Ralf Meinerzag, Fixed Income, Steubing AG

Blickt man zurück auf den Markt für Mittelstandsanleihen im Jahr 2012, so fällt zunächst auf, dass die Emissionstätigkeit nicht stetig verläuft, sondern wellenförmig. Zwei dieser Wellen prägten das aktuelle Kalenderjahr: Die Seidensticker-Anleihe Ende Februar gab den Startschuss für acht weitere Initial Bond Offerings, die bis Mitte April platziert wurden. Im September öffnete dann Travel24.com die Tür zu den Investoren, durch die bis Mitte Oktober erneut acht weitere Anleihen hindurchspazierten. Im Laufe des Jahres (Stand: 15. Oktober 2012) wurden somit bislang an den hierauf mit eigenen Segmenten spezialisierten Börsenplätzen in Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart insgesamt 23 Mittelstandsanleihen an den Markt gebracht.

Im Vergleich zum Vorjahr ist diese Bilanz als ordentlich zu bezeichnen. 2011 fanden 29 Initial Bond Offerings (IBO) mit einem prospektieren Volumen von 1,37 Mrd. EUR, einem durchschnittlichen Kupon von 7,4% und einer durchschnittlichen Laufzeit von 4,9 Jahren statt. Im laufenden Jahr brachten die bislang 23 Emissionen bis zu 727 Mio. EUR, die Laufzeiten (im Durchschnitt 4,8 Jahre) wie auch die Zins-Kupons (7,5%) liegen in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Mit einem Kupon von 8,13% musste die BDT Media Automation am tiefsten in die Tasche greifen, während Hahn Immobilien lediglich einen Zinssatz von 6,25% zu offerieren brauchte. Bei den Volumina führt die Scholz AG mit 150 Mio. EUR die Rangliste mit deutlichem Abstand vor Singulus Technologies (60 Mio. EUR) an. Am Tabellenende rangiert hier die Golfino AG, die lediglich 12 Mio. EUR einsammelte. Das aktuell günstige Marktumfeld lässt sicherlich noch die eine oder andere Neuemission im laufenden Jahr erwarten.

 

Transparenz für Anleger steigt Beim Blick auf die Volumina ist eine aus Anlegersicht erfreuliche Tendenz zu beachten: Die bislang nicht immer transparenten Informationen über das de facto erlöste Volumen werden besser. Wurde hier bislang gegenüber der Öffentlichkeit häufig mit Aussagen wie „bis zu XX Mio.“ kommuniziert, schreibt nun z.B. die Frankfurter Wertpapierbörse verpflichtend vor, dass das tatsächlich platzierte Volumen veröffentlicht werden muss. Insofern relativieren sich die vermeintlich niedrigeren Emissionsvolumina des Jahres 2012 ein Stück weit. Der Anleger erhält somit wichtige Hinweise zur potenziellen Liquidität im Sekundärmarkt. Die Umschlaghäufigkeit ist bei Mittelstandsanleihen im Übrigen überraschend hoch: Selbst „kleine“ Papiere wie die SeniVita Sozial warten mit einem Handelsumsatz auf, der teilweise über dem Emissionsvolumen liegt. Aus Handelssicht zudem immer wieder auffällig: Papiere bekannter Markenunternehmen wie eterna Mode oder Berentzen gehen ungeachtet von Rating, Kupon und Volumen „weg wie warme Semmeln“. Spötter behaupten sogar, dass die im saarländischen Homburg ansässige Karlsberg Brauerei, die gleichfalls am ersten Tag die Bücher schließen konnte, bei ihrem Platzierungserfolg vom Namensgleichklang mit dem wesentlich größeren Unternehmen aus Dänemark profitiert habe …

Der Markt differenziert sich Der Markt für Mittelstandsanleihen ist auch ein Wettbewerb der Börsenplätze, die seit 2010 vielfach eigene Segmente für diese Papiere eingerichtet haben. Hier scheint sich momentan der Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse durchzusetzen: Zwölf der 23 IBOs des laufenden Jahres fanden in Frankfurt statt, gefolgt vom Düsseldorfer Mittelstandsmarkt und Bondm in Stuttgart (jeweils fünf). Ein neuer Player unter den Marktplätzen ist m:access aus München, wo Ende Juli die Anleihe der Poster XXL AG begrüßt wurde. Und die Differenzierung der Segmente geht weiter: So hat die Frankfurter Wertpapierbörse den Prime Standard für Unternehmensanleihen ins Leben gerufen und mit der Anleihe der Deutsche Börse AG den ersten Emittenten gleich dazu geliefert, gefolgt wenige Tage später von dem 75 Mio. EUR schweren Papier des Nutzfahrzeugzulieferers SAF-Holland. Nicht nur die Börsenplätze stehen im Wettbewerb, auch das Angebot von Ratingagenturen wächst: Hier ist mit Scope ein neuer Anbieter gestartet. Marktführer in diesem Bereich ist momentan Creditreform, aus deren Haus 18 Ratings der 23 Papiere aus diesem Jahr stammten.

Fazit Doch es gibt nicht nur gute Nachrichten: Mit der SIAG Schaaf Industrie AG musste der erste Emittent Insolvenz anmelden. Der gemeinhin befürchtete negative Nebeneffekt für die Assetklasse als Ganzes blieb jedoch aus. Die Nachricht vom 19. März fiel mitten hinein in die erste Emissionswelle des Jahres und bremste diese keineswegs aus. Dennoch zeigt der Fall SIAG die Risiken des Marktes für Mittelstandsanleihen, die stets gegen die Chancen abgewogen werden müssen, wo zuvorderst die attraktive Rendite angesichts des momentanen Niedrigzinsumfelds zu nennen ist. Für Unternehmen ist das Instrument nicht nur eine interessante Finanzierungsalternative in Zeiten zunehmend restriktiverer Kreditvergabe der Banken, sondern auch eine gute Einstiegsmöglichkeit an den Kapitalmarkt: Rund 60% der Emittenten machen mit ihrer Mittelstandsanleihe die erste Bekanntschaft mit den Wellen des Kapitalmarkts.

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 11/2012.

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