Was gilt es zu beachten, wenn ich als Firma eigentlich gar nichts für die „Krise“ kann. Zum Beispiel beim Thema Mittelstandsanleihen: Hier ist ja zum Teil die ganze Branche in Verruf geraten und trifft auch solide Unternehmen…
Dass hohe Renditen meistens auch mit hohen Risiken einhergehen, mussten viele Anleger schmerzhaft erfahren. Viele Risiken wurden nicht richtig bewertet, bzw. von Anlegern falsch eingeschätzt. In der Finanzmarktkrise waren ganze Asset-Klassen nicht mehr zu vermitteln. Um einen solchen Trend umzukehren, muss erst eine große Anzahl von Marktteilnehmern den Nachweis erbringen, dass das Misstrauen unbegründet ist. Der einzelne Emittent kann nur mit maximaler Transparenz, validen Prognosen und guten Ergebnissen überzeugen.

Welchen Einfluss hat die zunehmende Digitalisierung der letzten Jahre auf Krisensituationen?
Die Verfügbarkeit von Informationen und die Geschwindigkeit ihrer Verbreitung sorgen für viel mehr Transparenz. Das hat auch die Wahrnehmung des sprunghaften Anstiegs von Skandalen erhöht. Hinzu kommt, dass sich über Twitter oder Facebook nahezu jeder an der Diskussion beteiligen kann. Digitaler Journalismus beinhaltet auch die aktive Einbindung von Lesern, die schnell zum Insider-Reporter reifen können und auf Plattformen ihr Wissen und Dokumente hochladen. All diese Aspekte haben die potenziellen Auswirkungen von Krisensituationen für Unternehmen nochmal auf ein anderes Niveau gehoben. Für Unternehmen ist es eine enorme Herausforderung, hier Schritt zu halten.

Was tue ich, wenn ein „Shitstorm“ im Netz über mich her fällt?
Zunächst: Zehn negative Posts sind noch kein Shitstorm. Hier gilt es, gut zu analysieren, ob sich eine Negativdiskussion zu Boykott-Aufrufen oder sogar hasserfüllten Beschimpfungen hochschaukelt – oder eben nicht. Im Netz wird das Verhalten der Akteure häufig noch kritischer und enthemmter beurteilt, darauf muss sensibel geachtet werden. Sprich: die Community ernst nehmen, Regeln einhalten und Verantwortung einräumen. Wenn ich das erfolgreich mache, gelingt es mir, den Druck herauszunehmen, die erste Aufregung kann sich etwas legen. Dann habe ich die Chance, wieder gezielter und geordneter zu kommunizieren. Vielleicht auf einer eigens eingerichteten Plattform.

Kurz zusammengefasst: Was tun beim Super-GAU, z.B. wenn die Ölplattform vor der US-Westküste in Flammen aufgeht oder der Vorstand Manipulationen einräumen muss. Was wäre Best Practice?
Wichtig ist vor allem Präsenz zu zeigen und nicht abzutauchen. Das strahlt eine hohe Symbolik aus und macht deutlich: Wir kümmern uns um das Problem. Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, dass wichtige Ansprechpartner in Krisensituationen nicht erreichbar sind. Die Kommunikationsabteilungen sollten darauf achten, dass die Tür zum Top-Management nicht verschlossen wird. Ihm kommt in der Krise eine noch wichtigere Rolle zu. Zudem hilft es natürlich, wenn relevante Zahlen und Fakten schnell zur Verfügung stehen. Und nochmal: eigene Fehler so schnell wie möglich zugeben. Wenn ich das beherzige, habe ich den ersten Schritt getan, dass mir wieder zugehört wird.

GoingPublic: Herr von Manikowsky, vielen Dank für das überaus spannende Gespräch

Das Interview führte Svenja Liebig

Dirk von Manikowsky ist Managing Director im Düsseldorfer Büro von Hering Schuppener. Er berät Unternehmen und Organisationen, die sich in herausfordernden Krisen- und Veränderungssituationen befinden. Schwerpunkte bilden dabei die kommunikative Begleitung straf- oder zivilrechtlicher Auseinandersetzungen sowie Compliance-Themen. Bis 2011 leitete er die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. und fungierte sechs Jahre als Pressesprecher der Gruppe in Köln und Luxemburg.

 Das Interview erschien zuerst in der Juni-Ausgabe des GoingPublic Magazins. 

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