geradezu begeistert nachgefragt werden. Mit Wiesenhof und Bruzzler verfügt PHW hier über bekannte Brands. Für einen Börsengang hätte PHW gute Argumente, denn die Marktstellung, die sinnvolle Erweiterung der Geschäftsaktivitäten und die Wachstumsaussichten scheinen absolut vielversprechend. Zumal mit dem aktuellen Vorstandsvorsitzenden Peter Wesjohann die Zeit der Informationspolitik nach Gutsherrenart beendet scheint. Das Unternehmen tritt zunehmend in den Dialog mit Kritikern, und selbst engagierte Tierschützer zollen dem Unternehmenschef immerhin Respekt, wie in einem umfänglichen Artikel der Wochenzeitschrift „Zeit“ unlängst zu lesen war.

Fazit
Die PHW-Gruppe wäre ein sehr veritabler Börsenkandidat. Unternehmen der Lebensmittelbranche gehören für viele Anleger zu den Kerninvestments. PHW ist in den vergangenen Jahren schneller als der Markt gewachsen, nun deutet sich durch die Internationalisierung, es werden derzeit die Vertriebswege in Asien ausgebaut, eine weitere Beschleunigung an. Allerdings deutet derzeit nichts darauf hin, dass PHW solchen Kapitalbedarf hätte, dass der Kapitalmarkt angezapft werden müsste. Oder wie es die Sprecherin formulierte: Es gebe „keine Bestrebungen, am Kapitalmarkt aktiv zu werden.

Stefan Preuß

 

Kurzprofil PHW-Gruppe LOHMANN & CO. AG:

Gründungsjahr: 1932

Branche: Nahrungsmittel

Unternehmenssitz: Visbek

Mitarbeiter: 5.500

Konzernumsatz 2011/12 (30.6.) : 2,34 Mrd. EUR

Gewinn: k.A.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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