Im Jahr 2002 wurde der sog. Squeeze-out im deutschen Recht verankert. Hierbei handelt es sich um das zwangsweise Ausscheiden von Minderheitsaktionären aus einer AG gegen Gewährung einer Abfindung. Häufig werden Squeeze-out-Entscheidungen zum Gegenstand von Gerichtsverfahren gemacht. Dabei ist festzustellen, dass Spruchverfahren, bei denen die Angemessenheit der zu gewährenden Abfindung überprüft wird, gegenüber der materiellen Beschlusskontrolle deutlich überwiegen. Aus der gerichtlichen Überprüfung der Abfindung erwachsen nicht selten erhebliche wirtschaftliche Risiken.

Michael Schwartzkopff und Axel Hoppe, LLR Legerlotz Laschet
Michael Schwartzkopff und Axel Hoppe, LLR Legerlotz Laschet

Arten des Squeeze-out
Das deutsche Recht kennt drei Arten des Squeeze-out: Nach § 327a AktG kann die HV einer AG oder KGaA auf Verlangen des Hauptaktionärs, dem 95% des Grundkapitals gehören, die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer Barabfindung beschließen. § 39a WpÜG sieht vor, dass dem Bieter nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot auf Antrag die übrigen Aktien gegen Gewährung einer Abfindung durch Gerichtsbeschluss zu übertragen sind, wenn ihm mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals gehören. Gem. § 62 Abs. 5 UmwG kann die HV der übertragenden AG innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Verschmelzungsvertrages einen Beschluss nach § 327a AktG fassen, wenn der übernehmenden Gesellschaft 90% des Grundkapitals gehören.

Höhe der Abfindung
Stets ist bei einem Squeeze-out den Minderheitsaktionären vom Hauptaktionär eine angemessene Abfindung zu gewähren. Die Abfindung bestimmt sich nach dem Unternehmenswert. Wie der Unternehmenswert zu ermitteln ist, ist gesetzlich nicht festgelegt. Rechtsprechung und Literatur gehen davon aus, dass die Wertermittlung nach marktüblicher Bewertungspraxis zu erfolgen hat. Daher wird der Wert in der Praxis nach IDW-Standards ermittelt und es kommt ein Ertragswertverfahren zur Anwendung. Maßgebliche Parameter sind die Unternehmensplanung, aus der sich die zu erwartenden künftigen Ergebnisse ableiten lassen, der Kapitalisierungszinssatz und ggf. der Börsenkurs.

Der ermittelte Unternehmenswert kann im Spruchverfahren von den Minderheitsaktionären zur Überprüfung gestellt werden. Gerade erwartete künftige Ergebnisse eröffnen eine Vielzahl von Einwendungen, da Planungen weitgehend von unternehmerischen Überlegungen und Annahmen abhängen. Kaum einem Planungsansatz kann nicht mit guten Gründen widersprochen werden. Es eröffnet sich ein weites Diskussionsfeld, das dazu führt, dass Spruchverfahren in aller Regel eine außerordentliche Länge erreichen. Da das Gericht eine Überprüfung nicht selbst vornehmen kann, bedient es sich hierzu in aller Regel der Expertise von Gutachtern. Nicht selten wird sogar eine Mehrzahl von Gutachtern beschäftigt. Bezeichnend für die Problematik bei der Überprüfung der Bewertungen ist folgende Einschätzung des OLG Stuttgart (Beschl. v. 24.07.2013, 20 W 2/12): „Bei der gerichtlichen Überprüfung der in der Unternehmensplanung angesetzten Erträge […] ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich nur um Schätzungen handelt, die auf Prognosen über künftige Entwicklungen gründen, von denen es nicht nur eine richtige gibt und die im seltensten Fall auch so wie vorhergesagt eintreffen.“

