Bernhard Orlik, Geschäftsführer, Haubrok Corporate Events
Bernhard Orlik, Geschäftsführer, Haubrok Corporate Events

Was bei Hauptversammlungen nach wie vor vernachlässigt wird, sind die vom Versammlungsleiter durchaus zu beachtenden umfangreichen Prüfungspflichten. 

Prüfungshandlungen – warum?

Das Aktiengesetz sieht in keiner Norm „expressis verbis“ die Verpflichtung zu Prüfungshandlungen des Versammlungsleiters vor. Vielmehr werden diese aus zwei Paragraphen abgeleitet.

So verlangt § 129 Abs. 1 AktG von der Gesellschaft – vertreten durch den Vorstand – ein Teilnehmerverzeichnis für die Hauptversammlung aufzustellen. Als Teilnehmer zählt dabei der Aktionär, der sich ordnungs- und fristgemäß bei der Gesellschaft bzw. bei der in der Einberufung genannten Anschrift angemeldet hat. Die aus diesen Anmeldungen resultierende Liste bildet dann die Basis des Teilnehmerverzeichnisses. Teilnehmer können dabei auch durch Bevollmächtigte vertreten sein.

Prüfungspflicht: Teilnehmerverzeichnis

Nun ist der Versammlungsleiter für die aus dem Teilnehmerverzeichnis abgeleitete Präsenz zuständig. Somit hat er sich vor Eröffnung der Versammlung davon zu überzeugen, dass die notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen wurden, um das Teilnehmerverzeichnis ordnungsgemäß zu führen.

Folgenden Sachverhalt gilt es dabei zu überprüfen: In das Teilnehmerverzeichnis aufgenommen werden dürfen nur korrekt angemeldete und vertretene Aktien, die ausnahmslos zu gültigen Stimmen führen. Somit ist zunächst zu prüfen, ob die Anmeldungen der Aktionäre fristgerecht der Gesellschaft zugegangen sind und die erforderlichen Besitz- und Identitätsnachweise nach Recht und Satzung erbracht wurden. Beispielsweise ist bei Inhaberaktien sicherzustellen, dass sich der besondere Nachweis des Anteilsbesitzes ausdrücklich auf den in der Einberufung genannten „Record date“ bezieht. Eine Bescheinigung, wonach die fraglichen Aktien „am Stichtag“ im Depot des Aktionärs gebucht waren, dürfte nicht ausreichend sein, da der § 123 Abs. 3 AktG die Legitimation ausdrücklich „auf den Beginn“ des Tages verlangt.

In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich dringend, die vollständigen Anmeldeunterlagen vor Ort parat zu haben: Sollten Aktionäre während der Versammlung Bedenken an der Richtigkeit des Verzeichnisses vorbringen, kann vom Versammlungsleiter gefordert werden, diese direkt vor Ort zu überprüfen und ggf. auszuräumen.

Darüber hinaus ist es zumindest bei größeren, für die Abstimmung relevanten Stimmpaketen empfehlenswert, die Korrektheit der Bevollmächtigung zu überprüfen.

Fortlaufende Überprüfung des Teilnehmerverzeichnisses

Eine sorgfältige Zu- und Abgangskontrolle bildet hier die Grundlage. So hat der Versammlungsleiter zu prüfen und sicherzustellen, dass die korrekten Berechtigungen der Anwesenden zum Empfang von Stimmkarten und ggfs. die entsprechenden Vollmachten vorliegen.

Aufgrund der dargestellten Komplexität der Anforderungen ist leicht nachzuvollziehen, dass die Erfassung und das Führen des Teilnehmerverzeichnisses heute bei faktisch bei allen Publikumshauptversammlungen mit EDV-Unterstützung erfolgt.

Prüfungserfordernis: Gäste

Neben den Teilnehmern werden auf Hauptversammlungen – obwohl geschlossene und ausdrücklich nicht öffentliche Veranstaltungen – oftmals Gäste zugelassen. Hier obliegt dem Versammlungsleiter die Pflicht zu prüfen, ob und welche Gäste zugelassen werden. Entscheidungskriterium hierbei sollte sein, ob die Teilnahme des Gastes auch im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre ist. Pressevertreter sollten vom Versammlungsleiter in jedem Fall auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Anwesenden hingewiesen werden.

