Mit einem im Kern ausschließlich fundamentalen Analyseverfahren identifiziert die CVM Value Invest AG potenzielle Investments für den CVM Long Term Value, der auf Minderheitsbeteiligungen bei börsennotierten Mittelständlern abzielt. In diesem Recherche- und Bewertungsprozess komme der Außendarstellung der Unternehmen über Geschäftsberichte wichtige Bedeutung zu, erläutert Sönke Papenhausen, Vorstand des Value-Investors, im Interview.

GoingPublic: Herr Papenhausen, mal Hand aufs Herz: welche Teile eines Geschäftsberichts interessieren Sie wirklich?
Papenhausen: Was wir uns ansehen, wird Sie nicht überraschen: Wie wahrscheinlich alle Value-Investoren analysieren wir insbesondere die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung; darüber hinaus ist für uns auch die Kapitalflussrechnung sehr wichtig, da sie doch immer wieder gute Hinweise auf die tatsächliche innere Ertragskraft liefert. Wir schauen uns auch den Anhang genau an, weil es in diesem Bereich häufig Informationen gibt, die interessante Rückschlüsse zulassen.

GoingPublic: Welche Informationen meinen Sie genau?
Papenhausen: Zum Beispiel erfährt man bei bestimmten Kostenpositionen, ob es sich um Einmalaufwendungen handelt oder ob sie nicht doch wiederkehrenden Charakter haben. Dies lässt sich allerdings häufig nur im Zeitablauf feststellen, also nach gründlicher Analyse über mehrere Jahre. Ganz wichtig ist für uns zudem die Segmentberichterstattung, weil in diesem Bereich viel über Stärken und Schwächen der einzelnen Geschäftsbereiche zu erfahren ist: In welche Bereiche wird schwerpunktmäßig investiert, wie schneidet ein Segment ergebnismäßig ab, was ist aus diesem oder jenem Segment in Zukunft zu erwarten?

Sönke Papenhausen, Vorstand, CVM Value Invest Berlin
Sönke Papenhausen, Vorstand, CVM Value Invest Berlin

GoingPublic: Wird diese für Sie wichtige Segmentberichterstattung ausreichend präzise gepflegt?
Papenhausen: Segmentberichterstattung ist ja Pflicht geworden vor einigen Jahren, aber der Gesetzgeber hat das nur recht allgemein geregelt. Breite und Tiefe der Segmentberichterstattung unterscheiden sich qualitativ stark. Wir haben häufig den Wunsch, dass die Unternehmen genauer über die Segmente berichten. Und es stellt sich dann die Frage: Warum machen das die Unternehmen nicht? Unternehmen ordnen ihre Segmente auch häufiger mal neu. Wenn aus zwei Segmenten eines gemacht wird, kann das nachvollziehbare Gründe haben, es kann aber auch bedeuten, dass ein Segment erhebliche Probleme bereitet und durch das andere quersubventioniert wird.

GoingPublic: Führt das dann zu Nachfragen oder ist das gleich ein Knockout-Kriterium?
Papenhausen: Wenn wir bereits investiert sind, führt das sofort zu Nachfragen. Gerade bei diesen Unternehmen, und wir sind da ja zum Teil seit Jahren engagiert, lesen wir natürlich die Geschäftsberichte sehr genau. Wir pflegen auch unsere eigenen Datenbanken, und wenn dann Zahlen anders zusammengefügt werden und wir sie nicht mehr nachvollziehen können, gibt es ein Problem. Bei den anderen Unternehmen, die wir uns im Vorfeld anschauen, weil sie für uns interessant sein könnten, schauen wir uns den Geschäftsbericht auch aus anderen Blickwinkeln an. Wenn der nicht gut gemacht ist, wenn wir das Gefühl haben, das Unternehmen ist nicht wirklich um Transparenz und Information bemüht und verschleiert eher, dann nehmen wir Abstand davon. Als ständiger Leser gewinnt man hierfür ein gutes Gefühl.

GoingPublic: Storytelling und Success Storys finden sich immer häufger in Geschäftsberichten. Wie finden Sie solche Passagen mit Marketing-Ausleihungen?
Papenhausen: Ich würde das nicht negativ werten wollen. Gerade Anwendungsbeispiele oder Informationen über neue Produkte können interessant sein. Das sollten nicht nur bunte Bilder sein, aber bunte Bilder mit interessanten Informationen sorgen schon für Aufklärung. Hinter einem Unternehmen im Werkzeugmaschinenbau kann viel stecken. Wenn Sie im Geschäftsbericht erfahren, was das Unternehmen genau macht, wen es beliefert, welchen besonderen Kundennutzen neue Maschinen bieten, so ist dies wichtig und darf durchaus attraktiv präsentiert werden.

GoingPublic: Welche Dinge machen Sie denn sofort stutzig?
Papenhausen: Im Lagebericht können Sie gut erkennen, ob ein Unternehmen bemüht ist, Geschäftsentwicklungen und Strategien für einzelne Unternehmensbereiche nachvollziehbar zu beschreiben und auf tatsächliche Risiken hinzuweisen – oder ob einfach nur eine Checkliste mit Standardformulierungen abgearbeitet wird, um gesetzlichen Vorgaben zu genügen. Mitunter findet man auch schlicht fehlerbehaftete Geschäftsberichte – nicht bei größeren Unternehmen, aber doch bei Small Caps. Da stimmen Zahlen nicht, da sind Kapitalflussrechnungen fehlerhaft. Und dann müssen Sie sich fragen: Welche Rückschlüsse lässt so etwas auf den Umgang mit Zahlen innerhalb des Unternehmens zu?

GoingPublic: Gibt es Beispiele, dass Sie aufgrund des Geschäftsberichtes ein Investment gleich verworfen haben?
Papenhausen: Ja, erst im vergangenen Jahr, nachdem ich in den Vergütungsbericht geschaut hatte. Dort gab es für den Vorstand Zahlungen, die in keinem Verhältnis zur Unternehmensgröße standen. Da stimmt etwas nicht. Das war ein exemplarisches Warnsignal. Übrigens: Der Vorstand wurde mittlerweile ausgewechselt.

GoingPublic: Was ist für Sie ein „nice to have“ im Zusammenhang mit einem gut gemachten Geschäftsbericht?
Papenhausen: Gute Geschäftsberichte enthalten zum Beispiel Tableaus, die die wichtigsten Zahlen der vergangenen zehn Jahre übersichtlich auflisten. In Einzelfällen gibt es sogar sogenannte Factbooks mit sehr interessanten Zusatzinformationen über Wettbewerber, Absatzmärkte etc. Solche Dinge finden wir sehr gut.

GoingPublic: Herr Papenhausen, vielen Dank für dieses interessante Interview.

Die Fragen stellte Stefan Preuß.

Autor/Autorin