Die Umsätze und Kurse an der Börse sind 2012 meist gefallen, IPOs blieben in Österreich bislang aus – auch für Österreichs größte Bank keine einfache Situation. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin betreibt Franz Hochstrasser, als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Erste Group Bank AG für das Kapitalmarktgeschäft zuständig, Ursachenforschung und wirft einen Blick in Österreichs und Europas Zukunft.

GoingPublic: Herr Hochstrasser, 2012 war bisher kein gutes Jahr für Eigenkapitaltransaktionen in Österreich. Liegt das nur an der Schuldenkrise?

Hochstrasser: Nein, tut es nicht, da bei uns die Börsenumsätze noch stärker gefallen sind als in anderen Ländern. Da spielen auch einige hausgemachte Probleme wie die Besteuerung von Wertpapiergeschäften eine Rolle. Doch vieles ist durchaus im allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld begründet. Das Potenzial für den österreichischen Kapitalmarkt liegt in Zentral- und Osteuropa – und das gilt es zu nutzen. Mit Börsengängen sieht es aber heuer natürlich nicht allzu gut aus. Wir hoffen, dass es im nächsten Jahr besser wird.

Franz Hochstrasser, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, Erste Group Bank AG
GoingPublic: Wie sieht die Unternehmenslandschaft in Österreich aus? Sind interessante Börsenkandidaten dabei?

Hochstrasser: Die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht – wahrscheinlich besser als Banken und Staaten. Sie haben ihre Bilanzstruktur, Eigenkapitalposition und Liquiditätssituation verbessert. So nehmen sie alle Möglichkeiten, um Liquidität zu schaffen, in Anspruch. Das sieht man sehr deutlich daran, dass sich Corporate Bonds in den letzten Jahren sehr gut entwickelt haben. Zudem sind die Unternehmen nicht gezwungen, an die Börse zu gehen – sie haben andere Zugänge zu Eigenkapital. Andererseits ist es natürlich langfristig sehr wichtig für eine Volkswirtschaft, dass der Kapitalmarkt funktioniert und die Aufbringung von Eigenkapital über die Börse möglich ist.

GoingPublic: Sind österreichische Unternehmen denn dann auf absehbare Zeit überhaupt auf die Beschaffung von Eigenkapital angewiesen?

Hochstrasser: Im Moment ist die Situation in Österreich noch recht komfortabel: Die Wachstumszahlen sind zufriedenstellend und insbesondere die Arbeitslosigkeit ist sehr gering. Jedoch ist eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich sehr exportorientiert und von der gesamteuropäischen Situation abhängig. Solange sich diese nicht verbessert, werden die Rahmenbedingungen für Eigenkapitaltransaktionen nicht einfacher werden. Das bedeutet nicht, dass es nicht das eine oder andere Unternehmen versuchen wird, doch es wird schwierig bleiben. Die Unternehmen werden deshalb noch eine Zeit lang darauf verzichten können, weil die allgemeine Ertragssituation noch sehr gut ist und deren Eigenkapitalausstattung weiter verbessert – auch ohne Zuflüsse von außen. Große Akquisitionen lassen sich damit allerdings auch kaum finanzieren. Mittelfristig muss der Zugang für Eigenkapital wieder möglich sein.

Foto: PantherMedia / Josef Müllek
GoingPublic: Was muss passieren, damit IPOs für österreichische Unternehmen interessant sind?

Hochstrasser: Wir würden uns natürlich bessere steuerliche Rahmenbedingungen wünschen. Die müssen aber von der Politik kommen. Sie wäre auch gut beraten, hier Maßnahmen zu ergreifen, weil es ein Investment für die Zukunft ist. Denn nur ein gesunder Kapitalmarkt ermöglicht es den Unternehmen zu wachsen – sei es über organisches Wachstum oder Akquisitionen. Bei den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bin ich jedoch eher skeptisch, dass es hier Verbesserungen gibt, weil die Staaten Europas es sich nicht leisten können oder wollen. Besonders für den Primärmarkt ist maßgeblich, dass die allgemeine wirtschaftliche Situation und damit die Schuldenkrise sich verbessern. Auch da bezweifle ich, dass das in absehbarer Zeit passieren wird.

GoingPublic: Hätte sich an der Situation etwas geändert, wenn in Deutschland Evonik oder ein anderer „Eisbrecher“ den Sprung aufs Parkett gewagt hätte?

Hochstrasser: Ja, natürlich. Der Primärmarkt ist immer wesentlich, zumal bei uns auch die Umsätze am Sekundärmarkt zurückgegangen sind. Aber das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist eben momentan nicht dazu angetan, dass man Risikokapitaltransaktionen durchführt – das ist momentan extrem schwierig. Umso positiver ist es zu sehen, dass auf der Fremdkapitalseite sehr viel passiert. Debt Capital Markets funktionieren gerade in unserer Region Zentral- und Osteuropa extrem gut.

GoingPublic: Woher kommt der Boom bei Anleihen?

Hochstrasser: Bei den Staatsanleihen der osteuropäischen Länder liegt das an deren geringer Verschuldung. Das lässt sich auch an deren CDS-Entwicklung ablesen. Tschechien etwa weist einen engeren Spread auf als Frankreich. Corporate Bonds laufen deshalb sehr gut, weil die Unternehmen die Lehren aus der Liquiditätskrise gezogen haben. Sie wollen nicht mehr nur von den Bankfinanzierungen abhängig sein und nutzen alle Möglichkeiten, die der Kapitalmarkt bietet. Das gilt genauso für Schuldscheindarlehen, die genauso wie Unternehmensanleihen in den letzten Jahren einen Boom erleben. Allerdings hat Österreich auf diesem Gebiet strukturelle Nachteile, weil die Unternehmenslandschaft stark von kleinen und mittelgroßen Betrieben geprägt ist. Diese Unternehmen wirtschaften sehr gut, sind allerdings zu klein für den Kapitalmarkt.