Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, Zirngibl Langwieser
Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, ZIRNGIBL

Das bisher im Wertpapierhandelsgesetz beheimatete Marktmissbrauchsrecht wurde zuletzt unter maßgeblichem Einsatz des europäischen Verordnungsgebers europäisiert und auf neue Beine gestellt. Stichtag für das Inkrafttreten des neuen Regelungsregimes ist der 03.07.2016.

Betroffen sind nicht nur die schon bisher vollumfänglich in das Regelungsregime des Marktmissbrauchsrechts einbezogenen börsennotierten Unternehmen und deren Führungskräfte. Handlungsbedarf ergibt sich auch und insbesondere bei allen Unternehmen, deren Aktien oder Anleihen mit eigener Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen sind, gleich ob mit oder ohne Notiz in besonderen Segmenten wie Entry Standard, m:access oder BondM. Gleiches gilt für die Führungskräfte dieser sogenannten Freiverkehrsemittenten.

EU-Marktmissbrauchsverordnung statt WpHG

Gegenstand des Marktmissbrauchsrechts sind das Insiderrecht (einschließlich Ad-hoc-Publizität und Directors‘ Dealings) sowie das Verbot der Marktmanipulation. Es handelt sich dabei um Kernbestandteile des Kapitalmarktrechts, die ab dem 03.07.2016 in der EU-Marktmissbrauchsverordnung (Marktmissbrauchs-VO) geregelt sein werden. Die Marktmissbrauchs-VO gilt in den EU-Mitgliedstaaten und somit auch in Deutschland unmittelbar. Die bisher vorrangig im Wertpapierhandelsgesetz angesiedelten Vorschriften entfallen. Dem deutschen Gesetzgeber vorbehalten bleiben lediglich die Sanktionsvorschriften, die aber in weiten Teilen ebenfalls auf Basis eines europäischen Rechtsakts zu gestalten sind. Die hier einschlägige Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation wird bis zum Stichtag 03.07.2016 im Rahmen des Ersten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften (1. FimanoG) in nationales Recht umgesetzt werden.

Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsverordnung

Zu den wesentlichen Neuerungen der Marktmissbrauchs-VO zählt die Tatsache, dass künftig nicht nur börsennotierte Unternehmen und deren Organe, sondern auch die sogenannten MTF-Emittenten und hier insbesondere die lediglich im Freiverkehr aktiven Emittenten dem Regelungsregime des Marktmissbrauchsrechts unterliegen. Konkret bedeutet dies, dass für diese Unternehmen künftig die gleichen präventiven Regelungen des Insiderrechts gelten wie für börsennotierte Unternehmen. Zum Verbot von Insidergeschäften und zum Verbot der Marktmanipulation treten hinzu die Ad-hoc-Publizität, die Pflicht zum Führen von Insiderlisten und die Mitteilungspflichten bei Eigengeschäften von Führungskräften (Directors‘ Dealings). Betroffene Unternehmen tun gut daran, sich rechtzeitig mit den einschlägigen Regelungen vertraut zu machen und im Unternehmen die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um ab dem 03.07.2016 alle neuen Pflichten erfüllen zu können. Zudem sollten die unter den Anwendungsbereich der Directors‘ Dealings-Regelungen fallenden Führungskräfte rechtzeitig vor dem Stichtag für das neue Regelungsregime informiert und sensibilisiert werden. Mit der Erstellung von Insiderlisten sollte ebenfalls so rechtzeitig begonnen werden, dass die Listen am Stichtag bereits vorliegen.