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Die wesentlichen steuerrechtlichen Neuerungen, die Unternehmenstransaktionen in diesem Jahr beeinflussen könnten und grundsätzlich zu beachten wären, wirken sich hauptsächlich auf Pre-Closing-Umstrukturierungen aus. Im Kern führen diese Neuerungen erfreulicherweise für die Beratungspraxis zu mehr Rechtssicherheit und Gestaltungsspielraum; jedoch gilt es u.U. auch, gewisse Fallstricke zu erkennen und zu beachten. Ein kurzer Überblick.

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11.8.2021 (Az. I R 39/18) entschieden, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) keine eigenständige Nachspaltungsver­äußerungssperre darstellt und es damit auf die sogenannte 20%-Grenze ankommt.

Durch den Pre-Closing-Carve-out, also die Herauslösung von Unternehmens­teilen im Wege der Abspaltung vor einem Verkauf der Zielgesellschaft, seien, so der BFH in dem entschiedenen Fall, gerade nicht die Voraussetzungen für eine Veräußerung ­geschaffen worden, da die 20%-Wert­grenze des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG im vor­liegenden Fall nicht überschritten ­worden sei.

Somit ist eine steuerneutrale Über­tragung in Form der Abspaltung zu Buchwerten nach § 15 Abs. 1 UmwStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG nur dann unwirksam, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft veräußert werden, die mehr als 20% der vor der Wirksamkeit der ­Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen. Für die Frage, ob die Spaltung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4 ­UmwStG die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen hat, kommt es auf die Wert­relation der gemeinen Werte der Anteile zum steuerlichen Über­tragungsstichtag an.

Missbrauchsverdacht wird ­ausgeräumt

Das Urteil ist aus Beratersicht ausdrücklich zu begrüßen, da es Rechtssicherheit für Pre-Closing-Umstrukturierungen im ­Anwendungsbereich des § 15 UmwStG schafft. § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG bietet ­insoweit klar definierte Tatbestandsmerkmale. Durch deren Beachtung wird ver­hindert, dass Pre-Closing-Carve-outs stets einen allgemeinen Missbrauchsverdacht im Kontext von (geplanten) Transaktionen begründen. Auf die in der M&A-Praxis kaum zu handhabenden subjektiven Tat­bestandskomponenten kommt es daher ­erfreulicherweise insoweit nicht mehr an.

Es bleibt zu hoffen, dass die Finanz­verwaltung der Ansicht des BFH folgen und das Urteil zeitnah im BStBl. II ver­öffentlichen wird.

Auswirkungen des KöMoG auf Umstrukturierungen

Auch die durch das Gesetz zur Moder­nisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) erfolgten Neuregelungen, die zum 1.1.2022 in Kraft getreten sind, wirken sich grundsätzlich positiv auf Pre-Closing- sowie Post-Closing-Umstrukturierungen aus, da sie weiteren Gestaltungsspielraum schaffen. ­Jedoch sind insbesondere bei ­Verschmelzungen im Drittstaatenkontext und im ­Anwendungsbereich des sogenannten ­Optionsmodells bei Vorhandensein von Son­derbetriebsvermögen mit hohen stillen Reserven auch einige Fallstricke zu beachten.

Globalisierung des Umwandlungssteuergesetzes nur über Umwege

Fortan sind steuerneutrale Umstrukturierungen auch in Drittstaatenfällen möglich. Der vormals den Anwendungsbereich des UmwStG auf die EU/den EWR beschränkende § 1 Abs. 2 UmwStG wurde durch das KöMoG aufgehoben. Diese Änderung betrifft allerdings leider nicht die praxisrelevante ­Fallgruppe der Einbringung und des ­Anteilstauschs nach §§ 20 ff. UmwStG, die im Drittstaatenkontext weiterhin nicht zu Buchwerten möglich ist.

