Bildnachweis: Wiener Börse.

Dies ist nur eines der Anliegen von OeKB-Vorstandsmitglied Mag. Angelika Sommer-Hemetsberger, ihres Zeichens auch u.a. im Aufsichtsrat der Wiener Börse. Am österreichischen Börsenplatz wurde bereits einiges in die Tat umgesetzt – trotzdem bleibt noch viel zu tun.

GoingPublic: Frau Sommer-Hemetsberger, mindestens gleich zwei Jubiläen heuer: Die Wiener Börse feiert 250-jähriges Jubiläum, die OeKB 75-jähriges. Wie verknüpft sind diese beiden Jubiläen miteinander und welche Meilensteine würden Sie herausheben?

Sommer-Hemetsberger: Uns vereint nicht nur ein Jubiläum, sondern auch eine jahrzehntelange, sehr enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit. 1949 wurde die OeKB Abwicklungsstelle der Wiener Börse und führte das Emissionskonsortium der ersten Staatsanleihe nach dem Krieg an. Und 2004 haben wir zusammen die CCP.A gegründet, die seither als zentrale Counterparty in Österreich agiert. Als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats bin ich der Wiener Börse auch persönlich professionell eng verbunden.

An Krypto-Assets scheint heute und künftig kein Weg mehr vorbeizuführen. Sind Sie auch in diesem Bereich unterwegs bzw. für die Zukunft vorbereitet, Stichwort digitale Sammelurkunde, Einsatz von Blockchains etc.?

Mit dem Thema Blockchain beschäftigen wir uns schon länger. So setzen wir diese Technologie seit Oktober 2018 für die ­Datennotarisierung bei der Begebung von Bundesanleihen ein, als zusätzliche ­Sicherheitsebene. Und aktuell ist die OeKB CSD an einem Forschungsprojekt mit der OeNB, OeBFA, RBI und Erste Group Bank AG beteiligt: Die Delivery vs. Payment Hybrid Initiative (DELPHI) ­erforscht in einer Simulation die ­Begebung und Abwicklung einer österreichischen Bundesanleihe als Security Token auf ­einer Blockchain.

Bei IPOs ging dieses Jahr in Österreich nicht sonderlich viel – obwohl auch der ATX jetzt ein neues Allzeithoch erreichte. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach?

Gerade das Einstiegssegment der Wiener Börse erfuhr heuer regen Zulauf. 2019 ­gestartet, werden der direct market und direct market plus mittlerweile von über 30 Unternehmen genutzt. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Fremdkapitalfinanzierung in Österreich eine lange Tradition hat – ein Verdienst der großartigen und stabilen Bankenlandschaft. Um den heimischen Standort zukunftsfit zu halten und jene Innovationen zu finanzieren, die der Klimawandel und die Digitalisierung fordern, ist Eigenkapital nötig. Bei den Jungunternehmen, von Start-ups bis Scale-ups, tut sich hierzulande aktuell einiges. Wir werden bestimmt in Zukunft Exits aus diesem Bereich sehen.

… Dafür gibt es schon jetzt Rekorde im Bereich Anleihen. Haben Sie eine gute Erklärung?

Daran erkennt man, dass die heimische ­Infrastruktur sehr wettbewerbsfähig und international vernetzt ist. Der Großteil dieser Anleihenlistings am Vienna MTF stammt von internationalen Emittenten – und zwar war quer durch alle Branchen, Finanzinstitute und Unternehmen. Besonders das Thema ESG-Anleihen ist im ­Kommen. Die Wiener Börse hat sich hier mit einer hohen Servicequalität behauptet und als europäischer Bond-Listingplatz etabliert.

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Gibt es eigentlich heuer noch so etwas wie „technische Innovationen“ im Bereich Finanzsektor oder Kapitalmärkte?

Dazu will ich zunächst grundsätzlich ­sagen, dass die Finanzmarktinfrastruktur in Österreich State of the Art, enorm ­krisenresistent und ausfallsicher ist – das haben sowohl die Finanzkrise 2008 als auch Corona gezeigt. Beim schon erwähnten Forschungsprojekt DELPHI werden die technische Machbarkeit und wirtschaft­liche Sinnhaftigkeit bis Jahresende ­geprüft. Eine weitere Innovation wird mit der Depotgesetznovelle 2021 möglich: Der § 24 des Depotgesetzes führt die digitale Sammelurkunde als eine gleichwertige Form der Realisierung der Sammelverwahrung ein, zunächst für Anleihen und nicht für Aktien, weil bei Letzteren auch im Gesellschaftsrecht Eingriffe nötig wären. Die OeKB CSD schafft gegenwärtig im Rahmen eines IT-Projekts die organisa­torischen und technischen Möglichkeiten, um die durch den Gesetzgeber nun eröffneten Möglichkeiten zu realisieren.

Sie selbst sind auch Mitglied einer Task Force der Industriellenvereinigung. Was ist deren Anliegen?

Wir haben eine Kapitalmarkt- und Unternehmensfinanzierungsstrategie entwickelt, die auf drei Säulen aufbaut: „Neudenken der Unternehmensfinanzierung – Finanzierungspalette verbreitern“, „Erleichterte regulatorische Anforderungen an den ­Kapitalmarkt“ sowie „Private und betriebliche Altersvorsorge weiterentwickeln“. Wir brauchen gerade jetzt attraktive ­Rahmenbedingungen, etwa durch steuerliche Anreize bei Kapitalerträgen oder ­einen stärkeren Fokus auf Wirtschafts- und Finanzbildung. Das Thema Eigen­kapital hat durch Corona massiv an ­Bedeutung gewonnen. Daher muss das ­Finanzierungsangebot für österreichische Unternehmen weiter verbessert und der heimische Kapitalmarkt verstärkt als ­Finanzierungsmöglichkeit wahrgenommen werden.

Die Task Force hat ein Forderungspapier formuliert. An wen richtet sich das konkret und wen sehen Sie da „in der Bringschuld“?

Uns geht es einerseits darum, das ­Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen. Andererseits möchten wir den Wert und Nutzen eines starken Kapitalmarkts auch der Politik sichtbar machen – denn gerade die Volksvertretung ist gefordert, ein positives Umfeld durch Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen, um heimisches Kapital zu aktivieren sowie internationales Kapital anzuziehen und so dem Kapitalmarkt im Gesamten zu einer Stärkung zu verhelfen. Und auch im Bildungsbereich gibt es noch viel zu tun. Konkret müssten Lehrmaterialien überarbeitet und mit finanzrelevanten Inhalten ange­reichert werden. Insgesamt schlagen wir vor, Wirtschafts- und Finanzbildung in den Schullehrplänen bereits ab Unterstufe oder Mittelschule stärker zu verankern.

Frau Sommer-Hemetsberger, ganz herz­lichen Dank an Sie, dass Sie uns kurzfristig Rede und Antwort gestanden haben!

Autor/Autorin

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide (www.bondguide.de)