Aus all diesen Überlegungen muss man also den Schluss ziehen, dass die Bedeutung der kapitalmarktbasierten Unternehmensfinanzierung auch in Deutschland weiter wachsen wird. Eindrucksvolles Beispiel dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass sich mittlerweile an mehreren Börsenplätzen in Deutschland Segmente für den Handel mit Mittelstandsanleihen etabliert haben. Die bereits vor einigen Jahren diskutierte Angleichung zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem angelsächsischen Modell der Unternehmensfinanzierung hat durch die Finanzmarktkrise also allenfalls eine Verlangsamung erfahren, keinesfalls ist es aber diesbezüglich zu einer Trendwende gekommen. Selbstredend wird dieser Angleichungsprozess durch die oben beschriebenen regulatorischen Entwicklungen zusätzlich verstärkt.

Natürlich können sich die Unternehmen auf diese Entwicklung einstellen – und sie tun dies bereits heute. Das oben genannte Beispiel der Mittelstandsanleihen belegt dies. Etwas grundsätzlicher kann man sich die Frage stellen, wie die Unternehmen denn auf diese Entwicklung reagieren werden. So ist es durchaus denkbar, dass die leichtere Verfügbarkeit von Eigenkapital zu einer teilweisen Substitution von Bankkrediten durch Eigenkapital führt. Interessanterweise lässt sich gerade für den deutschen Markt, und insbesondere auch für den deutschen Mittelstand beobachten, dass die Eigenkapitalquoten in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Der viel näher liegende Substitutionseffekt besteht allerdings darin, dass Bankkredite durch Anleihen ersetzt werden. Auch dies mag man unter dem Aspekt begrüßen, dass damit Wettbewerbsdruck auf den Bankensektor ausgeübt wird. Problematisch dabei ist allerdings, dass die vom Bankensektor erbrachte Informationsbeschaffung und Kontrolle der Kreditnehmer zumindest teilweise verloren geht. Die Informations-, aber vor allem die Kontrollanreize von Anleiheninhabern sind völlig anders als jene von Banken. Gerade bei weniger transparenten also typischerweise bei kleineren Unternehmen würden damit aus Sicht der Fremdkapitalgeber die Risiken steigen, was letztlich zu einer Erhöhung der Fremdkapitalkosten führen wird.

Fazit
Hinzu kommt, dass es eine nicht zu vernachlässigende Gruppe von kleinen und mittleren Unternehmen gibt, die gar keinen Kapitalmarktzugang haben, die also weder auf der Eigen- noch auf der Fremdkapitalseite von den wachsenden Kapitalmärkten profitieren können. Diese Unternehmen werden also auch künftig auf eine bankenbasierte Finanzierung angewiesen sein. In bestimmtem Umfang wird der Wettbewerbsdruck zwar dafür sorgen, dass diese Unternehmen zumindest über Verbriefungsprodukte einen indirekten Kapitalmarktzugang erhalten. Die Gefahr, dass sich für mittelständische Unternehmen die Kapitalkosten gerade für langfristiges Fremdkapital erhöhen, ist aber ernst zu nehmen.

 

Von Prof. Dr. Christoph Kaserer, Lehrstuhl für BWL, Finanzmanagement und Kapitalmärkte, Technische Universität München

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