In Deutschland werden innovative Geschäftsmodelle meist durch Private Equity und Late-Stage-Wachstumskapital finanziert. Der Kapitalmarkt spielt eine untergeordnete Rolle. Aussichtsreich ist für schnell wachsende Unternehmen allerdings ein Listing an der NYSE oder NASDAQ.

Dechert_Hummel, Berthold
Berthold Hummel, Partner, Dechert LLP*

Mit dem Jumpstart Our Business Startups Act (JOBS Act) sind 2012 in den USA die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, jungen, schnell wachsenden Unternehmen erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen. Seither macht die Liste der Small-to-Mid-Cap-Notierungen deutlich, dass der Börsenplatz USA sektorübergreifend ein attraktiver Marktplatz für Börsenneulinge mit innovativen und renditestarken Geschäftsmodellen auch aus dem Ausland sein kann.

Vorteile für ausländische Issuer

Foreign Private Issuer (FPI), das heißt Unternehmen, deren Gesellschafter bzw. Assets mehrheitlich außerhalb der USA angesiedelt sind, profitieren insoweit erheblich:

  • Die SEC diskutiert mit dem Emittenten die Entwürfe des Prospekts bzw. des Antrags auf Börsenzulassung vor dem öffentlichen Filing auf vertraulicher Basis.
  • Der Emittent kann sich bei der Darstellung der Zahlenhistorie auf lediglich zwei Geschäftsjahre beschränken.
  • Es besteht keine Verpflichtung, eine Prüfungsbescheinigung des Wirtschaftsprüfers zu der veröffentlichten Rechnungslegung vorzulegen.
  • Der Issuer kann „Testing the Water“-Kommunikation mit potenziellen Investoren führen, um ein Zeichnungsinteresse auszuloten.
  • Es gelten generell reduzierte Offenlegungspflichten des Emittenten nach dem IPO.
  • Die Meldepflichten zu Directors’ and Officers’ Dealings werden erleichtert.

Vor der Entscheidung für ein US-IPO sollte eine verlässliche Erfolgsprognose stehen. Hierzu gehören nicht Rechtsform, Corporate Governance sowie Statuten des FPIs. Diese können bei der deutschen AG beibehalten werden. Neben der Angleichung an einen US-Issuer, z.B. mit Blick auf Compliance-Programm und Mitarbeiterbeteiligung, sind vor allem harte Marktkriterien für die Beurteilung der Chancen und Risiken für ein US-Offering relevant:

  • Stetiges Wachstum über einen mindestens fünfjährigen Zyklus;
  • aktuelle und zukünftige Umsatz- und Marktbedeutung der NAFTA Staaten für das Produkt und Geschäftsmodell des Unternehmens;
  • Bewertungsarbitrage im Vergleich mit Wettbewerbern oder Peers mit Geschäftssitz in den USA anhand von Umsatz-, und Ertragskennzahlen sowie dem Leverage (Verschuldungsgrad anhand eines Multiple);
  • Liquidität des amerikanischen Kapitalmarkts und Prognose zu IPO-Fenster;
  • Umfang und Tiefe von Market Research sowie Analysten-Coverage;
  • Volumen des Primary bzw. Secondary Offering vor dem Hintergrund der Anforderungen an den Umfang des Streubesitzes an NASDQ und NYSE;
  • Kosten des US-Listings (ca. 10% des Emissionserlöses).

Vorbereitung des US-Listings

Fällt die Prognose positiv aus, gilt es, die Emissionsbanken auszuwählen. Bei der Rollenverteilung zwischen Lead und Co-Book Runner sowie weiteren Underwritern sind Platzierungssicherheit, Sektorverständnis, Analysten-Coverage, aber auch rechtliche Transaktionssicherheit für die Entscheidung maßgeblich. Track Record und Verständnis eines Cross-border-IPOs sind unverzichtbar.

Der Arbeit an Prospekt und Registration Statement geht eine umfangreiche Due Diligence voraus. Die Prüfung kann parallel durch die Berater des Unternehmens und die Banken erfolgen. In Prospekt und Registration Statement sind Markt, Unternehmen, Risikofaktoren, Geschäftsmodell und Corporate Governance genau zu beschreiben und dabei vor allem die grenzüberschreitenden Themen zu adressieren.

Dem Antrag auf Börsenzulassung folgt eine vierwöchige Wartefrist, innerhalb derer die SEC die Unterlagen prüft. Nicht selten tritt die SEC in einen intensiven Dialog mit dem Emittenten, um Verständnisfragen zu klären oder sich Geschäftsmodell und Home Country Rules erläutern zu lassen. Mit dem Zulassungsantrag ist das Vorhaben auch öffentlich auf der SEC-Website (EDGAR) gemacht.

Neben der zwingenden Umstellung der handelsrechtlichen Bilanzen des Emittenten auf IFRS ist auch die Form der Darstellung der Zahlen meist Neuland für europäische Emittenten.

Handelswährung durch ADRs

Aktien eines FPI können in den USA nicht direkt gehandelt werden. Es ist daher erforderlich, mit übertragbaren Hinterlegungsscheinen (American Depositary Receipts, ADR) ein handelbares US-Wertpapier zu schaffen, welches die Aktien verkörpert. Hierbei entsteht ein eigentumsrechtlich komplexes Dreiecksverhältnis zwischen dem Emittenten, einer US-Depotbank und einer in Europa ansässigen Custodian Bank, die die Aktien für die US-Depotbank verwahrt. Für ein solches ADR-Programm werden ausführliche Abwicklungs- und Verwahrungsverträge geschlossen, die vor allem die aus den Aktien abgeleiteten Rechte in der Hauptversammlung sichern.

Für den gesamten Prozess vom Kick-off Meeting mit den Emissionsbanken bis zum Pricing und der Erstnotierung sind erfahrungsgemäß sechs bis neun Monate einzuplanen. In dieser Zeit wird der Emittent erhebliche interne Ressourcen aufwenden müssen. Am Ende steht der Gang auf das Parkett in den USA.

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*) Berthold Hummel, Partner bei Dechert LLP, ist spezialisiert auf Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht und seit mehr als 18 Jahren in der VC- und Private-Equity-Industrie beratend tätig. Unter seiner Federführung hat ein Team deutscher und US-amerikanischer Anwälte im Oktober 2013 das Listing der voxeljet AG, einem Hersteller industrietauglicher 3D-Drucker, an der NYSE betreut. Das Emissionsvolumen betrug dabei rund 100 Mio. USD.

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