PantherMedia / Sergey Nivens

Erfolgreiche Profisportler, Schauspieler oder Musiker kommen mitunter auf ein sehr hohes Jahreseinkommen. Dennoch wird in der Öffentlichkeit mehr über ihre Leistungen als über ihre Gehälter gesprochen. Bei Unternehmenslenkern verhält sich meistens umgekehrt – besonders dann, wenn Vergütung und Performance in der öffentlichen Wahrnehmung allzu sehr auseinanderdriften. Die äußerst erfolgreiche Abstimmung zur sogenannten Abzocker-Initiative in der Schweiz hat die Diskussion um eine gesetzliche oder wie auch immer geartete Begrenzung von Managergehältern auch hierzulande befeuert. Übersehen wird dabei jedoch häufig, dass Vorstände und Aufsichtsräte auch hohe Haftungsrisiken tragen.

Prof. Dr. Martin Winterkorn darf sich zusammen mit den Schweizern zugutehalten, das deutsche Wahlvolk und damit die Politik für das Thema Managementvergütung sensibilisiert zu haben. Denn im Jahr 2012 war er laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Hostettler, Kramarsch & Partner wieder der bestbezahlte Vorstandschef Deutschlands. Seine Direktvergütung, bestehend aus fixen und variablen Bestandteilen, lag bei 12,8 Mio. EUR. Im Durchschnitt erhielt ein DAX-Vorstandsvorsitzender 5 Mio. EUR. Deutlich höher – bei einem Mittelwert von umgerechnet 13,4 Mio. EUR – war die Vergütung der Unternehmenschefs aus dem Dow Jones Industrial. Spitzenreiter hier war Walt-Disney-Boss Robert Iger mit einem Verdienst von 28,2 Mio. EUR.

Schweizer Verhältnisse in Deutschland?
Ob es sich angesichts dieser Vergleichswerte bei Winterkorns Bezahlung um einen Gehaltsexzess handelt, ist eher fraglich. Dass in jüngster Zeit verstärkt über Managementvergütung diskutiert wird, liegt wohl doch eher an dem allzu deutlichen Ausgang der Schweizer Abstimmung. Eine Forderung der Initiative, die nun umgesetzt werden muss, ist, die Generalversammlung der Aktionäre jährlich über die Höhe der Managementvergütung abstimmen zu lassen. Ähnliche Regelungen streben nun einige Politiker in Deutschland an. Bislang ist durch das VorstAG bereits vorgeschrieben, dass die Hauptversammlung über das Vergütungssystem, nicht jedoch über die Höhe der Bezahlung abstimmt – und das nicht jährlich.

Nach den Plänen des Bundesjustizministeriums sollen die Aktionäre künftig einen stärkeren Einfluss auf die Vergütung der Vorstände ausüben. Die Hauptversammlung soll demzufolge künftig jährlich über das Vergütungssystem abstimmen. Das Vorschlagsrecht dafür hat nach wie vor der Aufsichtsrat. Dessen Beschlussvorlage muss die Bezüge nach Vorsitzendem, Stellvertreter und einfachen Vorstandsmitgliedern aufschlüsseln. Zudem müssen konkrete Höchstbetrage festgelegt werden. Der Aufsichtsrat hat weiterhin auf die Angemessenheit der Vorstandsgehälter zu achten. Lehnt die Hauptversammlung den Vorschlag des Aufsichtsrats ab, muss dieser eine neue, verbesserte Beschlussvorlage präsentieren. Die HV-Entscheidung zur Vergütung kann nicht angefochten werden, Klagen auf Nichtigkeit sind dagegen möglich.

Direktvergütungen der DAX Vorstandsvorsitzenden 2012 im Internationalen Vergleich Quelle: hkp, Zum Vergrößern auf das Bild klicken

Was verdienen Aufsichtsräte?
Die Anforderungen an die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das schlägt sich auch in ihrer Bezahlung nieder. Anders als bei den Vorständen machen insbesondere im DAX inzwischen fixe Bestandteile einen Großteil der Vergütung aus. 2012 wurde auch der DCGK an diese Entwicklungen angepasst und lässt nun eine ausschließlich fixe Vergütung der Aufsichtsräte zu.

