Markus Rieger, Vorstand GoingPublic Media AG

Was könnte man alles schreiben über 15 Jahre GoingPublic Magazin? Oder gar über 15 Jahre GoingPublic Media AG. Die Bezeichnung als ein „Stück Kapitalmarktgeschichte“ mag zutreffen, doch welchen Wert besitzt das in Relation zur Zukunft? Die Herausforderungen für alle, die sich mit dem Kapitalmarkt beschäftigen, sind gewaltig. Hier der Versuch eines Blicks in die Glaskugel…

Volkswirtschaftliches Umfeld 2013-2027
Staatsschuldenkrisen, Euro-Krise, Bankensterben, politische Börsen, künstlich niedrige Zinsen und mehr: Es ist schon eine merkwürdige Situation, in der wir gerade leben. Mit Sicherheit war die Abhängigkeit der Märkte und des wirtschaftlichen Handelns vieler Akteure von der Politik in den letzten 15 Jahren kaum größer als heute. Auf der anderen Seite verliert die Politik mit jedem weiteren Tag, mit jeder weiteren Rettungsmaßnahme an Handlungsfähigkeit und an Handlungsspielräumen. Was erwartet uns nun in den nächsten 15 Jahren?

  1. Wir werden an einen Punkt kommen, in dem die Märkte wieder das Ruder übernehmen, weil die Politik nicht mehr handlungsfähig ist.
  2. Der Euro wird bleiben, aber es werden Länder aus der Eurozone ausscheiden.
  3. Die Vergemeinschaftung der Schulden wird ein Ende finden, weil die Märkte nicht mehr bereit sein werden, selbst die heute noch stabilen Staaten wie Deutschland zu finanzieren. Während es heute noch problemlos möglich ist, deutsche Staatsanleihen – bei niedrigen Coupons – zu platzieren, wird sich das Bild in den nächsten 15 Jahren massiv verändern.
  4. Die Zinsen werden steigen.
  5. Der Bankensektor bleibt in der Krise; eine Reihe von Instituten wird in ihrer Existenz gefährdet sein.

Kapitalmarkt 2013-2027
Welche Auswirkungen wird ein soeben beschriebenes Szenario auf die Finanzierung über den Kapitalmarkt haben? Die Eigenkapitalbeschaffung via Erstnotiz (IPO), aber auch über Kapitalerhöhungen notierter Unternehmen war in den letzten Jahren alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Neu, und das ist extrem positiv zu werten, hat sich die Fremdkapitalbeschaffung über die Börse entwickelt. Während Großunternehmen – ob notiert oder nicht – schon seit Jahren die Anleihefinanzierung als Instrument nutzen, hat sich nun auch ein Segment der „Mittelstandsanleihen“ etabliert. Die Prognosen bis 2027:

  1. Der Markt für Mittelstandsanleihen wird sich trotz einer Reihe von Insolvenzen und Problemfällen weiter gut entwickeln. Die Bonitäten der Neuemittenten werden sich verbessern, der Markt wird erwachsen werden.
  2. Die Zahl der Initial Public Offerings wird wieder zunehmen, im Jahresdurchschnitt 2013 bis 2027 bei 30-40 liegen.
  3. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts wird der Kapitalmarkt – auch aufgrund eines nicht mehr wie bisher funktionierenden Bankensystems – alternativlos werden!
  4. Mangels Anlagealternativen stehen weltweit große Vermögenswerte zur Neu-Allokation in Sachwerten an. Mangels Anlagealternativen wird Hauptprofiteur der Aktienmarkt sein. Wir stehen vor einem „Jahrzehnt der Aktie“.

 

Familienunternehmen und Börse 2013-2027
Die Skepsis des Mittelstands gegenüber dem Institut „Börse“ ist traditionell groß. Einzig die Episode Neuer Markt hat kurzzeitig einmal ein zeitweise kollektives Umdenken gebracht, allerdings fast ausschließlich im Bereich der Internet- und Technologieunternehmen. Positiv ist zu konstatieren, dass immer mehr Familienunternehmer-Berater ihren Mandanten empfehlen, sich „kapitalmarktfähig“ aufzustellen. Zum einen, weil Publizität und Transparenz zunehmend auch als Werte erkannt werden, die ein Unternehmen besser machen. Zum anderen, weil das Vertrauen in die Financiers der letzten 60 Jahre – die klassischen deutschen Geschäftsbanken – immer weiter schwindet. So kann man konstatieren: Status Quo 2012 unbefriedigend – die Börse hat keine „Lobby“ beim erfolgreichen Familienunternehmen. Aussichten 2013-2027: Mangels langfristiger Alternativen heiter bis rosig!

