Die Börse als Quelle der Unternehmensfinanzierung erhielt kürzlich einen Schlag in die Magengrube. Bezugsrechtsemissionen, die sich ausschließlich an Altaktionäre richten, waren bis vor Kurzem von der Prospektpflicht befreit. Seit dem 1. Juli betrachtet die BaFin diese gängige Praxis der Kapitalerhöhung als öffentliches Angebot mit der Folge, dass Bezugsrechtsemissionen an Altaktionäre prospektpflichtig sind.*

Zwar bleiben Emittenten, die im Regulierten Markt notieren und Kleinemissionen im Gegenwert bis zu 5 Mio. EUR (bis 30.6.2012: 2,5 Mio. EUR) anbieten, von dieser Pflicht verschont; für Unternehmen mit Notierung im Freiverkehr hat die Neubewertung der BaFin jedoch erhebliche Konsequenzen.

Viele Kleinfirmen finanzieren sich mit Hilfe von Bezugsangeboten an ihre Aktionäre. Es handelt sich um eine beliebte Eigenkapitalbeschaffungsvariante. Sie ist schnell, günstig und fair. Mit Unterstützung der Infrastruktur des Bezugsrechts werden alle Aktionäre zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung angesprochen, und damit besteht eine gute Aussicht, die gewünschten Finanzmittel zu erhalten. Banken verlangen dafür in der Regel keine Platzierungsprovisionen.

Künftig nun können Bezugsrechtsemissionen nicht mehr mit den Attributen schnell und günstig versehen werden. Die Erstellung eines Wertpapierprospekts ist zeit- und kostenaufwändig: Mindestens zwölf Wochen beanspruchen Verfassen und Billigung. Und für Kleinstemissionen von 0,5 Mio. EUR würden Gebühren von etwa 20% des Emissionserlöses anfallen. Uninteressant!

In den letzten drei Jahren 2009–11 wurden insgesamt 271 Bezugsrechtsemissionen durchgeführt. Davon waren 97 Kapitalerhöhungen (36%) unter 2,5 Mio. EUR und 54 Kapitalerhöhungen (=20%) unter 1 Mio. EUR – jeweils mehrheitlich von Freiverkehrsfirmen. Die Statistik zeigt: Bezugsrechtsemissionen im Kleinformat sind die beliebteste Form der Eigenkapitalbeschaffung. Die Neuregelung wird sich im Markt also bemerkbar machen.

Freiverkehrsfirmen mit einer kleinen und überschaubaren Aktionärsbasis könnten eventuell in Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG auch weiterhin noch prospektfreie Bezugsrechtsemissionen durchführen, sofern sie nachweislich nicht mehr als 150 Aktionäre haben. Die Anzahl der Personen („nicht qualifizierte Anleger“) ist entscheidend. Ob sich Unternehmen trauen, sich auf diesen Ausnahmetatbestand zu berufen, wird man sehen. Es bedarf hier schon ganz besonderer Abwicklungstechniken. Hinzu kommt, dass der zu erbringende Nachweis hinsichtlich der Anzahl der Aktionäre problematisch sein dürfte, insbesondere im Falle von Inhaberaktien

Kaum von Relevanz dürfte künftig die Ausnahme sein, Bezugsrechtsemissionen prospektfrei bis zu 100 TEUR innerhalb von 12 Monaten anzubieten: Dieser Betrag ist einfach zu niedrig.

Stattdessen werden sich die Firmen überlegen, welche Kosten-Nutzen-Vorteile die Kapitalbeschaffung über die Börse und damit letztlich auch der Gang an die Börse bieten und wohl zu der Erkenntnis gelangen, dass es besser ist, Abstand vom organisierten Kapitalmarkt zu nehmen.

Schade. Die Auswirkungen der Überregulierung an den Kapitalmärkten treffen (mal wieder) in erster Linie die kleinen Firmen, mithin den Mittelstand. Small Caps wenden sich von der Börse ab – mit immensen negativen ökonomischen Effekten. Die Frage muss gestellt werden: Wollen wir das wirklich?

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*) Die BaFin folgt damit nunmehr der Auffassung der EU-Kommission, die diesen Standpunkt im Rahmen der am 30. März 2012 erlassenen VO (EU) Nr. 486/2012 nochmals bekräftigt hat.

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