Ähnlich wie bei der Transparenzrichtlinie ist eine Harmonisierung und Verschärfung der Verwaltungssanktionen bei Verstößen geplant, hinzu kommen Mindestvorgaben für strafrechtliche Sanktionen. Zudem soll eine Whistleblowing-Funktion vorgeschrieben werden, die noch dazu mit geldlichen Anreizen versehen werden kann, was hierzulande äußerst umstritten ist.

Schließlich soll der Anwendungsbereich von MAD/MAR auf unregulierte Märkte (MTFs/OTFs) ausgedehnt werden, so dass künftig auch Emittenten im Freiverkehr und Segmenten wie dem Entry Standard grundsätzlich betroffen sein könnten. Zwar war dort auch bisher Marktmanipulation und Insiderhandel verboten, aber Ad-hoc-Mitteilungen, Directors’ Dealings-Meldepflichten sowie die Pflicht zur Führung von Insiderlisten gab es nicht. Nur kleinere Emittenten in sog. SME Growth Markets sowie solche, die ein Listing nicht beantragt oder bestätigt haben, sollen teilweise von den Marktmissbrauchsregeln ausgenommen werden.

Auch zu diesen Vorhaben liegt seit März 2012 ein Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments, dieses Mal des Wirtschafts- und Währungsausschusses (ECON), vor. Dieser will u.a. Directors’ Dealings generell nur noch in von den Aufsichtsbehörden zu definierenden Handelsfenstern erlauben und geht ansonsten lediglich im Bereich der Sanktionen vorsichtig hinter den Kommissionsvorschlag zurück. Die Abstimmung im ECON ist für Ende Mai geplant, im Plenum für Anfang Juli.

Das neue Prospektregime

Nach der Revision der EU-Prospektrichtlinie hat die EU-Kommission im März 2012 einen Verordnungsvorschlag zur Umsetzung der ersten sogenannten delegierten Rechtsakte veröffentlicht. Mit dem Verfahren der delegierten Rechtsakte wird der Kommission die Möglichkeit übertragen, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen.

Eine Verkürzung der Meldepflicht könnte in vielen Fällen erhebliche Compliance-Probleme aufwerfen. Foto: PantherMedia / Tom Scherber

Zur Vorarbeit hat sich die EU-Kommission der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde, des „technischen Rats“ der ESMA, bedient.

Zwar hat die ESMA ihre Vorschläge im Markt konsultiert, aber der enge Zeitrahmen zur Umsetzung der Prospektrichtlinie konnte es gar nicht zulassen, dass die im Konsultationspapier niedergelegten Überlegungen grundsätzlich überarbeitet werden konnten. Auch die EU-Kommission konnte wohl schon aus zeitlichen Gründen nicht anders als die meisten Vorschläge der ESMA einfach zu übernehmen, obwohl die ESMA über manche „Umsetzungs“vorschläge sich geradezu über die Räson der Richtlinie hinwegsetzt. Z.B. werden bei Anleiheprogrammen im Basisprospekt (statt in den sog. endgültigen Bedingungen wie bisher) zum Teil sehr viele Informationen verlangt. Dadurch muss der Basisprospekt bei einer Anleiheemission möglicherweise so weitreichend durch Nachträge geändert werden, dass die Nutzung des Basisprospektregimes als Alternative zum Einheitsprospektregime geradezu unattraktiv wird. Hierbei ist zu beachten, dass Nachträge jeweils ein Widerrufsrecht der Anleger auslösen. Die Richtlinie selbst hat das Basisprospektregime zu Recht nicht in Frage gestellt. Dessen Ziel ist es ist, die kurzfristige Ausnutzung von guten Marktkonditionen bei der Unternehmensfinanzierung durch z.B. Industrieemittenten zu ermöglichen, was wichtiger denn je ist.

Außerdem sind viele Vorschläge auch materiell nicht überzeugend. So ist man bei der Änderung der Richtlinie mit dem Ziel angetreten, die Prospektzusammenfassung mit wirklichen Schlüsselinformationen aufzuwerten und für Anleger interessanter zu machen. Die EU-Kommission soll für die Verordnung diese Idee mit Hilfe von Vorarbeiten der ESMA umsetzen. Die ESMA hat aus dem Katalog der Angaben für den Gesamtprospekt, die sich aus der alten Prospektverordnung ergeben, jedoch fast alles als Schlüsselinformation für die Zusammenfassung übernommen. Wenn es dann laut Vorschlag statt „Ausgewählte historische Finanzinformationen über den Emittenten“ „Ausgewählte wesentliche historische Finanzinformationen über den Emittenten“ heißt, stellt man sich die Frage, ob die ESMA ihren Auftrag erfüllt. Dem Sinn und Zweck der Zusammenfassung, einen kurzen Überblick der wichtigsten Informationen zu geben, werden die Regulierungsvorschläge auch im Übrigen nicht gerecht: Bei Aktienemissionen sind in der Zusammenfassung Stimmrechte mit Namennennung anzugeben. Für einen ersten Überblick in der Zusammenfassung dürften aber nur wirklich hohe Beteiligungen interessant sein, ansonsten kann der Gesamtprospekt studiert werden. Es wurden hier von den Regulierern keine materiellen Überlegungen über den Sinn von Schlüsselinformationen angestellt, sondern rein formalistische. Hier wurde eine Chance vertan.

Die Verordnung soll am 1. Juli 2012 in Kraft treten. Im Verfahren der konsolidierten Rechtsakte kann das Europäische Parlament oder der Rat noch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Übermittlung Einwände erheben. Ob dies erfolgt, ist allerdings fraglich.

Auch in der oben dargestellten Transparenzrichtlinie soll es delegierte Rechtsakte der EU-Kommission geben. Beispielsweise soll dies für die seit Langem geplante Vernetzung von nationalen Unternehmensregistern gelten. Hier steht zu befürchten, dass die ESMA den Datenstandard XBRL für Finanzberichte favorisieren und die jahrelangen Diskussionen der Stakeholder ignorieren wird. Viele sehen das Verhältnis von Aufwand und Nutzen bei XBRL skeptisch. Die Nutzer – die Investoren – fordern den Standard nicht. Hier darf man gespannt sein, ob die zu erarbeitenden Rechtsakte materiell mehr überzeugen können als diejenigen bei der EU-Prospektrichtlinie.

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