 

Kapitalmarktmedien 2013-2027
Emittenten von Aktien und Anleihen (bestehende und künftige), Berater und Kapitalmarkt-Dienstleister brauchen Austausch. Austausch, um sich kennenzulernen, zusammenzuarbeiten und letztendlich die Märkte gemeinsam zu entwickeln. Austausch findet auf Plattformen statt. Moderne Fachmedien wie das GoingPublic Magazin stellen im Laufe der nächsten 15 Jahre nicht nur Inhalte, sondern Plattformen bereit, auf denen der Austausch zwischen den Marktteilnehmern stattfindet:

  • Dem Leser wird es überlassen, wie er Informationen aufnehmen will: Im gedruckten Medium, via Tablet, Social Media oder Web-Portal
  • Plattformen werden cross-medial: Druckwerke, Angebote im Internet, Konferenzen sowie TV „wachsen zusammen“.
  • Die „Lobbyarbeit für den Kapitalmarkt“ wird einen höheren Stellenwert bekommen. Die enge Community der Kapitalmarktexperten muss sich öffnen und über den Kanal moderner Medien auch Überzeugungsarbeit bei (noch) nicht börsenaffinen Zielgruppen, von Privatanleger bis Familienunternehmen, leisten.

 

Erfolgsspur 2004-2012
Was muss ein 17 Jahre alter Zeitschriften-Fachverlag tun, um sich für die kommenden 15 Jahre zu rüsten? Eine schwierige Frage… Zunächst einmal ein Blick zurück: Während man in den Aufbaujahren 1996-1999 organisch gewachsen war, standen das Jahr 2000 (bis Mitte 2001), beeinflusst vom ersten Internet- und Börsen-Hype, im Zeichen eines selbst auferlegten Wachstums-Zwangs. Die nächste Phase, der Überlebenskampf 2001 bis 2003, folgte auf dem Fuße (siehe auch GoingPublic Magazin 12/2002 und 12/2007 mit den Rückblicken auf 5 bzw. 10 Jahre Geschichte). Seit 2004 – also seit nunmehr 9 Jahren – ist die Gesellschaft nun durchgängig profitabel. Von 2003 bis 2012 wuchs der Umsatz in jedem Jahr; nur 2009 hatte man einen kleinen Umsatzrückgang zu verzeichnen. Der Hauptgrund für den Erfolg war die Strategie der Diversifizierung über Spin-offs und Zukäufe. Im Ergebnis ist man heute nur noch mit rund 30 % Umsatzanteil vom Kapitalmarktgeschäft abhängig. Daneben wurde seit 2008, angefangen bei DIE STIFTUNG, kontinuierlich ein Event-Geschäft etabliert, so dass man 2012 bereits Organisator von rund 40 Veranstaltungen war. Die Gruppe erwirtschaftet heute insgesamt mit 34 Mitarbeitern ca. 4 Mio. Euro Umsatz.

GoingPublic Media AG 2013-2027
Welche Aussagen lassen sich für die kommenden 15 Jahre treffen:

  1. Der Umbau vom Zeitschriften-Fachverlag zum multimedialen, modernen Medienhaus steht als Herausforderung an erster Stelle.
  2. Dabei sollte die konsequente Orientierung am Kunden und am Markt die wichtigste Orientierungshilfe sein.
  3. Nachhaltige Ertragskraft bleibt das oberste Unternehmensziel
  4. Wachstum ist kein Selbstzweck und kein „Muss“, allerdings wird ohne Wachstum mit hoher Wahrscheinlichkeit kein nachhaltiger Ertrag möglich sein.
  5. Der Medienmarkt wird stark in Bewegung bleiben. Eine weitere Marktkonsolidierung im größten Zeitschriftenmarkt der Welt scheint wahrscheinlich. Beispiele wie Börse Online, Impulse oder Financial Times Deutschland werden keine Ausnahmen bleiben. Als „Überlebender“ gilt es, Marktchancen und –risiken bei Zukäufen genau abzuwägen.
  6. GoingPublic Media – notiert seit 2006 – wird den Kapitalmarkt in den nächsten Jahren erstmals selbst via Kapitalerhöhung in Anspruch nehmen.

Fazit
Ob es die heutigen Medien des Verlags in 15 Jahren noch geben wird, entscheidet letztendlich der Markt. Starke, gewinnbringende Marken werden immer überleben, egal wie das Medienhaus dahinter heißt. So viel scheint sicher. Ob es die Medien dieses Verlags noch gedruckt geben wird, ist ähnlich zu beurteilen – auch hier werden die Marktkräfte letztendlich entscheiden. Wenn Leser und Werbekunden eines Tages die E-Paper des GoingPublic Magazins mehr schätzen als das gedruckte Heft, wäre eine reine Online-Version ja keine „Einstellung“, die man betrauern müsste, sondern eine gelungene Weiterentwicklung. 2027 würde man dann sicher schmunzeln über die Wehmut, den einen Leser des vorliegenden Hefts zum 15. Geburtstag bei dem Gedanken beschleichen könnte.

 

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 1/2013.

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