Die Debt Capital Markets funktionieren in der Region Zentral- und Osteuropa aktuell sehr gut. Foto: PantherMedia / Erwin Wodicka
GoingPublic: Wie beurteilen Sie die Kapitalmärkte in Zentral- und Osteuropa? Die Warschauer Börse ist ja gerade bei IPOs in letzter Zeit sehr aktiv …

Hochstrasser: Polen ist deshalb ein gutes Beispiel für einen funktionierenden Kapitalmarkt, weil dort die Rahmenbedingungen gegeben sind. Durch das polnische Pensionssystem wurde eine heimische Investorenbasis geschaffen, die andere Länder in dem Umfang nicht vorweisen können. Zudem hat Polen den Vorteil der Größe, da aufgrund seiner 40 Mio. Einwohner dem Pensionssystem ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Wie überall sind dennoch auch in Polen in diesem Jahr die Umsätze am Sekundärmarkt zurückgegangen. Die anderen Kapitalmärkte in Zentral- und Osteuropa sind relativ klein. Mittel- und langfristig ist es eine überlegenswerte Idee, wenn die Börsen dieser Länder nicht nur enger miteinander kooperieren, sondern eine Gesamtbörse kreieren könnten. Damit ließe sich ein sehr breiter Index entwickeln, der sehr liquide wäre und die Möglichkeit bieten würde, interessante Optionen und Futures dazu anzubieten.

GoingPublic: Mit welchen weiteren Entwicklungen rechnen Sie in der europäischen Schuldenkrise?

Hochstrasser: Die EZB und die Politik ergreifen derzeit viele Maßnahmen, um die Liquiditätssituation der Staaten zu erleichtern und niedrigere Kupons bei deren Anleihen zu ermöglichen. Denn 7% bei Spanien und Italien sind nicht mehr nachhaltig. Allerdings herrscht derzeit eine große Ratlosigkeit, wenn es darum geht, die ökonomischen Ungleichgewichte zwischen Deutschland, Niederlande, Österreich und den südeuropäischen Ländern auszugleichen. Normalerweise wären diese Ungleichgewichte über ein Ventil ausgeglichen – das waren in der Vergangenheit die Währungen. Wenn Abwertungen nicht mehr möglich sind, bleiben nur noch schmerzhafte Maßnahmen. Jedoch ist es in Demokratien nicht so einfach, jedes Jahr die Löhne und Renten um 10% zu senken. Zudem ist eine politische und wirtschaftliche Fiskalunion, die wünschenswert wäre, derzeit kaum denkbar.

GoingPublic: Herr Hochstrasser, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Oliver Bönig.

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