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Am 20. Januar 2021 hat die Bundesregierung den Regierungsentwurf des Fondsstandortgesetzes („FoStoG“), das am1. Juli 2021 in Kraft treten soll, veröffentlicht.

Im Vergleich zu den ansonsten zunehmend paternalistisch geprägten Entwicklungslinien im Kapitalmarktrecht sind die Absichten des Gesetzgebers hier deutlich liberaler. Vorhandene Barrieren sollen abgebaut, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fondsstandorts gesteigert und so der Venture-Capital-Markt effektiver genutzt werden.(1) Dennoch halten die u.a. im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vorgesehenen Änderungen nicht nur E­rleichterungen bereit. Der nachfolgende Beitrag befasst sich schwerpunktmäßig mit dem im Vorfeld des regulierten Vertriebs angesiedelten Pre-Marketing. Das FoStoG soll dieses seit Inkrafttreten des KAGB anno 2013 bestehende und in der Praxis bei Fondsstrukturierungen außerhalb des Publikumsfondsbereichs aufkommende Thema nun kodifizieren und möglichst ­europaweit vereinheitlichen. Es bestehen jedoch Zweifel, dass das FoStoG tatsächlich zur Klarstellung dieser für die Praxis so relevanten Frage beiträgt.

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Verbleibende Spielräume – Änderun­gen für Pre-Marketing und Reverse Solicitation nach dem FoStoG?

Im Vorfeld der Fondsstrukturierung ist es für jeden Fondsinitiator sinnvoll, das tatsächliche Marktinteresse am geplanten Produkt „abzuklopfen“ und dieses frühzeitig zu bewerben. Dieses Bedürfnis erkennt die BaFin an und gewährt Fondsinitiatoren seit Einführung des KAGB Raum für Pre-Marketing, also Tätigkeiten im Vorfeld des eigentlichen Vertriebs unterhalb der ­Regulierungsschwelle. Mit dem vorge­sehenen § 306b Abs. 1 KAGB-E wird ­erstmals eine gesetzliche Regelung des ­Pre-Marketing eingeführt.(2) Da bereits
nach derzeitiger Rechtslage eine uner­laubte Überschreitung der Vertriebsschwelle aufsichts-, zivil- und auch ­strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann(3), ist das Interesse der Praxis an einer klaren Grenzziehung zwischen Vertrieb und vorvertrieblichen Tätig­keiten groß.

Rechtslage vor und nach FoStoG

Wie weit Pre-Marketing reicht, ergibt sich bislang aus § 293 Abs. 1 Satz 1 KAGB, der „Vertrieb“ als „Anbieten oder Platzieren eines Investmentvermögens“ definiert; liegt weder Anbieten noch Platzieren vor, erfolgt also kein regulierter Vertrieb.

Das FoStoG führt mit § 1 Abs. 19 Nr. 29a KAGB-E hingegen eine Definition des Pre-Marketing ein, nämlich „die […] direkte oder indirekte Bereitstellung von Informationen oder Mitteilung über Anlagestrategien oder Anlagekonzepte an potenzielle professionelle und semiprofessionelle ­Anleger […] mit dem Ziel festzustellen, ­inwieweit die Anleger Interesse haben an einem AIF […], der noch nicht zugelassen ist oder […] für den […] noch keine ­Vertriebsanzeige erfolgt ist, wobei dies in keinem Fall ein Angebot an den oder eine Platzierung bei dem potenziellen Anleger zur Investition in die Anteile oder Aktien dieses AIF […] darstellt.“ ­Daraus folgt, dass Pre-Marketing von der KVG oder in ihrem Auftrag aus­gehen muss. Geht die ­Initiative hingegen vom Anleger aus ­(Reverse Solicitation), liegt weder Vertrieb noch Pre-Marketing vor.(4)

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Nach § 306b KAGB-E liegt kein Pre-­Marketing, sondern bereits Vertrieb vor, wenn Anlegern vorgelegte Informationen (i) ausreichen, um diese in die Lage zu ­versetzen, sich zum Erwerb von Fonds­anteilen zu verpflichten, (ii) Zeichnungsformulare oder vergleichbare Dokumente sind, unabhängig davon, ob sie in einem Entwurf oder in endgültiger Form vorliegen, oder (iii) Gründungsdokumente, ­Prospekte oder Angebotsunterlagen eines noch nicht zugelassenen AIF in endgül­tiger Form sind.

