Scale soll laut Angaben der Deutschen Börse ein erster Schritt sein, kleinere Unternehmen verstärkt an die Börse zu locken. Ist das der richtige Weg, oder gibt es gar noch mehr, was von politischer Seite  getan werden muss – vor allem im deutschsprachigen Raum?

Das Beste, was die Politik tun kann, ist die Optimierung der Steuerregeln. Ein zentraler Grund für den Erfolg der Londoner AIM war und ist die Tatsache, dass Investoren keine Kapitalertragssteuer zahlen müssen. Auch Frankreich hat sich einiges einfallen lassen, um Investitionen attraktiv zu machen. Die Deutsche Börse ist aber auch selbst gefordert: Sie muss aktiv die Werbetrommel rühren und Scale bei Emittenten und internationalen Investoren bekanntmachen. Dabei wird sie einen langen Atem brauchen. Der AIM zum Beispiel startete 1995 mit gerade einmal zehn Unternehmen, heute sind es über 970. Über kurz oder lang gibt es dann sicher auch bei Scale mal ein richtig gutes IPO mit Eisbrecherfunktion. Jede Börse braucht solche Gewinner-Stories.

An der Euronext hat es in der Vergangenheit das ein oder andere IPO eines deutschen Unternehmens gegeben. Wie unterscheidet sich die Mehrländer-Börse zu anderen europäischen Börsenplätzen?

Die strukturellen Unterschiede sind marginal und es gibt auch keine Arbitrage zwischen den Börsenplätzen. Die Liquidität der vor Ort gehandelten Aktien ist teilweise unterschiedlich, aber auch das ist vernachlässigbar, verglichen mit dem Delta zwischen Europa und den USA. Es gibt jedoch klare Unterschiede im Hinblick auf Sektorkompetenzen. So hat sich beispielsweise Paris zu einer Art Biotech-Cluster entwickelt. Der Börsenplatz profitiert von zahlreichen spezialisierten Investoren, Analysten und notierten Biotechunternehmen. In Deutschland hingegen sind die meisten Investoren Generalisten, und natürlich gibt es traditionell viel Know-how in Branchen wie der Automobilindustrie.

GoingPublic: Herr Kiecolt-Wahl, ich danke Ihnen für das offene Gespräch.

Das Interview führte Svenja Liebig

Pierre Kiecolt-Wahl ist Managing Director ECM Europe bei Bryan Garnier. Kiecolt-Wahl  hat über 15 Jahre Erfahrung im internationalen Kapitalmarktgeschäft und war zuletzt Direktor ECM bei der Citibank, u.a. in Hongkong und Singapur. Davor hat er von London aus das internationale ECM-Geschäft für Jefferies mit aufgebaut. Er ist halb Franzose, halb US-Amerikaner.

Das Interview erschien zuerst in der April-Ausgabe des GoingPublic Magazins.

Titelbild: oloya/fotolia.com

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