Eine aktuelle Studie der Hay Group (Zusammenfassung der Studie) zeigt, dass deutsche Aufsichtsräte im internationalen Vergleich durchaus gut bezahlt sind. Das gilt insbesondere dann, wenn sie – wie häufig anzutreffen – Aufsichtsratsposten in mehreren Unternehmen bekleiden. Aus diesem Grund verlangen institutionelle Investoren und ihre Stimmrechtsberater im Vorfeld der Hauptversammlung genaue Informationen über die Aufsichtsratskandidaten und ihre Posten. So wird verstärkt darauf geachtet, dass es nicht zu einer zu großen Ämterhäufung kommt. Eine sorgfältige Wahrnehmung der umfangreichen Aufgaben des Aufsichtsrats wäre sonst nicht mehr gegeben.

Vergütung und Haftung
Dabei sollten Aufsichtsräte genauso wie Vorstände schon aus eigenem Interesse zum Wohle des Unternehmens handeln. Ansonsten können sie für Fehlverhalten belangt werden. Vorsatz muss nicht mal im Spiel sein, es reicht schon Fahrlässigkeit, damit die Manager mit ihrem gesamten Privatvermögen haften müssen. Zwar hat so ziemlich jedes größere Unternehmen für diese Fälle eine sogenannte D&O-Versicherung für ihre Spitzenmanager abgeschlossen, doch auch hier gibt es Schlupflöcher. Bei der durchaus üppigen Vergütung ist also auch in Betracht zu ziehen, welche Verantwortung und Risiken Vorstände und Aufsichtsräte tragen.

Markus English, ACE

Schließlich ist der Manager gegenüber seinem Unternehmen dazu verpflichtet, alle Handlungen sorgsam zu prüfen. Bereits ein einfaches Verschulden kann dazu führen, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen wird. Dies bestätigt auch Markus English, Financial Lines Manager Deutschland und Österreich beim Versicherer ACE: „Unternehmensleiter bzw. Manager haben gegenüber der Unternehmung, für welche sie tätig sind, die Pflicht bei allen Handlungen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmannes anzuwenden. Verletzen sie diese Pflicht, so sind sie gegenüber der Unternehmung schadensersatzpflichtig, selbst wenn nur einfaches Verschulden vorliegt. Dabei trifft den Unternehmensleiter zusätzlich die Beweislast, wenn er behauptet, nur im besten Sinne und zum Wohle des Unternehmens gehandelt zu haben.“

Haftungsrisiken lauern überall
Dabei seien die Möglichkeiten für eine Pflichtverletzung nahezu unbegrenzt, so English weiter: „Mal ist die Übernahme eines anderen Unternehmens nicht sorgfältig geplant worden, mal sind Aktionäre und der Kapitalmarkt zu früh, zu spät oder nicht zureichend oder zu viel informiert worden.“ Sich einen Fehltritt als Manager zu leisten, passiert also schneller als gedacht. „Zivilrechtlich tritt häufig ein Verstoß gegen die interne Geschäftsordnung auf“, bestätigt auch Dr. Stefan Steinkühler, Leiter des Geschäftsbereichs Financial & Professional Services beim Versicherer Marsh. „Das ist besonders bei D&O-Versicherungen problematisch, weil der Versicherer schnell behaupten kann, dass die versicherte Person von der Pflichtverletzung wusste. Des Weiteren werden Leitungsorganen häufig Fehler im Zusammenhang mit Investitionen vorgeworfen, d.h. wenn diese im Vorfeld nicht sorgfältig genug geprüft wurden und zu Fehlinvestitionen werden. Auch die Themen Compliance und Korruption spielen immer wieder eine Rolle im Zusammenhang mit einem Überwachungsverschulden.“ Ein Schadensfall kann sich also aus jeder Entscheidung des Managements ergeben.

