(Anfechtungs-)Klagen von Aktionären werden häufig darauf gestützt, dass ihre Fragen nicht ausreichend in der HV beantwortet worden seien. Durch umfassende Fragenkataloge von Aktionären kann der zügige Ablauf einer HV empfindlich gestört werden. Dem „anfechtungssicheren Weg“ der ausführlichen Beantwortung von Aktionärsfragen stehen zum einen oft Zeitgründe, zum anderen aber auch Vertraulichkeitserwägungen entgegen. Um missbräuchlich ausufernden Auskunftsbegehren Einhalt zu gebieten, hat der deutsche Gesetzgeber in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG die Antwortpflicht des Vorstands dahingehend begrenzt, dass nur Auskünfte über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben sind, die zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung „erforderlich“ sind.

Dr. Alexandra Tretter, Partnerin, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER
Dr. Alexandra Tretter, Partnerin, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER

In der HV der Deutschen Bank im Jahre 2010 hatte eine Aktionärin im Hinblick auf die TOPs Entlastung Vorstand und Aufsichtsrat u.a. detaillierte Informationen über den Erwerb von Sal. Oppenheim, die dazu abgeschlossenen Verträge, die Due-Diligence-Prüfung und deren Ergebnisse verlangt. Weiter wollte sie wissen, welche Kreditengagements wie im Risikoausschuss behandelt wurden. Als Antwort zur Akquisitionsfrage wurden die wesentlichen Transaktionsschritte dargestellt; eine Auskunft zu im Risikoausschuss behandelten Einzelengagements erfolgte nicht. Im streitgegenständlichen Verfahren – einem Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG – machte die Aktionärin die Erteilung der begehrten Auskünfte gerichtlich geltend. Der Antrag blieb vor dem LG und OLG Frankfurt/Main erfolglos.

 Die Entscheidung des BGH

Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH als unbegründet zurückgewiesen.

Zunächst hatte der BGH die Frage zu beantworten, ob die Erforderlichkeitsbeschränkung in § 131 AktG mit der 2009 in Kraft getretenen Aktionärsrechterichtlinie (2007/36/EG) vereinbar ist. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie hat der Aktionär das Recht, „Fragen zu Punkten auf der Tagesordnung der Hauptversammlung zu stellen“; eine Erforderlichkeitseinschränkung enthält die Richtlinie nicht. Eine Meinung in der aktienrechtlichen Literatur war daher seit 2009 der Ansicht, dass die deutsche Regelung nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Der überwiegende Teil der Literatur und die Instanzgerichte bejahten dagegen die EU-Rechts-Konformität.

Der BGH hat in seiner Entscheidung Wortlaut (insbesondere die verschiedenen Sprachfassungen), Entstehungsgeschichte (Materialien der Richtlinie) und Zielrichtung (unter Berücksichtigung des „effet utile“) der Richtlinie detailliert analysiert und festgestellt, dass einiges dafür spreche, dass dort wohl keine Beschränkung des Fragerechts des Aktionärs vorgesehen sei. Jedenfalls stelle die vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Beschränkung eine zulässige Maßnahme nach Art. 9 Abs. 2 S. 1 Fall 2 der Richtlinie dar. Danach können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um den ordnungsgemäßen Ablauf von Hauptversammlungen zu gewährleisten. Entgegen einer Auffassung in der aktienrechtlichen Literatur beziehe sich die Regelung nicht nur auf rein organisatorische Maßnahmen; auch inhaltliche Beschränkungen des Auskunftsrechts seien – wie der BGH wiederum detailliert ausführt – nach Wortlaut (insbesondere unter Berücksichtigung der verschiedenen Sprachfassungen), Entstehungsgeschichte und Zielrichtung der Richtlinie möglich. Die deutsche Regelung betreffend das Auskunftsrecht der Aktionäre sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse einzelner Aktionäre und dem allgemeinen Interesse an einer zielgerichteten und sachbezogenen Information innerhalb der HV zu schaffen. Sie sei somit EU-rechtskonform; dies sei derart offenkundig und eindeutig („acte claire“), dass eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung nicht veranlasst sei.

Weiter hat der BGH festgestellt, dass bei einer Frage, die auf eine Vielzahl von Informationen gerichtet ist, die zumindest teilweise nicht für die Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich sind, der Aktionär zur konkreten und präzisen Nachfrage verpflichtet ist, wenn er eine aus seiner Sicht unzureichende Pauschalantwort erhält (zur Nachfrageobliegenheit des Aktionärs siehe auch Schwartzkopff/Hoppe, HV Magazin Februar 2014, S. 40). Ferner gesteht der BGH dem Vorstand regelmäßig ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn sich die Frage auf vertrauliche Vorgänge in den Sitzungen des Aufsichtsrats oder seiner Ausschüsse bezieht. Nähere Auskünfte zu den im Risikoausschuss des Aufsichtsrats behandelten Kreditengagements mussten daher nicht erteilt werden.

Fazit

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen; sie sorgt für Rechtssicherheit bei der Abhaltung von Hauptversammlungen. Die Begrenzung von Rechten durch ein Erforderlichkeitskriterium basiert letztlich auf dem grundlegenden Rechtsprinzip von Treu und Glauben. Wie der BGH in zutreffender Weise hervorhebt, ist die Erforderlichkeitsbeschränkung notwendig, um zu gewährleisten, dass die Hauptversammlung effektiv ihre Aufgabe als „Entscheidungsforum“ und „Sitz der Aktionärsdemokratie“ erfüllt. Konsequent ist daher auch, das Risiko einer unzureichenden Beantwortung von Pauschal- und Vielzahlfragen den Aktionär tragen zu lassen und diesem eine Nachfragepflicht aufzuerlegen.

Veröffentlichung aus HV Magazin 1/2014

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