In dieser Situation ist Fingerspitzengefühl der Emittenten gefragt. Bei biolitec wurde dies nur bedingt bewiesen.

Auch der Hersteller von Lasersystemen und Lichtwellenleitern aus Jena hatte unter der Flaute am Neuen Markt zu leiden. Die Handelsaufnahme der biolitec-Aktie (WKN 521 340) war ursprünglich auf den 13. November datiert. Eine samstägliche Pressemitteilung vom 11. November verlautete jedoch, daß biolitec erstmals am Mittwoch, den 15. November, gehandelt werden würde. Der Plazierungspreis, der sich zwischen 20 und 25 Euro bewegen sollte, wurde unterhalb der Bookbuilding-Spanne bei 16 Euro festgelegt. Der Korrekturen noch nicht genug, schmolzen die Jenaer kurzerhand einen Teil des Emissionsvolumens ein. Anstelle von 3 Mio. Aktien standen den zukünftigen Aktionären, die an die „Biotechnologie des dritten Jahrtausends“ glauben, nur noch 2,015 Mio. Stückaktien zur Verfügung. Die Anlegerschaft konnte sich nicht recht für die Aktie begeistern, obwohl die Idee einer neuartigen Krebsbehandlung mit Lasertechnologie, die Photodynamische Therapie (PDT), durchaus interessant ist. Allerdings hat biolitec noch keine Zulassung für einen der dazu notwendigen photosensitiven Wirkstoffe erhalten. Zudem ist die Frage der Rückerstattung der Behandlung durch die Krankenkassen noch offen. Auch ein unmittelbarer Bezug zur Biotechnologie läßt sich nicht erkennen.

Doch die Nachrichtenlage der letzten Tage hätte das Business-Modell eigentlich unterstützen und auf die biolitec-Aktie neugierig machen müssen. Denn zeitgleich am 11. November veröffentlichte die Health Care Financing Administration (HCFA), die Finanzierungsbehörde für das Gesundheitswesen in den USA, eine nationale Kostenübernahmeregelung für die Anwendung der PDT. Bei der Behandlung altersbedingter Sehschwäche liegt es nun im Ermessen des jeweiligen Arztes, von dieser Behandlungsform Gebrauch zu machen. Jedoch wird davon in erster Linie das Konkurrenzunternehmen QLT, Inc. profitieren. Denn auch die Kanadier vertrauen der PDT, besitzen jedoch schon weltweit die einzige Zulassung für einen photosensitiven Wirkstoff und somit auch eine Alleinstellung hinsichtlich einer praktischen Umsetzung. Die Entwicklung in den USA beweist, daß auch die deutschen Krankenkassen die Frage der Kostenerstattung wohl überdenken müssen.

Am Montag, den 14. November, folgte eine erneute Pressemitteilung. Dieser war zu entnehmen, daß das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Forschungsaktivitäten von biolitec unterstützt. Mit zusätzlichen 4 Mio. DM soll es gelingen, die photodynamischen Anwendungen weiterzuentwickeln und in neue Produkte und Verfahren der PDT umzusetzen. Eine willkommene Finanzspritze vom Bund, schließlich belief sich der Verzicht bei den von biolitec geplanten Einnahmen aus dem Börsengang auf gut die Hälfte des ursprünglichen Volumens. Im günstigsten Falle hätten ca. 86 Mio. Euro die Liquiditätslage des Unternehmens verbessert. Jetzt werden ca. 35 Mio. Euro in den Büchern erscheinen.

Grundsätzlich sind Korrekturen an der Bookbuilding-Spanne mittlerweile nicht mehr unüblich. Zu einer vorschnellen Verurteilung des betroffenen Unternehmens sollte sich also der Anleger nicht hinreißen lassen. Daß jedoch der biolitec-Vorstand trotz einer geringen Nachfrage weitere 200.000 Stück aus dem Altaktionärsbestand in Form eines Greenshoes anbot, ist durchaus negativ zu bewerten. Ist das Emissionsvolumen etwa gesenkt worden, um von der Mehrzuteilungsoption Gebrauch machen zu können? Auch wenn bis heute noch nicht bekannt ist, ob der Greenshoe bei der Emission von biolitec ausgeübt worden ist, sei der Vorstand der biolitec AG mit Blick auf die LetsBuyIt.com-Aktie gewarnt, dem Anleger nicht zuviel zuzumuten. Schließlich führte auch hier eine nicht nachvollziehbare Emissionspolitik zu einem völlig mißglückten IPO. Nach der ersten Handelswoche schloß jedenfalls der Kurs von biolitec am Freitag bei 14,95 Euro und damit 6,5 % unter dem bereits korrigierten Emissionskurs.

Wer mehr auf Schlagworte denn auf Fakten setzt, bei schwachem Marktumfeld an die Börse strebt und zusätzlich bei nicht vollständiger Ausübung der Emission am Greenshoe aus Altaktionärsbesitz festhält, der überspannt den Bogen und die Geduld der Anlegerschaft. Das Ergebnis darf dann nicht verwundern. Aber es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen. Der Markt wird reifer. Und beim nächsten Mal kann es nur besser werden.

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