Inhaltlich hätte man von der Union Einiges erwarten können: Steuerreform, Gesundheitsreform, Arbeitsmarktderegulierung, Bildungsoffensive. Dazu eine Kanzlerkandidatin, die unideologisch und glaubhaft ihr „Deutschland wird es schaffen“ per TV in die Republik posaunte. Was blieb hiervon beim Wähler hängen, wenn er an den Wahlkampf 2005 zurückdenkt? Die Kirchhof’sche Gegen-Windmühlen-Flat-Tax, die wohl des Guten ein wenig zu viel war. Selbst für Reformer, wie sie in der CDU ja zahlreich zu finden seien. Dabei wäre auch das FDP-Modell eines Stufentarifs mit den entsprechenden Vereinfachungen und Streichungen von Ausnahmen ein weitreichendes, und für Besitzstandswahrer einschneidendes Konzept. Nur hat dies kaum einer mitbekommen, weil die kleinen Parteien mit ihren inhaltlichen Schärfen aufgrund der Polarisierung Schröder-Merkel kaum zum Zug gekommen sind.

Dabei kämpfte Schröder einen aussichtslosen Oppositionswahlkampf, weil er bereits verloren hatte und sich sicher sein konnte, den Schaden allenfalls begrenzen zu können. Klar, daß er in der Rolle des Jägers zu verloren geglaubter Hochform auflief. Die Union trat bereits siegestrunken und -sicher auf und führte den Wahlkampf einer Regierungspartei. Die, die also regierten, versuchten aus der Opposition heraus an der Macht zu bleiben. Und die, die in der Opposition waren, mußten in die Rolle des Regierenden schlüpfen, da diese Rolle sonst von der eigentlichen Regierung, die dazu nicht mehr in der Lage schien, ausgefüllt zu werden drohte. Dieses abstruse Bild zeichnete Deutschland also von sich selbst. Wer sollte denn da noch durchblicken?

Die Parteien zumindest nicht. Die Union hätte zumindest mit ihrem Gesundheitskonzept gewinnen und Weitblick zeigen können. Aber offenbar waren die Parteioberen von dem Prämienkompromiß selbst so wenig überzeugt, daß sich ein Versuch, beim Wähler mit der Gesundheitspauschale zu punkten, praktisch von selbst ausschloß. Gleiches galt für Fragen der Rente, der Bildung, des Bürokratieabbaus… . Es ließen sich unzählige weitere Politikfelder finden, auf denen sich die rechte Orientierung durch den Wahlkampf nicht einstellen wollte. Traurig, oder? Dennoch ist mit einer Art Hyperaktivismus in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung zu rechnen, ganz einfach weil die Konstellationen, so Schröder seine Aufholjagd nicht vollends gelingt, es hergeben dürften. Ob die Weichen, die dann gestellt werden, aber die Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit beinhalten, bleibt fraglich.

Immerhin hat die Politik im Wahlkampf alles getan, dem Gegner dessen Fehler aufzuzählen und haarklein Mißstände von früher oder wer weiß wann aufzudecken. Dem Bürger jedoch dazulegen, wie ganz konkret die notwendigen Reformbausteine zusammengefügt werden sollen, das hat man versäumt. Eben den roten (schwarz-gelben) Faden zu spannen. Es braucht ja kein dicker Faden zu sein, ein Fädchen würde es bereits tun. Aber selbst das ist derzeit wohl noch zu viel verlangt.

Tobias Karow

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

 

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