„Auch die zunehmenden gesetzlichen Reglungen verbunden mit der Verpflichtung für das Management, deren Umsetzung und Einhaltung zu gewährleisten und zu überwachen, schafft Haftungsfallen“, nennt English noch ein weiteres Beispiel für die Haftungsrisiken für das Management, die überall lauern.

Haftung in der Krise
Und gerade im Zuge der Finanzkrise wurde der Ruf laut, dass das Management Verantwortung übernehmen solle. Schließlich befanden bzw. befinden sich viele Unternehmen in der Krise oder stehen vielleicht sogar vor der Insolvenz. „Handelt es sich ‚nur‘ um eine Unternehmenskrise, wird im Regelfall ein neues Management installiert. Wir kennen Fälle, bei denen das neue Management gegen die alte Vorstandsriege vorgeht“, erläutert Steinkühler. Steht das Unternehmen jedoch vor der Pleite, werden etwaige Verstöße noch schneller verfolgt. „Im Falle einer Insolvenz ist es häufig der Fall, dass der Insolvenzverwalter relativ schnell mit pauschalen Behauptungen erst einmal die Haftungsseite sichert, einfach weil die Zeit drängt, um potenzielle Schadenfälle rechtzeitig dem D&O-Versicherer anzuzeigen.“ Dann werde dem Management häufig Insolvenzverschleppung vorgeworfen.

Vorstand vs. Aufsichtsrat
Neben dem Vorstand übernimmt auch der Aufsichtsrat Verantwortung für das Unternehmen. Daher sind beide Organe auch gleichgestellt. „Gesetzlich ist die Haftung der Aufsichtsräte denen der Vorstände gleichgestellt, denn der für den Aufsichtsrat die Haftung begründende Paragraph verweist direkt auf den Haftungsparagraphen des Vorstands im Aktiengesetz“, erklärt English. Die Realität sehe aber anders aus. „Tatsächlich war es aber bislang so, dass der Aufsichtsrat, möglicherweise auch um von eigenen Versäumnissen abzulenken, sehr schnell entschlossen war, beim Vorliegen von Anzeichen einer Vorstandshaftung den Vorstand auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen.“ Doch mittlerweile lassen sich die Vorstände dieses Verhalten nicht mehr bieten, sondern schlagen zurück: „Es ist ein kleiner neuer Trend zu beobachten, dass solchermaßen in Anspruch genommene Vorstandsmitglieder sich wehren und als taktisches Verteidigungsmittel dem Aufsichtsrat den Streit verkünden oder sogar ihrerseits für die Gesellschaft in Anspruch nehmen“, weiß English.

Aber dass nur der Aufsichtsrat an sich zur Verantwortung gezogen wird, tritt eher selten auf. „Das könnte auch damit zusammenhängen, dass der Anspruch gegen den Aufsichtsrat vom Vorstand verfolgt werden muss. Das könnte – obwohl es seine Pflicht ist – auch eine gewisse Hemmschwelle darstellen. Wenn, dann wird häufig der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand in Anspruch genommen“, schätzt Steinkühler die Situation ein. Zudem komme es auch darauf an, ob es ein aktiver Aufsichtsrat sei, der teilweise auch ins Unternehmensgeschehen eingreift. Dann sei das Haftungspotenzial des Aufsichtsrats grundsätzlich höher. „Überwacht der Aufsichtsrat hingegen nur, geht es häufig um ein Überwachungsverschulden. Dass ein Aufsichtsrat deshalb in Anspruch genommen werden soll, ist aber eher selten.“

Fazit
Die Diskussion darüber, ob die Vergütung von Managementorgangen angemessen und ihrer Leistung entsprechend ist, wird wohl nicht so schnell abebben. Zu erhitzt sind nach wie vor die Gemüter. Trotzdem sollte man hier im Hinterkopf behalten, dass das Management für sein Tun haftet und dafür zur Rechenschaft gezogen wird.

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