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Die Beteiligung der Beschäftigten gehört zur DNA eines Technologiekonzerns wie
Siemens. Das Unternehmen verändert sich, und mit ihm die Incentivierung der Mitarbeitenden – auch und gerade bei Spin-offs wie Siemens Energy.

Digitalisierung, Klimaneutralität, Big Data, Artificial Intelligence sowie viele weitere Trends und Technologien verändern die Gesellschaft, die Unternehmen und die ­Arbeitswelt. Global agierende Player wie die Siemens AG stehen nicht nur im Wettbewerb mit anderen etablierten Unternehmen – vor allem innova­tive­ Gründer und ambitionierte Start-ups treiben den Wandel voran. 2022 feiert der 1847 gegründete Konzern das 175-jährige Bestehen. Jubilare werden gerne nach den Geheimnissen hinter deren biblischem Alter gefragt – bei Siemens liegt die Antwort auf der Hand: Technologische Entwicklungen werden agil aufgegriffen und entscheidend mitgeprägt.

Die Mitarbeiterbeteiligung bei Siemens Energy umfassst zahlreiche Themenfelder, die nach dem Spin-off vom Mutterkonzern punktgenau und differenziert adressiert werden können; Quelle: Siemens Energy, 2021

Zu dieser Logik gehört auch die Strategie, den Wandel aktiv in der ­gesellschaftsrechtlichen Verfassung darzustellen und stark wachsende ­Geschäftsfelder mit Ausgründungen zu adressieren. Der Erfolg am Kapitalmarkt gibt Siemens recht. Infineon machte als Spin-off den Anfang; es ­folgten Osram, die Healthineers und zuletzt Siemens Energy. Neben der ­Kapitalmarktlogik der fokussierten ­Unternehmen steht hinter den Entscheidungen auch der Wille, den Wandel der Geschäftsmodelle möglichst agil abzubilden und in den Zeiten der Transformation den unausweichlichen Wandel bestmöglich zu organisieren. „Dafür benötigen wir die besten Talente­ in zahlreichen Bereichen“, formuliert Marc Muntermann, Head of Global Compensation & Benefits bei Siemens Energy.

Pay4Performance-Kultur aufbauen

Diese möchten die Siemens AG und ­alle Mitbewerber natürlich auch gewinnen. Durch die Abspaltung vom Mutterkonzern eröffnen sich für ­Siemens Energy aber neue Möglichkeiten, auf die speziellen Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter im Sinne der Bindung und auf zukünftige Mitarbeiter im Sinne der Gewinnung einzugehen. Siemens AG – das bedeutet nach Spin-off 303.000 Mitarbeiter, eine lange Tradition der Beteiligung mit ausgeprägter Eigentümer­kultur, aber auch Heterogenität, viele lokale Prozesse und verschiedenste Tools der Mitarbeiterbeteiligung. Mit rund 91.000 Beschäftigten ist die ­Belegschaft von Siemens Energy im Vergleich zum Mutterkonzern zwar deutlich kleiner, jedoch lässt dies auch mehr Spielraum für Harmonisierung und eine klare Ausrichtung auf das Energiegeschäft: „Mit der Digitalisierung und Harmonisierung der Verwaltung der Incentives wollen wir eine durchgehende Kultur schaffen, die ­attraktive Vergütung optimal ausgestaltet und sich gleichzeitig effizient umsetzen lässt“, definiert Muntermann die Richtung. „Bei Siemens Energy ­wollen wir eine Pay4­Perfor­mance-­Kultur etablieren, die einen starken ­Fokus auf die wirtschaftliche Leistung legt, aber auch die individuelle­ Performance belohnt.“

Ab dem Geschäftsjahr 2022 werden sich diese Aspekte noch stärker in den Vergütungselementen widerspiegeln, insbesondere durch die Einführung ­eines individuellen Multiplikators beim Annual Incentive. Der techno­logische Wandel – Siemens Energy will bis 2030 klimaneutral sein – wird die Entwicklung des Unternehmens maßgeblich bestimmen und muss daher auch in der Human-Resources- sowie der Vergütungsstrategie berücksichtigt werden. „Wir müssen als Organisation umdenken und Dinge anders hand­haben, um uns auf unseren klaren ­Fokus­ auszurichten, die Erzeugung und die Übertragung von Energie“, so Muntermann.

Mit der Vorbereitung der Ausgründung wurde daher damit begonnen, ­eine passende Beteiligungs- und Incentivierungsstrategie zu entwickeln. Das bedeutet unter anderem die Weiterbildung der HR-Mitarbeitenden, da zahlreiche alte Tools bei Siemens Energy nicht mehr genutzt werden. Stattdessen kommt brandneu Coin (Compensation Insights) zum Einsatz. „Coin – das ist unsere neue innovative IT-Plattform für alle aktuellen und zukünftigen ­Vergütungsthemen“, erläutert der Manager.