Prüfungserfordernis: Abstimmungen

§ 130 Abs. 2 AktG bestimmt, dass der Versammlungsleiter die Beschlussergebnisse festzustellen hat. Dies berechtigt den Versammlungsleiter zu überprüfen, ob ausschließlich gültige Stimmen in die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses eingeflossen sind. Hat er daran Zweifel oder weisen Aktionäre auf mögliche Verstöße hin, steht der Versammlungsleiter in der Pflicht, diesen Punkten durch eigene Prüfungshandlungen – auch während der Hauptversammlung – nachzugehen.

Prüfungserfordernis: Stimmverbote

Im Zuge der Abstimmungen muss sich der Versammlungsleiter auch vergewissert haben, dass die Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt. Hier ist beispielsweise das Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 AktG zu nennen. Dieses fordert, dass sich Gremienmitglieder nicht mit eigenen oder von ihnen vertretenen Stimmen entlasten können. Darüber hinaus fordert § 20 AktG bestimmte Mitteilungspflichten. Teilt ein Aktionär unter bestimmten Umständen seinen Anteilsbesitz von bspw. 5, 10 oder 50% nicht rechtzeitig der Gesellschaft mit, so bestimmt § 20 Abs. 7 AktG, dass die betroffenen Aktien weder zur Teilnahme noch zur Stimmrechtsabgabe berechtigen.

Ein weiteres Thema sind die Meldepflichten: § 21 WpHG. § 28 WpHG bestimmt, dass ein Verstoß gegen diese Meldepflichten zu einer Nicht-Zulassung der betroffenen Stimmen zur Hauptversammlung mit sich bringen kann.

Prüfungserfordernis: Organisatorisches

Eine der wesentlichen Aufgaben des Versammlungsleiters ist es, die Durchführung der Versammlung am Ladungstag sicherzustellen. Dies kann – insbesondere bei größeren und streitigen Publikumsversammlungen – umfangreiche organisatorische Anforderungen stellen.

So kann es erforderlich sein, dass zur Fragenerfassung der Aktionäre Stenografen bereitstehen und ggf. eine Beantwortung der Fragen in einem strukturierten Prozess, evtl. EDV-unterstützt, im Backoffice erfolgt. Auch von derartigen Vorbereitungen der Gesellschaft sollte sich der Versammlungsleiter überzeugen.

Darüber hinaus gibt es aber je nach Set-up der Versammlung eine Vielzahl weiterer Anforderungen. Exemplarisch seien die Beschallung, Beleuchtung, Sicherheitskontrollen am Zugang, ein Sicherheitskonzept für den Fall einer Raumräumung u.v.m. erwähnt.

Bei den organisatorischen Vorkehrungen im Versammlungslokal sollte sich der Versammlungsleiter einige Zeit vor dem Versammlungstag z.B. durch eine Präsentation der Gesellschaft einen ersten Eindruck vom HV-Konzept geben lassen. Persönlich kann er sich im Rahmen eines Rundgangs anlässlich der Generalprobe einen Eindruck verschaffen – rechtzeitig vor der Eröffnung der HV. Erfolgt dieser Rundgang erst am Tag der Versammlung kurz vor Einlassbeginn, sind die Möglichkeiten, bei Beanstandungen Abhilfe zu schaffen, begrenzt.

Fazit

Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass der Versammlungsleiter alle Prüfungen persönlich vornehmen muss, sondern vielmehr, dass Prüfungen auch delegiert werden können. Insbesondere die Kontrolle der Anmeldungen und die Einhaltung der Stimmverbote dürften ohne erfahrenen Juristen kaum möglich sein. Dennoch ist die Bedeutung der Prüfungen nicht zu unterschätzen: Kommt der Versammlungsleiter bei seinen Prüfungen nämlich zum Schluss, dass ein ordnungsgemäßer Ablauf der Versammlung nicht sichergestellt ist, so ist er berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, die Versammlung nicht zu eröffnen oder abzubrechen. Denn Verfehlungen in diesem Bereich können zu Anfechtungen oder gar zur Nichtigkeit der Hauptversammlung führen – mit all den finanziellen und reputatorischen Folgen, die dies für eine Gesellschaft nach sich ziehen kann.

Vorab-Veröffentlichung aus der HV Magazin Sonderausgabe „HV-Recht 2014“

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