Liegen Börsenkurse vor, bildet der nach Umsätzen gewichtete Durchschnittskurs der Aktien während einer dreimonatigen Referenzperiode, die nach inzwischen wohl einhelliger Ansicht am Tag der erstmaligen Bekanntmachung des Vorhabens endet, die Untergrenze der Abfindung. Vielfach wird das Ende der Referenzperiode der Zeitpunkt einer Bekanntmachung nach § 15 WpHG oder der Einberufung einer HV bilden. Dagegen endet der Referenzzeitraum nicht in dem Zeitpunkt, in dem eine Bekanntmachung bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hätte erfolgen müssen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2013, 20 W 2/12). Entscheidend ist, dass aussagekräftige Kurse vorliegen, die nicht etwa infolge Marktenge (vgl. § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebVO) verfälscht sind (zum Vorliegen einer Marktenge LG Frankenthal, Beschl. v. 13.08.2013, 2 HKO 120/10 AktG). Als Untergrenze der Abfindung kommen auch im Freiverkehr ermittelte Aktienkurse in Betracht.

Folgen einer zu niedrig bemessenen Abfindung
Erachtet das Gericht die Abfindung als zu niedrig, setzt es eine angemessene Kompensation fest. Die gerichtliche Festlegung gilt für alle ausgeschlossenen Aktionäre, also nicht nur für diejenigen, die ein Spruchverfahren angestrengt haben. Einigen sich bis auf einen alle Beteiligten eines Spruchverfahrens vergleichsweise auf die Abfindungshöhe, kann das Gericht nicht den Einigungsbetrag für den weiteren Beteiligten als Abfindung festsetzen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.08.2013, I- 26 W 17/12 (AktE)). Der Abfindungsbetrag ist mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§ 327b Abs. 2 Satz 2 AktG). Da regelmäßig mehrere Parteien beteiligt sind und wegen des vorbeschriebenen komplexen Bewertungsverfahrens dauern Spruchverfahren nicht selten über ein Jahrzehnt. Da für die gesamte Zeit die Abfindung zu verzinsen ist, kann sich eine erhebliche nachträgliche Belastung des Hauptaktionärs ergeben. Zu bedenken ist auch, dass die Hürde für die Einleitung des Spruchverfahrens eher niedrig ist. So ist in dem am 01.08.2013 in Kraft getretenen § 23 Nr. 14 GNotKG geregelt, dass in den Verfahren nach dem SpruchG der Antragsgegner, also der Hauptaktionär, Kostenschuldner ist, es sei denn, das Gericht legt den Antragstellern ganz oder zum Teil die Kosten auf, was aber nur erfolgen darf, wenn dies „der Billigkeit entspricht“. Bereits aus diesem Regelausnahmeverhältnis wird deutlich, dass der Gesetzgeber Minderheitsaktionären die Einleitung von Spruchverfahren erleichtern und sie grundsätzlich von den Kosten freistellen will.

Abfindung im Anwendungsbereich des § 39a WpÜG
Abweichend von den vorgenannten Grundsätzen ist gem. § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG die im Rahmen des Angebots gewährte Gegenleistung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter aufgrund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Die Bewertung als „angemessen“ ergibt sich in diesen Fällen also daraus, dass 90% der vom Angebot angesprochenen Aktionäre dieses angenommen haben und das Angebot den sog. Markttest bestanden hat. Alsdann erfolgt keine Ermittlung des Unternehmenswerts nach dem Ertragswertverfahren. Da die Übertragung der Aktien in den Fällen des § 39a WpÜG durch Gerichtsbeschluss erfolgt, kann kein Spruchverfahren angestrengt werden.

Fazit
Die Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung erfolgt beim Squeeze-out nach § 327a AktG sowie beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out im Spruchverfahren. Da sich Spruchverfahren nicht selten über ein Jahrzehnt hinaus hinziehen, kann sich auch aufgrund der Verzinsung eine erhebliche nachträgliche Belastung des Hauptaktionärs ergeben, wenn die ursprüngliche Abfindung als zu niedrig befunden wird. Diesem Aspekt sollte bei der Festlegung der beim Ausschluss angebotenen Abfindung Rechnung getragen werden. Zudem wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber Schritte unternimmt, um die Dauer von Spruchverfahren künftig zu verringern.

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