Informationen dürfen nicht so umfangreich sein, dass Anleger anhand dieser eine Anlageentscheidung treffen können. Außerdem müssen die Entwürfe klar und deutlich darlegen, dass es sich nicht um ein Angebot oder eine Aufforderung zur Zeichnung handelt und die Informationen nicht als zuverlässig erachtet werden ­dürfen, da sie unvollständig sind und noch geändert werden können.

Entscheidendes Abgrenzungskriterium bleibt damit die von der BaFin festgelegte Angebotsreife. Die Abgrenzung zwischen Pre-Marketing und Vertrieb bleibt demnach eine Wertungsentscheidung. Eine Klarstellung durch das FoStoG bleibt aus. Immerhin dürften aber die Pre-Marketing-Regelungen, da auf einer Richtlinie basierend, zukünftig europaweit einheitlich sein.

Zusätzliche Anforderungen – ­Verhältnis Pre-Marketing/Reverse Solicitation und Anzeigepflicht

§ 306 KAGB-E bringt weitere Regelungen für Pre-Marketing mit, deren Nichtbeachtung eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Auch wenn die Schwelle zwischen Pre-Marketing und Vertrieb gleichbleiben dürfte, wird die Regulierung insgesamt ausgedehnt, unterfällt doch Pre-Marketing bislang schlicht keiner Regulierung.

So hat die KVG etwa sicherzustellen, dass aufgrund bloßer Pre-Marketing-­Aktivitäten keine Fondsanteile gezeichnet werden. Korrespondierend hierzu ist ein – zeitlich begrenztes – Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Pre-Marketing und Reverse Solicitation vorgesehen: Fonds­anteile dürfen innerhalb von 18 Monaten nach Aufnahme des Pre-Marketings von angesprochenen Anlegern nur dann ­gezeichnet werden, wenn für den jewei­ligen Fonds das Vertriebsanzeigever­fahren bereits durchgeführt wurde. ­Außerdem hat die KVG Pre-Marketing ­innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der BaFin zu melden.

Fazit und Ausblick

Insgesamt trägt das FoStoG nur in geringem Maße zur Klärung von Abgrenzungsfragen bei. Ab welcher Schwelle Vertrieb beginnt, bleibt eine Wertungsfrage, die nach wie vor an die Angebotsreife im ­Einzelfall anknüpft. Zudem gibt das FoStoG die bisherige Unterteilung in einen unregulierten Pre-Marketing- und regulierten Vertriebsbereich auf, indem es nun bereits das Pre-Marketing als Anknüpfungspunkt diverser aufsichtsrechtlicher Pflichten – und Sanktionsmöglichkeiten – schafft.

ZU DEN AUTOREN
Tanja Aschenbeck, LL.M. (San Francisco), RAin/FAinStR, ist Partnerin und Leiterin des Sektors Financial Services der Kanzlei Osborne Clarke in Köln. Schwerpunkte sind die Beratung zu Kapitalmarkt- und Bankaufsichtsrecht und die Strukturierung von Kapitalanlagen.
Jan Herrmann ist als Associate und Rechtsanwalt bei der Kanzlei Osborne Clarke in Köln tätig. Schwerpunktmäßig berät Herrmann Mandanten im Investment und sonstigen Aufsichtsrecht, insbesondere bei der Strukturierung von Kapitalanlagen/ alternativen Investments, mit Fokus auf (geschlossene) Investmentfonds, Crowdfunding sowie ICO/STO.

(1) Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum FoStoG, S. 1, 61, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2021-01-20-Fondsstandortgesetz/2-Regierungsentwurf.pdf (zuletzt abgerufen am: 19. März 2021).
(2) Für Kapitalverwaltungsgesellschaften („KVGs“), die über eine Erlaubnis nach § 20 KAGB verfügen; für nach §§ 2 Abs. 4, 44 KAGB registrierte KVGs gelten die Vertriebsvorschriften nicht.
(3) Zur Strafbarkeit: Zeidler, in: Weitnauer/Boxberger/Anders, § 339 KAGB, Rn. 16, 2 ff.; ausführlicher zu den Konsequenzen im Einzelnen: El-Qalqili/Winands, in: BKR 2019, 231 (S. 236 ff.).
4) Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum FoStoG, S.91, abrufbar unter Fn. 1.

Autor/Autorin

Tanja Aschenbeck
Jan Herrmann