Attraktive Vergütung: ein Schlüssel zum Erfolg

„Wir müssen angemessen und attraktiv vergüten, da wir die besten Talente brauchen“, benennt Muntermann den Grundanspruch. Das soll durch den Pay4Performance-Ansatz gelingen, bei dem sich individuelle Vergütung für Leistung widerspiegelt, gepaart mit ­einer starken Mitarbeiterbeteiligung. Siemens Energy hat dafür die Aktienkultur von Siemens übernommen. ­„Aktienprogramme als fundamentale Bestandteile der Vergütungssyste­matik sind dabei gleichsam gesetzt“, betont Muntermann. Denn: „Eine gelingende Transformation wird sich im ­Aktienkurs niederschlagen, und daran sollen alle Mitarbeiter, die den entscheidenden Anteil am Erfolg haben, partizipieren.“

Jährliche Taktung für Festlegung des Bonus

Berechtigte Mitarbeiter können bis zu 5% ihres Total Target Cash in das DMP investieren. Das Programm ist in Deutschland aufgrund der dort geltenden steuerlichen Rahmenbedingungen etwas anders ausgestaltet als im Rest der Welt, da hier bspw. ein Steuerfreibetrag in Höhe von 1.440 EUR für die Matching-Aktien gilt. *TTC = Jahresgrundgehalt + Zielbetrag Bonus (falls zutreffend); Quelle: Siemens Energy, 2021

Grundsätzlich verfolgt Siemens Energy eine langfristige Incentive-Strategie, weil Mitarbeitende natürlich auch langfristig gehalten werden sollen. Gleichzeitig soll sich die Beteiligung eng an der Performance von Siemens Energy orientieren. Dafür wurden unternehmensweit, aber differenzierend auch für einzelne Segmente spezifische Ziele definiert. „Neu ist die Möglichkeit, die Performance in den Teams zu differenzieren, dafür gibt es einen Multiplikationsfaktor zwischen 0,8 und 1,2“, erklärt der Vergütungsspezialist. Der Prozess zur Anpassung der Vergütungspakete findet einmal jährlich über die Coin-Plattform statt. Dabei haben die Führungskräfte die Möglichkeit, das Grundgehalt anzupassen und die Zuteilung der Aktienpakete festzulegen. Als Vorteil benennt Muntermann, dass Führungskräfte die Budgets optimal allokieren können. Der HR-Bereich könne über die Plattform zudem Vorschläge unterbreiten, um zu höchstmöglicher ­Gerechtigkeit bei der Vergütung zu ­gelangen.

Aktienprogramme mit ratierlichem Vesting

Senior Manager, die nicht für die perfor­manceorientierten Pläne von Siemens Energy berechtigt sind, sowie­ weitere ausgewählte Mitarbeiter erhal­ten Aktien mit ratierlichem Vesting. Diese berechtigen die Empfänger über einen Zeitraum von vier Jahren zum kostenlosen Bezug von Siemens-­Energy-Aktien in Höhe von 25% der ­ursprünglichen Zuteilung pro Jahr – es wird also jährlich zugeteilt und nicht wie bisher erst am Ende der Vesting-(das heißt Anwartschafts-)Periode. Diese Zuteilungen sind nicht an die ­Erreichung von Kennzahlen geknüpft.

Eine weitere Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung bietet das Direct Match Program. Mitarbeitende können per Gehaltsumwandlung jeweils am Jahresanfang Aktien kaufen und erhalten für je drei gekaufte Aktien von ­Siemens Energy eine vierte dazu. Auf alle Aktien gilt eine Sperrfrist von zwölf Monaten. Dadurch erreicht das Unternehmen, dass Mitarbeiter Aktionäre werden. Das ist das klassische Angebot, wie es auch von etlichen Tarifmitarbeitenden genutzt wird. Die Bindung an das Unternehmen durch Matching-­Programme ist wissenschaftlich nachgewiesen.

Bindung auch durch „Employee Spin-off Incentive Program“

Besondere Leistungen der Mitarbeitenden und die Herausforderungen während des Abspaltungsprozesses vom Mutterkonzern honoriert Siemens Energy über das „Employee Spin-off ­Incentive Program“. Alle Mitarbeitenden können kostenlose Stock Awards in Höhe von 3% ihres Jahreszieleinkommens erhalten. Die Zahl der zu übertragenden Aktien kann bis auf das Doppelte (in Deutschland) beziehungsweise­ auf das Dreifache (in allen anderen Ländern) anwachsen. Ob und wie viele Aktien man am Ende der Sperrfrist erhält, ist letztlich jedoch abhängig von der Entwicklung des Aktienkurses während der Sperrfrist. Laut Muntermann haben die Beschäftigten dieses Angebot zu fast 90% über alle Länder angenommen, was mit hohem Vertrauen und Zuversicht für die Unternehmenszukunft gleichzusetzen sei.

FAZIT

Die Spin-offs der Siemens AG erlangen durch die Ausgliederung vom Mutterkonzern nicht nur operative Frei­heiten: Vielmehr ergeben sich auch Spielräume bei der Incentivierung der Mitarbeiter. Diese werden bei ­Siemens Energy konsequent und strategisch ­genutzt.

KURZPROFIL

Siemens Energy AG

Gründungsjahr: 2020 (durch Spin-off)
Branche: Technologie, Energie­erzeugung und -übertragung
Unternehmenssitz: München
Umsatz 2021: 28,5 Mrd. EUR
Mitarbeiterzahl: 91.000
ISINDE000ENER6Y0
Börsenwert 16,2 Mrd. EUR (Stand: 13.12.2021)
www.siemens-energy.com/de

 


Der Beitrag ist Teil des Spezials „Mitarbeiterbeteiligung 2021“.

 

Autor/Autorin

Stefan Preuss

Stefan Preuß ist Mitglied der GoingPublic Redaktion.