Was ist noch schlimmer, als Verluste an der Börse zu realisieren? Genau: Steigenden Kursen hinterherzuschauen. Wer angesichts ambitionierter Emissionsparameter zögerte, früh bei Solarwerten einzusteigen, musste aber bis zum Juni genau diese Erfahrung machen. Nicht zuletzt steigende Ölpreise zogen die Photovoltaik-Werte in ungeahnte Höhen. Der Namenszusatz „Solar“ entfaltete die gleiche Wirkung auf risikofreudige Anleger wie zuvor der Bestandteil „dot com“.

Nun aber sind die Kurse zum Teil deutlich zurückgekommen, und viele Anleger dürften sich fragen: Ist das die zweite Chance zum Einstieg? Ob es schon so weit ist, oder ob noch die Regel des „greife niemals in ein fallendes Messer“ gilt, lässt sich naturgemäß schwer sagen. Auf alle Fälle macht es aber Sinn, sich darüber klar zu werden, ob man lieber einen Hersteller, Distributor oder Projektierer im Depot haben möchte und die eine oder andere Aktie auf die engste Watchlist zu nehmen sowie vielleicht einen individuellen Kaufkurs zu analysieren. Denn einige Substanzwerte weisen mittlerweile wieder erträgliche KGVs auf.

Für ein Engagement spricht, dass Solarenergie unzweifelhaft eine weiter wachsende Rolle im Energiemix spielen wird. Eine Wachstumsdelle in Deutschland könnte im Ausland aufgefangen werden, denn mit Spanien, Italien, Griechenland und Frankreich gibt es nun auch in anderen Ländern Erneuerbare-Energien-Gesetze, die den deutschen Einspeiseregelungen und –vergütungen ähnlich sind. Weitere Länder werden folgen. Wichtig ist daher bei Neuengagements auf die möglichst breite Internatonalisierung des Geschäftes des Unternehmens zu achten.

Für die langfristig positive Entwicklung der Solarenergie spricht auch die Berechnung der sogenannten Allgemeinkosten. Bei konventioneller Energiegewinnung gilt ein Ansatz von 6 bis 8 Cent pro Kilowattstunde als realistisch. Atomenergie liegt rechnerisch zwar darunter und deren Lobbyisten betonen gerne die Klimafreundlichkeit, angesichts der Risiken im Bereich Endlagerung, Aufbereitung, Terrorgefahr und der damit verbundenen Überwachungsaufwendungen dürften die tatsächlichen Kosten aber weit höher liegen. Solarstrom hingegen ist lediglich mit Allgemeinkosten von einem Cent pro Kilowattstunde belastet. Kein Zweifel kann angesichts der Endlichkeit der Ressource Öl daran bestehen, dass auch dieser Preis, früher oder später, neue Höhen erklimmt.

Vieles spricht also dafür, dass eher das Szenario einer zweiten Chance als das Ende einer Party modischer Aktien zutrifft. Das Problem des Timings und des fallenden Messers freilich bleibt.

Stefan Preuß

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