Mit ca. 60 Initial Public Offerings bis Ende Oktober blieb auch 2013 die Londoner Börse der wichtigste Handelsplatz in Europa und lag damit weltweit auf dem vierten Platz nach den Vereinigten Staaten, Japan und Brasilien. Nach Angaben von Dealogic belegte Deutschland den neunten Rang. Das Vereinigte Königreich hat das Tal der Krise verlassen. Dies führte zu einem höheren Volumen an Neuemissionen und spiegelt sich im Leitindex des britischen Aktienmarkts dem Financial Times Stock Exchange wider. Im Vergleich zu den internationalen Konkurrenten hinken die britischen Blue Chips eher hinterher und auch der prozentuale Anstieg des FTSE verlief schwächer als der Eurostox-50-Index (17%) und der DAX (19%). Viel stärker ist der Anstieg im breiter gefassten FTSE 250 (25 %) zu sehen.

Neuer Markt reloaded?
Über dem großen Teich scheinen sich die Exzesse, wie wir sie aus der Zeit des Neuen Marktes kennen, zu wiederholen. Viele Aktien, insbesondere aus den Bereichen Healthcare, Pharma sowie Biotechnologie, aber auch Internet- und IT-Firmen ergeben beim Börsenstart satte Gewinne. Darunter sind viele erfolgreiche Small-Cap-Notierungen von europäischen Unternehmen in den oben genannten Zukunftsbranchen. Es scheint als bringe eine Notierung am US-Kapitalmarkt ein erheblich größeres Wachstumspotenzial als in Europa. Geringere Offenlegungspflichten und vereinfachte Corporate Governance-Vorschriften macht der Status des Foreign Filers möglich. Dank des JOBS Act ist es jetzt auch kleineren Unternehmen möglich, weitere Vereinfachungen wie die vertrauliche Einreichung des Registration Statements in Entwurfsform zur Diskussion mit der Securities Exchange Commission in Anspruch zu nehmen.

Bauer 2012
Ulla-Martina Bauer, BDO

Schwerer Start in Deutschland
Nach Veröffentlichungen des Bundesverbandes Deutsche Start-Ups erbringen erste Finanzierungsrunden für einen deutschen Start-up ca. 900.000 USD – eine vergleichbare Investition in den USA würde das Siebenfache, nämlich ca. 7,1 Mio. USD erzielen, und immerhin noch ca. 2,6 Mio. USD in Großbritannien. Die Startbedingungen in den USA sind weitaus besser und die Start-ups erreichen weitaus schneller den Exit. Dennoch ist ein Gang an den US-Kapitalmarkt kein Spaziergang und erfordert entsprechend eine sorgfältige Vorbereitung.

Das Misstrauen deutscher Aktionäre gegenüber den Börsen sitzt tief, die Erinnerungen an den Neuen Markt und an die desaströse Entwicklung der Volksaktien wie der Deutschen Telekom sind immer noch sehr lebendig. Dies sind u.a. Gründe, warum der deutsche Aktienmarkt zwar nie gekannte Höhen erklimmt, aber kaum einer der deutschen Aktienanleger hiervon profitiert.

Großes Interesse aus dem Ausland
Statt nach den Aktien unterbewerteter Unternehmen Ausschau zu halten, kaufen kapitalmarktaffine deutsche Anleger lieber Indexfonds und Investmentzertifikate. Fremdkapital ist billig wie nie, und so nehmen deutsche Unternehmen bei Kapitalbedarf lieber Kredite auf. Bei Aktienemissionen in Deutschland gehen nicht mehr als 10% an deutsche Fonds – der Rest geht an ausländische Anleger und insbesondere an Anleger aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Dort bilden die Aktienfonds einen erheblichen Teil der staatlichen Altersversorgung, und dies führt immer noch dazu, dass der deutsche Aktienmarkt von ausländischen Anlegern dominiert wird. Das Interesse ausländischer Investoren an deutschen Aktienpapieren beschränkt sich nicht nur auf den DAX, sondern auch den MDAX. Diese Nachfrage hat den Index innerhalb eines Jahres von 11.400 auf bis über 16.000 Punkte steigen lassen und hat mit einem im Vergleich zu den Hochzeiten des Neuen Marktes um bis zu 4-mal höheren Kursbarometer das Prime-Segment DAX weit abgehängt.

Fremdkapital
Seit Anfang 2011 hat sich in Deutschland neben der Eigenkapitalaufnahme auch zunehmend die Aufnahme von Anleihen über die Frankfurter Börse etabliert. Bis vor einigen Jahren war dies nur größeren Unternehmen vorbehalten, doch nun ist es auch kleinen und mittleren Unternehmen möglich, eine Anleihe auszugeben, die anschließend gehandelt wird. Ist der erste Schritt geglückt, sollte der zweite nicht mehr so schwer fallen.

Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Neuemissionen in Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinken. Hierzu hat nicht zuletzt die schlechte Kursentwicklung von Börsenneulingen am deutschen Börsenparkett in den Vorjahren und auch im zu Ende gehenden Jahr geführt. Eine Alternative können elektronische Handelsplätze darstellen. Jüngstes Beispiel wäre ein Unternehmen aus der Heimtextilbranche, das seine Aktien über die Plattform Bergfürst verkauft. Dies könnte auch für Anleger mit kleinerem Investitionsvolumen interessant sein, da man über diese elektronischen Plattformen auch schon mit kleineren Beträgen einsteigen kann. Der Handel der Anteile findet auch hier wie an der echten Börse statt.

Ausblick
Es wäre wohl ein frommer Wunsch zu hoffen, dass diese moderne Art des Börsenhandels wieder verstärkt das Interesse der deutschen Aktionäre weckt, so dass nicht mehr nur ausländische Investoren von der Hausse des deutschen Börsenmarktes profitieren werden. Hierfür sitzt das Misstrauen der deutschen Anleger einfach zu tief.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der GoingPublic Ausgabe 1/2014 erschienen.

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