Konkret bedeutet dies, dass künftig weltweit alle Umwandlungen von Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, die einer inländischen Umwandlung i.S.d. UmwStG vergleichbar sind, in den Anwendungsbereich des UmwStG fallen, soweit das deutsche Besteuerungsrecht nicht ­beschränkt oder ausgeschlossen wird. ­Diese Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts ist grundsätzlich sehr zu ­begrüßen: Denn dadurch wird den Bedürfnissen international agierender Unternehmen, etwa mit Tochtergesellschaften ­außerhalb der EU bzw. des EWR-Raumes, deutlich entgegengekommen.

In der Beratungspraxis zu beachten ist jedoch, dass eine Verschmelzung beispielsweise einer US-amerikanischen ­Kapitalgesellschaft (z.B. in der Rechtsform einer Inc.) auf eine deutsche GmbH – wenn auch vom UmwStG nun ausdrücklich zugelassen – aus zivilrechtlicher bzw. gesellschaftsrechtlicher Sicht u.E. bislang nicht rechtssicher umsetzbar ist.

Beteiligungsfähig im Hinblick auf eine grenzüberschreitende Verschmelzung i.S.d. § 122b Umwandlungsgesetz (UmwG) sind nämlich nur solche Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat haben. Dieses Kriterium wird in der zivilrechtlichen Literatur recht streng ausgelegt und eine Beteiligungsfähigkeit von solchen Gesellschaften, die nach dem Recht eines Drittstaates gegründet wurden, verneint. Auch eine nachträgliche ­Sitzverlegung hilft hier bedauerlicherweise nicht weiter.

Die Streichung des § 1 Abs. 2 UmwStG dürfte somit – ohne Änderung des UmwG – für grenzüberschreitende Umwandlungen von oder auf Drittstaatengesellschaften praktisch leider weitestgehend ins Leere laufen, zumal eine Änderung der §§ 122a f. UmwG soweit ersichtlich in dieser Hinsicht aktuell wohl zunächst nicht – insbeson­dere nicht im Zuge des Gesetzes zur ­Modernisierung des Personengesellschafts­rechts (MoPeG) – geplant ist.

Als Alternativgestaltung bietet es sich in solchen Konstellationen aber ggf. an,
die Verschmelzung der Drittenstaatengesellschaft mittels einer ausländischen Vorratsgesellschaft über einen anderen EU-Staat zu vollziehen, dessen gesellschaftsrecht­liche Regelungen insoweit offener aus­gestaltet sind als die Regelungen des UmwG. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Vergleichbarkeit des auslän­dischen Verschmelzungsvorgangs zu einer deutschen Verschmelzung zwingend gegeben sein muss, um die Buchwertneutralität nicht zu gefährden. Erst in einem finalen Schritt kann sodann aus dem EU-Ausland heraus die Brücke zum deutschen UmwG und UmwStG geschlagen werden.

Sonderbetriebsvermögen als Gestaltungshindernis

Auch wenn die Einführung des sogenannten Optionsmodells nach § 1a Körperschaftsteuergesetz (KStG), d.h. – vereinfachend – die steuerliche Behandlung einer Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft, aus Beratersicht grundsätzlich zu begrüßen ist, hat das vor Ende der letzten ­Legislaturperiode mit besonderer Eile ­vorangetriebene Gesetzgebungsverfahren doch dazu geführt, dass die Neuregelung durchaus mit verschiedenen Fallstricken einhergeht, die es im Rahmen einer Entscheidung für eine Option zu beachten gilt.

Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven möglich

Als besonderes Problemfeld hat sich die Handhabung etwaigen Sonderbetriebsvermögens mit hohen stillen Reserven im Zuge der Option erwiesen. Relevanz hat dies insbesondere dann, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft beispielsweise ein Grundstück zur Nutzung überlässt. Soll dieses vor Ausübung der Option zu Buchwerten nach § 6 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) in das Gesamthandsver­mögen der später optierenden Gesellschaft übertragen werden, so führt die Ausübung der Option sodann dazu, dass die Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG greift und es zu einer Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven kommt.1

Wird das Grundstück vor Ausübung der Option auf eine eigens dafür gegründete Grundstücks GmbH & Co. KG zu Buchwerten übertragen, so kann diese Umstrukturierung im Lichte der Gesamtplanrechtsprechung in den Fokus der Finanzverwaltung geraten.2

Alternativ kommt eine Übertragung des Grundstücks im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Option in Betracht, wodurch eine Verklammerung der Übertragung und der Option zu einem einheitlichen Vorgang erfolgen soll.3 ­Jedoch stellt sich hier die Frage, wann ein solcher zeitlicher Zusammenhang (noch) gegeben ist und ob eine entsprechende ­Gestaltung von den Finanzgerichten akzeptiert werden wird.

Das Vorhandensein von Sonderbetriebs­vermögen mit hohen stillen Reserven kann somit ein Hindernis darstellen, wenn eine Option nach § 1a KStG in Betracht ­gezogen wird.

Keine Verlängerung der Rückwirkung im Umwandlungssteuerrecht mehr

Zu berücksichtigen ist im Rahmen von ­Unternehmenstransaktionen zudem, dass im Jahr 2022 nun erstmals Pre-Closing-­Umstrukturierungen wieder lediglich bis zum 31. August 2022 – und nicht bis zum 31. Dezember 2022 – auf acht Monate, d.h. i.d.R. den 31. Dezember 2021, zurück­bezogen werden können. Während die ­Erleichterungen für Haupt- und Mitgliederversammlungen etc. nochmalig bis zum 31.8.2022 verlängert wurden, hat der Gesetz­geber von einer erneuten Frist­ver­länge­rung betreffend das UmwG bzw. UmwStG im Zuge des bereits im September 2021 ­geänderten Gesetzes über diverse Maßnahmen in verschiedenen Rechtsbereichen zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) abgesehen.

Fazit

Während es im Hinblick auf die neue Rechtsprechung zur Nachspaltungsveräußerungssperre des § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 UmwStG nur noch abzuwarten bleibt, ob die Finanzverwaltung sich der Ansicht des BFH anschließen wird, dürfte insbeson­dere im Anwendungsbereich des KöMoG mit weiteren Folgeänderungen – vielleicht sogar bereits im Laufe des Jahres 2022 – zu rechnen sein. Ein gesetzgeberisches ­Handeln wäre insbesondere im Anwendungsbereich des UmwG wünschenswert, um zu gewährleisten, dass die seit Langem geforderte Öffnung des UmwStG für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug nun nicht mehr oder weniger wirkungslos verpufft. Zudem besteht im Anwendungsbereich des § 1a KStG ebenfalls an etlichen Stellen – insbesondere auch im Hinblick auf die Handhabung von Sonderbetriebsver­mögen – dringend Handlungsbedarf, damit auch hier nicht das gesetzgeberische Ziel weitestgehend konterkariert wird.

https://www.bakertilly.de/index.html

Autor/Autorin

Dr. Christiane Krüger

Dr. Christiane Krüger, LL.M. ist Rechts­an­wältin/Steuerberaterin bei Baker Tilly Steuer­beratungsgesellschaft mbH & Co. KG und spezialisiert auf Transaktionssteuerrecht und Konzernsteuerrecht.

Christian Wegener

Christian Wegener ist Partner/Steuer­berater bei Baker Tilly Steuerberatungs­gesellschaft mbH & Co. KG. Er ist spe­zialisiert auf Trans­aktionssteuerrecht, Konzern­steuerrecht sowie internationales Steuerrecht, insbesondere auf die steuerrechtliche Beratung bei Transaktionen sowie die dazugehörigen vertraglichen Gestal­tungen und Verhandlungen und
die steuerliche Beratung bei W&I-Versicherungen.